Wegen Trump: Trudeau-Nachfolger Carney kann auf historische Aufholjagd hoffen

vor etwa 2 Monaten

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Die Regierung Trudeau ist endgültig Geschichte. Der kanadische Premierminister hatte bereits im Januar seinen Rücktritt angekündigt – mit der Maßgabe, dass er erst dann zurücktritt, wenn ein neuer Vorsitzender der Liberalen Partei gewählt ist. Am Sonntag wurde Mark Carney, der ehemalige Gouverneur der Bank of England, zum Vorsitzenden der Liberalen gewählt, womit für den amtierenden Premier nur noch wenig Zeit im Amt bleibt.

Das hat eine skurrile Situation erschaffen. Als Trudeau Anfang Januar zurücktrat, hieß der US-Präsident noch Joe Biden, die Beliebtheitswerte des kanadischen Premierministers waren im Keller und das kanadische Unterhaus stand kurz davor, ein Misstrauensvotum gegen Trudeau zu stellen – bei den dann drohenden Neuwahlen hätten die Konservativen laut Umfragen einen Erdrutschsieg errungen.

Innerhalb dieser wenigen Monate hat sich die Lage jedoch schlagartig verändert. Der US-Präsident heißt jetzt Trump, nicht mehr Biden. Allein diese Tatsache hat die politische Situation in Kanada vollkommen auf den Kopf gestellt. Vor seiner Amtseinführung kokettierte Trump, Kanada zum 51. Bundesstaat der USA zu machen.

Von dieser wohl nicht ganz ernst gemeinten Aussage abgesehen, drohte der US-Präsident Trump Kanada schon im Wahlkampf mit harschen Maßnahmen. Einige Wochen nach seiner Amtseinführung begann der US-Präsident dann einen Handelskrieg mit Kanada. Erste Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Waren aus Kanada konnten durch Zugeständnisse Trudeaus an Trump noch verhindert werden. Anfang März gingen dann wieder neue Strafzölle in Effekt.

Trumps Drohungen lösten in Kanada einen anti-amerikanischen Hype aus. Bei gemeinsamen Sportveranstaltungen zwischen kanadischen und amerikanischen Teams wurde die amerikanische Nationalhymne ausgebuht, und es kam zu Boykottaufrufen gegen Produkte aus Amerika. Politisch hatte dies vor allem einen Effekt: Die Liberalen unter Trudeau, die Anfang Januar noch in Umfragen teils unter 20 Prozent lagen (während die Konservativen Werte von bis zu 48 Prozent erzielten), erlebten eine historische Wiedergeburt. Mittlerweile liegen sie in Umfragen bei über 30 Prozent. In einer aktuellen Erhebung des Instituts EKOS holen die Liberalen sogar 41 Prozent der Stimmen – fünf Prozentpunkte mehr als die Konservativen.

Mitten in der internationalen Krise tritt ein „Rally-‘round-the-flag-Effekt“ ein: In schweren Zeiten tendieren die Menschen dazu, die amtierende Regierung stärker zu unterstützen. Die Skandale, die katastrophale wirtschaftliche Lage und Trudeaus desaströse Corona-Politik scheinen in dieser Situation bei den Wählern vergessen zu sein. Doch obwohl Trudeau vor seinem Rücktritt geplant hatte, erneut für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, bringt ihm dies persönlich wenig. Schließlich kann er spätestens jetzt nicht mehr einen Rücktritt vom Rücktritt vollziehen.

Den Konservativen scheint der sicher geglaubte Sieg wiederum auf den letzten Metern verloren zu gehen. Sie müssen aus der Opposition heraus zusehen, wie Trudeau, in den Augen vieler, geradezu staatsmännisch, mit Trump verhandelt. Für die Partei unter ihrem Vorsitzenden Pierre Poilievre ist es ebenfalls nicht hilfreich, dass sie traditionell als eher US-freundlich gilt. Poilievre versuchte zwar, sich im Zuge des Handelskrieges deutlich von Trump zu distanzieren, doch diese Botschaft scheint bei den Wählern nicht angekommen zu sein.

Nun stehen bald Neuwahlen an. Der neue Premierminister Carney hat, laut Insiderberichten aus den kanadischen Medien, vor, das Unterhaus innerhalb der nächsten zwei Wochen aufzulösen. Carney hat gute Chancen, den im Januar noch für unabwendbar gehaltenen Wahlsieg der Konservativen zu verhindern. Er wird den „Regierungsbonus“ von Trudeau erben – sollte sich das Verhältnis zu den USA weiter verschlechtern, könnte dies den Liberalen weiteren Zulauf bescheren.

Zudem kommt ihm zugute, dass er als Vorsitzender der Liberalen den unbeliebten Trudeau ersetzt, der für viele Wähler zur absoluten Hassfigur geworden ist. Damit könnte seine Partei für jene wieder attraktiv werden, die die Liberalen aufgrund Trudeaus bisher abgelehnt hatten. Carney steht als Wirtschaftsexperte für einen gewissen Neuanfang innerhalb seiner Partei. Er hatte zuvor nie ein politisches Amt inne und sprach sich im Wahlkampf für dringend notwendige Steuersenkungen aus.

Carney bleibt jedoch, ebenso wie Trudeau, ein Linksliberaler. In seiner Siegesrede nach seiner Wahl zum Vorsitzenden stellte er sich erneut klar gegen Trump. Er plädierte für mehr staatliche Investitionen, insbesondere in die Energiewende, und machte den Kampf gegen den Klimawandel zu einem seiner Hauptanliegen während seiner Kandidatur für den Parteivorsitz. Nun ist er der mächtigste Mann Kanadas und hat entgegen aller Erwartungen plötzlich Chancen den Posten für längere Zeit als nur ein paar Monate zu behalten.

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