
Nur wenige Stunden vor diesem Video stand ich nicht mehr als dreieinhalb Meter entfernt von US-Präsident Donald Trump im Oval Office, neben ihm der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz. Wenn es nach Friedrich Merz und der Bundesregierung gegangen wäre, wäre niemand von NIUS bei diesem Termin dabei gewesen – unserem großartigen Kollegen Ralf Schuler wird seit Beginn der Amtszeit von Friedrich Merz die Mitreise als Korrespondent verwehrt, offiziell natürlich aus Platzgründen. Zwar sagte Merz im Wahlkampf noch „Links ist vorbei“, aber beim Umgang mit der Pressefreiheit und kritischen Journalisten orientiert sich diese Regierung noch an ihren links-grünen Vorgängern.
Die ganze Folge „Achtung, Reichelt!“ finden Sie hier:
Als Journalisten aber ist es unser Beruf, besonders dann dabei zu sein, wenn wir nicht erwünscht sind. Es gibt diesen schönen Satz: Wenn nicht irgendwer will, dass das, was Du schreibst, NICHT erscheint, ist es nicht Journalismus, sondern PR.
Deswegen habe ich mich nach der Absage der Bundesregierung an NIUS bei der US-Regierung darum bemüht, als Reporter im Weißen Haus dabei sein zu dürfen. Und es ist mir gelungen. So kann ich Ihnen aus erster Hand berichten, wie es war.
Schon bevor Friedrich Merz im Weißen Haus eintraf, hatte sich unter deutschen Journalisten das Gerücht verbreitet, dass es doch tatsächlich passieren könnte, dass irgendwer eine freche, nicht erwünschte Frage zum Thema Meinungsfreiheit stellen könnte, eingeschlichen in die Delegation und nicht autorisiert von der Regierung. Undenkbar schien es manchen Kollegen, diese Frage zur Meinungsfreiheit doch einfach selbst zu stellen.
Der kleine Obrigkeitsberichterstatter Bastian Brauns vom Propaganda-Portal T-Online gab sich vor dem Termin besorgt. Brauns erblickte mich im Garten des Weißen Hauses, machte aus sicherer Entfernung ein etwas unscharfes Observationsfoto und schrieb dazu folgendes auf X:
„Es ist damit zu rechnen, dass es Julian Reichelt sein wird, der den Bundeskanzler im Oval Office auf die Pressefreiheit in Deutschland ansprechen wird.“ Und dann weiter: „Reichelt ist nicht Teil der Kanzler Pressedelegation. Muss also von Trump-Seite ins Oval geschleust werden.“
Obwohl Bastian Brauns nur ein paar Meter zu mir hätte rüberschlendern müssen, um mich mit seinem schrecklichen Verdacht zu konfrontieren, blieb er lieber auf Distanz, damit sein Weltbild bloß nicht ins Wanken gerät. Soweit sind wir in den deutschen Medien gekommen, dass man als Journalist heimlich fotografiert wird, wenn der Verdacht besteht, dass man eine Frage stellen will, die dem Bundeskanzler nicht gefallen könnte. Auch die Wortwahl ist bemerkenswert: Wie wir alle wissen, ist das Weiße Haus der Amtssitz des US-Präsidenten. Er muss also niemanden hinein „schleusen“, er kann Journalisten einfach Zutritt gewähren, so wie es sich in einer Demokratie gehört.
Auch mein großartig kluger Welt-Kollege Robin Alexander berichtete auf X über meine Anwesenheit und enthüllte, dass man sich in der Regierung wohl tatsächlich vorher gesorgt hatte, die Journalisten nicht unter Kontrolle zu haben. Robin Alexander schrieb:
Der Bundeskanzler Friedrich Merz hat also „Sorge“ vor „Fragen“. Das ist keine düstere, rechte Verschwörungstheorie, die ich hier verbreite, das sagt einer der besten Kenner der Bundesregierung, Robin Alexander. In aller Transparenz möchte ich sagen, dass Robin und ich uns ewig kennen, uns im Weißen Haus wie immer bestens verstanden haben und er vorher gefragt hat, ob er seinen Tweet absetzen darf. Meine Antwort lautete: „Robin, it’s a free country. Aber eines sage ich Dir: Sollte ich jemals an die Macht gelangen, kommen alle, die meinen kahlen Hinterkopf so fotografiert haben, acht Jahre in den Knast.
Für die Kollegen von T-Online: Das war ein WITZ – es wären mindestens zehn Jahre.
Robin Alexander und ich haben beide darüber gelacht, man kann nämlich miteinander lachen, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Dann haben wir darüber geredet, was diese unglaubliche Sogkraft von Donald Trump ausmacht. Robin Alexander hat gesagt, normale Menschen würden ihn quasi als Übersetzer brauchen, um überhaupt noch zu verstehen, was deutsche Politiker meinen, wenn sie sprechen. Wenn Donald Trump spreche, verstehe die ganze Welt, was er meint. Das stimmt.
Nius Chefredakteur Julian Reichelt im Oval Office während des Meetings zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und Präsident Donald Trump.
Was ich im Oval Office auch erlebt habe, ist dies: Der Regierungsstil von Donald Trump muss vielen Politikern und ihren journalistischen Garden als absoluter Alptraum von Zugang und Transparenz erscheinen.
Bundeskanzler Friedrich Merz mit dem US-Präsidenten Donald Trump im Oval Office.
Da dürfen Journalisten einfach in diesen heiligen Ort der Weltgeschichte, ins Oval Office, stürmen wie eine trampelnde Horde der Meinungsfreiheit, dürfen alles fragen, reinbrüllen, auf den mächtigsten Mann der Welt einschreien, und dieser mächtigste Mann der Welt antwortet auf alles, sagt in einfachen, ja, manchmal skurrilen Worten, was er denkt, wie er unsere Welt sieht, wen er mag, wen er nicht mag, ohne auch nur ein einziges Mal in das vollkommen entkoppelte Polit-Blabla zu verfallen, das schon längst kein Mensch mehr versteht.
Das Gespräche zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und Präsident Donald Trump aus dem Sichtwinkel von NIUS-Chefredakteur Julian Reichelt.
Donald Trump sprengt die Schutzmechanismen in die Luft, die Politiker in der westlichen Welt sich mühsam aufgebaut haben, um sich bloß das Volk vom Leib zu halten. Es wäre in Deutschland absolut undenkbar, dass nahezu täglich Reporter in das Büro von Friedrich Merz stürmen, um ihn hart und vollkommen unkontrolliert zu befragen. Donald Trump sendet eine Botschaft in die Welt, die vielen Politikern furchterregend erscheint: Das Oval Office gehört nicht ihm, sondern dem Volk, genau wie das Büro von Friedrich Merz im Kanzleramt nicht ihm, sondern uns gehört.
Apropos, Friedrich Merz. Der deutsche Bundeskanzler hat im Oval Office eine absolut würdige, wenn auch eher unauffällige Leistung abgeliefert und unser Land sehr ordentlich repräsentiert und vor allem nicht blamiert, wofür man nach drei Jahren Ampel-Regierung und angesichts des Englisch von Annalena Baerbock ja schon dankbar ist.
NIUS-Chefredakteur Julian Reichelt im Oval Office.
Friedrich Merz und Donald Trump haben sich prächtig verstanden.
Als Reporter im Oval Office konnte ich mit eigenen Augen sehen: Der US-Präsident ist keine Gefahr für die Demokratie, er ist nicht wie Putin und die deutsch-amerikanische Freundschaft ist nicht in Gefahr. Aber genau das hat Friedrich Merz bis vor wenigen Wochen noch behauptet.
Nichts von dem, was Friedrich Merz vor wenigen Wochen, unmittelbar vor und unmittelbar nach der Wahl gesagt hat, würde er heute noch so wiederholen. Friedrich Merz weiß, dass es Unsinn ist und mutmaßlich wusste er das schon, als er es gesagt hat.
Die Hofjournalisten der Bundesregierung beim Einstieg in den Flieger von Bundeskanzler Friedrich Merz nach Washington.
Deswegen ist es wichtig, dass kritische Journalisten auf solchen Reisen mit dabei sind, um die Worte und das Wesen der Mächtigen für Sie einzuordnen. Vergessen wir nämlich nicht: Mit der Begründung, dass Donald Trump sich gegen die Ordnung des freien Westens gewendet habe und wir nun auf uns allein gestellt sein, hat Friedrich Merz sein wichtigstes Wahlkampfversprechen, keine neuen Schulden, nicht nur gebrochen, sondern ins Gegenteil verkehrt und Schulden in Höhe von rund einer Billion Euro gemacht, die noch unsere Kinder und Enkel abbezahlen werden.
Die Worte der Mächtigen, ihre Behauptungen, Ausreden, Schummeleien, Tricks und Täuschungen haben direkte Auswirkungen auf das Leben von Millionen Menschen, auf Generationen, die noch gar nicht geboren sind.
Bei Friedrich Merz’ Besuch im Oval Office konnte man als Reporter live miterleben, dass all das, was er uns über Donald Trump erzählt hat, wohl nicht stimmte, dass er es vermutlich nie selbst wirklich geglaubt hat. Es mag Friedrich Merz nicht gefallen, dass wir bei NIUS und ich für Sie das so einordne, aber das hat Friedrich Merz nicht zu entscheiden, auch nicht zu verhindern, das hat er zu ermöglichen, denn auch das ist seine Verpflichtung als Bundeskanzler gegenüber den Bürgern und der Pressefreiheit.
Als Ihr Reporter im Weißen Haus kann ich Ihnen berichten: Alles, was Sie von unserem Bundeskanzler in den letzten Monaten über Donald Trump gehört haben, können Sie einfach vergessen. Die Realität sieht anders aus:
Präsident Donald Trump probierte das Gastgeschenk von Bundeskanzler Friedrich Merz- einen Golfschläger-sofort im Oval Office aus.
Friedrich Merz schenkte Donald Trump einen neuen Golfschläger, einen sogenannten Putter, den Trump im Oval Office sofort ausprobierte. Würde man einem Mann solche Geschenke machen, wenn man ihn ernsthaft für eine Gefahr für die wichtigste Demokratie der Welt hielte?
Nein, natürlich nicht.
Und damit man uns nicht einfach solchen Unsinn erzählen kann, braucht es Journalisten, die von der Regierung nicht erwünscht sind. Ganz einfach.