
Das Weltwirtschaftsforum (WEF), die Organisation hinter dem jährlichen Treffen globaler Führungskräfte in Davos (Schweiz), hat infolge zahlreicher Vorwürfe des beruflichen Fehlverhaltens die Beziehungen zu seinem Gründer Klaus Schwab abgebrochen. Berichten zufolge bedrohte Schwab Mitglieder des WEF-Kuratoriums, nachdem diese eine Untersuchung der Anschuldigungen empfohlen hatten.
Am 21. April trat Schwab überraschend als Vorsitzender des WEF zurück. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete, dass die 27 Mitglieder des Kuratoriums einstimmig seinen Rücktritt gefordert hatten, nachdem sie von den angeblichen Drohungen erfahren hatten.
Nach seinem Rücktritt wurde Schwabs Bild von der offiziellen Website des WEF entfernt. Außerdem wurde ihm Berichten zufolge der Zutritt zu seinem früheren Arbeitsplatz in der Nähe von Genf untersagt.
Der 87-jährige Schwab hatte sich bereits im Januar 2025 aus der täglichen Leitung des WEF zurückgezogen, allerdings angekündigt, bis 2027 als Vorsitzender im Amt bleiben zu wollen – angeblich, um Christine Lagarde als seine Nachfolgerin aufzubauen. Die Amtszeit Lagardes als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) endet 2027. Das WEF erwirtschaftet jährlich fast 500 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiter weltweit.
Wie bekannt wurde, war Schwabs Rückzug aus dem Tagesgeschäft bereits eine Reaktion auf interne Vorwürfe beruflichen Fehlverhaltens. Eine unabhängige Prüfungskommission unter Leitung des Juristen und ehemaligen US-Justizministers Eric Holder (Regierung Obama) hatte die Vorwürfe als „erheblich“ eingestuft.
Mitte 2024 beauftragte das Kuratorium des WEF Eric Holder und dessen Kanzlei mit der Untersuchung von 70 Vorwürfen, darunter sexuelle Belästigung, rassistische Diskriminierung und Führungsfehler.
Schwab soll versucht haben, Druck auf Redakteure des Wall Street Journal auszuüben, um die Veröffentlichung eines kritischen Artikels zu verhindern.
Auch Schwabs Sohn Oliver geriet ins Visier der Vorwürfe. Er arbeitete damals zusammen mit seiner Schwester Nicole für das WEF.
Oliver Schwab soll Beschwerden einer Mitarbeiterin über sexuelle Belästigung durch einen Vorgesetzten ignoriert haben. Statt eine formelle Untersuchung einzuleiten, sprach er Berichten zufolge lediglich eine mündliche Verwarnung aus. Der beschuldigte Manager behielt seinen Posten und soll in den folgenden 18 Monaten mehr als ein Dutzend Frauen sexuell belästigt haben.
Die Untersuchung durch Holder kam zu dem Schluss, dass Olivers Fehlverhalten schwerwiegend genug für eine fristlose Kündigung war. Das WEF trennte sich daraufhin von ihm – offiziell wurde dies jedoch als freiwilliger Rückzug dargestellt, offenbar auf Druck von Klaus Schwab.
Der Abschlussbericht von Holder wurde bislang nicht veröffentlicht. Dennoch begann das WEF 2024 mit einer von Holder empfohlenen Reorganisation. Laut NZZ wehrte sich Klaus Schwab gegen diese Reformen, aus Sorge vor wachsender Bürokratie und aus Verärgerung über die Entlassung seines Sohnes.
Am 22. April veröffentlichte das Wall Street Journal weitere schwere Vorwürfe gegen Klaus Schwab persönlich. Anonyme Informanten behaupteten, Schwab habe WEF-Gelder für Privatreisen und Massagen verwendet, die WEF-Villa in Genf privat genutzt und Praktikanten damit beauftragt, hohe Bargeldsummen für ihn abzuheben.
Auch die Financial Times berichtete am 23. April, Schwab habe versucht, die Forschungsergebnisse des WEF – etwa den Global Competitiveness Report – politisch zu beeinflussen.
Schwab wies die Vorwürfe in einem Schreiben an verschiedene Schweizer Zeitungen zurück. Das WEF selbst bestätigte die Anschuldigungen in Teilen und kündigte eine neue interne Untersuchung an.
Nach seinem unrühmlichen Abgang fordert WEF-Gründer Klaus Schwab nun Millionen vom Weltwirtschaftsforum. Laut einem internen Schreiben beruft sich Schwab auf eine Vereinbarung von 1999, die ihm eine Sonderprämie von fünf Millionen Franken sowie Gehaltsnachzahlungen in Höhe von mindestens acht Millionen Franken zusichert. Bisher habe er auf die Auszahlung verzichtet – jetzt, mit seinem Ausscheiden, bestehe er allerdings auf das Geld.
Zudem verweist Schwab auf private Investitionen in WEF-nahe Stiftungen, darunter die „Schwab Foundation for Social Entrepreneurship“, die „Young Global Leaders Foundation“ und eine Kunststiftung. Insgesamt sollen Schwab und seine Ehefrau dabei einen zweistelligen Millionenbetrag eingebracht haben.
Dieser übersetzte Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.