
Nach dem Eklat beim ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel wachsen die Zweifel am Vorgehen der Polizei. Das Bundesinnenministerium (BMI) widerspricht nun der Darstellung der Berliner Polizei und stellt klar: Die Demonstration gegen das Interview hätte durch das Ministerium genehmigt werden müssen. Damit ist klar: Die Polizei handelte nach der Einschätzung des Innenministeriums entgegen der Rechtslage. Dazu passt, dass die Polizei Berlin widersprüchliche Informationen über den Einsatz veröffentlichte und nur scheibchenweise die tatsächlichen Vorgänge offenbart. Es steht die Frage im Raum, ob polizeiliches Fehlverhalten vertuscht werden soll – das womöglich auch auf politische Weisung erfolgte.
Der Hintergrund: Am Sonntag hatten sich linke Aktivisten nahe dem Bundestag postiert, um das Interview der ARD mit der AfD-Vorsitzenden zu boykottieren. Unter den Demonstranten waren die Omas gegen Rechts sowie das Zentrum für Politische Schönheit, das mit einem riesigen Bus anrückte, der die ARD-Bühne mittels gigantischer Lautsprecher mit „Scheiß AfD“-Gesängen beschallte.
Der Bus „Adenauer SRP“ beschallte das Interview fortwährend.
Das Gebiet um den Bundestag ist jedoch ein sogenannter „befriedeter Bezirk“. Das heißt: Demonstrationen dürfen hier nur dann stattfinden, wenn eine Ausnahme-Genehmigung des Innenministeriums vorliegt. Dies war bei den Anti-Weidel-Protesten jedoch nicht der Fall.
Die Polizei hätte die Versammlung also sofort auflösen müssen. Tatsächlich aber zeigen Videos, unter anderem die Interview-Aufnahmen der ARD, dass die Polizei die Demonstranten gewähren ließ und untätig an dem Aktivisten-Bus vorbeifuhr. Es verdichten sich die Hinweise, dass die Polizei falsche Informationen verbreitete, um ihr rechtswidriges Vorgehen im Nachhinein zu vertuschen:
Die Polizei hatte am Montag in ihrer Pressemitteilung über die Proteste vom Sonntag geschrieben: „Die Polizei Berlin handelte in dieser Lage unparteiisch, deeskalierend und von der geltenden Rechtslage gedeckt.“ Dies scheint sich jedoch als unzutreffend herauszustellen. Dabei geht es um die Frage, ob die Polizei die unangemeldete Demonstration hätte auflösen müssen. Am Dienstag hatte die Polizei gegenüber Focus zugegeben, die „Spontankundgebung“ vor Ort genehmigt zu haben. Am Mittwoch erklärte sie in einer weiteren Nachricht an Pressevertreter, dass sie die Genehmigung erteilt habe, weil im Bundestag keine Sitzungswoche war. Hierzu sei sie befugt gewesen: „Weiterhin obliegt die Entscheidung zur Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bezirk bei Sofortlagen dem zuständigen Polizeiführer.“
„Spontankundgebung“ der Omas gegen Rechts
Das BMI widerspricht. Auf Nachfrage von NIUS schreibt es über Versammlungen in befriedeten Bezirken: „Zuständig für die Prüfung entsprechender Anträge ist das Bundesministerium des Innern.“ Das heißt: Die Polizei hätte keine Genehmigung erteilen dürfen, sondern die Demonstration auflösen müssen.
Die Polizei hatte am Dienstag im Focus behauptet, die Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit aufgefordert zu haben, die Beschallung mit „Scheiß AfD“-Gesängen zu unterlassen: „Erst vor Ort habe man den Bus-Verantwortlichen gesagt, dass sie ihre Beschallung beenden müssten, was dann auch geschehen sei“, so zitiert das Magazin die Polizei. Die Polizei behauptet also, dass ihren Anweisungen Folge geleistet wurde. Dies ist jedoch ebenfalls unwahr, wie aus der heute veröffentlichten Nachricht der Polizei zu entnehmen ist. Demnach ordnete die Polizei um 15:20 Uhr an, die Lautsprecher abzustellen, die Aktivisten kamen der Aufforderung aber erst um 15:30 Uhr nach.
Die Proteste inmitten des „befriedeten Bezirks“
Die „Scheiß-AfD“-Chöre stoppten im Laufe des Interviews keineswegs, sondern wurden immer lauter. Die Polizei ließ also zu, dass die Aktivisten das Gespräch weiter beschallten. Zehn Minuten lang verweigerten sich die Aktivisten der polizeilichen Anweisung, die Beamten ließen es geschehen – bis das Interview schließlich ohnehin zu Ende war.
Der Nachricht der Polizei an Pressevertreter ist zudem zu entnehmen, dass die Behörde versucht, die Proteste der Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit als Kunstaktion zu framen. So schreibt sie, dass „fortlaufend ein musikalischer Beitrag abgespielt“ worden sei, die politischen Schmähgesänge bezeichnet sie als „Sounddarbietungen“. Womöglich dient diese Strategie dem Ziel, das eigene zaghafte Vorgehen damit zu rechtfertigen, dass man die Kunstfreiheit habe wahren müssen.
Ein Polizist aus Berlin teilt gegenüber NIUS mit, dass die Führungsebenen der Berliner Polizei politisch links stünden. Wer sich dem widersetze, müsse mit „beruflichen Repressalien“ rechnen. So sei auch der Einsatz rund um die Anti-Weidel-Proteste zu deuten.
Tatsächlich ist bei der Berliner Polizei der Einzug von linker Ideologie zu beobachten. Zuletzt hisste die Polizeizentrale die Progress-Pride-Flagge, an jeder Polizeidienststelle weht in diesem Monat eine Regenbogenflagge. NIUS wollte von der Polizei sowie dem Berliner Innensenat wissen, ob beim Einsatz rund um den Bundestag auf politische Weisung hin gehandelt wurde. Die Senatsverwaltung teilt mit: „Bei dem hier in Rede stehenden Sachverhalt handelt es sich um eine Spontankundgebung. Bezüglich des polizeilichen Umgangs mit dieser gab es keine politischen Weisungen.“
Polizeipräsidentin Barbara Slowik ließ eine Anfrage zu den vielen Ungereimtheiten beim Vorgehen der Polizei und der Kommunikation über den Einsatz unbeantwortet.
Lesen Sie auch: Chaos während ARD-Weidel-Interview: „Es liegt der Verdacht nahe, dass die Polizei hier absichtlich nichts gemacht hat“