Weidel vs Wagenknecht: Das Duell der Zertrümmerfrauen!

vor 7 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Grenzen dichtmachen, Schluss mit Waffenlieferungen, Extremisten sitzen in der Bundesregierung: Beim Streitgespräch zwischen BSW-Chefin Sahra Wagenknecht und AfD-Chefin Alice Weidel auf „Welt“-TV bekam niemand etwas geschenkt. Die Bundesregierung am wenigsten, aber auch die beiden Vorsitzenden gewährten einander kein Pardon.

Das Duell der Zertrümmer-Frauen!

Weidel und Wagenknecht repräsentieren die derzeit erfolgreichsten Neustart-Parteien, die extremsten Flügel jener Angriffszange gegen das etablierte Parteiensystem, die heftigste Anti-Establishment-Front, die gemeinsam zwischen 35 und 50 Prozent der Stimmen aufbringen können. Zwei Frauen, die gleichermaßen Härte ausstrahlen und eine seltsam kühle Form der Undurchschaubarkeit.

Selten ist in Deutschland in jüngster Zeit so klar, schnörkellos und hart politisch gestritten worden. In einem Land, in dem Probleme zu „Herausforderungen“ werden und die Verursacher mit schöner Regelmäßigkeit vor dem „Blick zurück“ warnen, in einer Zeit, in der wabernde „Zukunftsfähigkeit“ und planwirtschaftliche „Transformation“ beschworen werden, lieferte dieses Streitgespräch der beiden Oppositionsfrauen eine kaum noch bekannte Starkstrom-Dosis politischer Debatte. Streit, der klärt und erklärt.

Weidel, im dunklen Kostüm, lächelnd mit Perlenkette. Wagenknecht in Hellgrün, unnahbar. Erst nach und nach dringt die Anspannung beider durch die feinen Risse der gehärteten Fassade. Das Gespräch, eine seltsame Mischung aus oppositioneller Allianz und pflichtschuldiger Attacke für das eigene Lager. „Es ist wichtig, miteinander zu sprechen“, steigt Weidel versöhnlich ein. Der gemeinsame Gegner der „Altparteien“ als Brücke zwischen Links-BSW und Rechts-AfD? Doch daraus wird nichts.

Sie, Weidel, habe sie im Wahlkampf als „Steigbügelhalter“ und „nützliche Idiotin“, als „U-Boot“ der anderen Parteien bezeichnet, beschwert sich Wagenknecht, und lässt gar nicht erst Anflüge von Harmonie aufkommen. „Wahlkampf lebt von Überspitzung und klarer Sprache“, gibt Weidel zurück. Wer keinen Frieden will, bekommt auch keinen, sondern die Wiederholung der Attacke. „Mit Ihnen wird kein echter politischer Wandel möglich sein. Sie sind doch Steigbügelhalter ...“

Wer es politisch deftig mag, kommt hier seit langem mal wieder auf seine Kosten. Ganz gleich, ob man die Ansichten teilt, den beiden geht es um etwas, um die Glaubwürdigkeit ihrer Oppositionsrolle. Weidel trifft den wunden Punkt von Wagenknecht, weil in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die ersten Posten winken für das BSW, die ersten Dienstwagen womöglich. Da liegt es nahe, den Verdacht zu streuen, dass es der konkurrierenden Neugründung lediglich um Pfründe gegangen sein könnte.

„Man kann schon sehen, dass sich in der Friedensfrage etwas bewegt“, sagt Wagenknecht, die um das dünne Eis dieses Themas weiß. „Wir werden nur in eine Koalition eintreten, wenn die Wünsche der Wähler auch wirklich berücksichtigt werden.“

Bei geopolitischen Fragen wirkte es beinahe so, als würden die beiden Powerfrauen gegen den Moderator debattieren.

In der Wirtschaftspolitik bringt Weidel nicht nur Energiepreise und Abgabenlast als wichtige Punkte, die dringend angepackt werden müssen, sondern auch die Bildungsmisere. Sie weiß, dass sie Wagenknecht damit ein zentrales Thema klaut. Wagenknecht revanchiert sich und bringt das Stichwort ungeregelte Migration als Wirtschaftsfaktor ein, das man eigentlich als Weidels Leib- und Magenthema erwartet hätte. Erst ganz am Schluss des Gesprächs kommen die eigentlichen Unterschiede zum Vorschein: Während Weidel auf die Kräfte des Marktes setzt, will Wagenknecht die Schuldenbremse für Investitionen lockern und die Sozialpolitik ausbauen.

Beide, Weidel und Wagenknecht, haben ihre Leichen im Keller. Wagenknechts Leiche heißt „kommunistische Plattform“. Ein Schlagwort, auf das sie inzwischen mit routinierter Härte reagiert: „Kommen Sie mir nicht auf die Tour!“ Und um das Thema auch gleich wieder aus dem Blickfeld zu drängen, verknüpft sie es rasch mit dem Reizthema der „Rechten“ Migration: „Wenn man den Sozialstaat möchte, kann nicht jeder in den Sozialstaat einwandern.“ Überhaupt sind alle kompromittierenden Zitate Wagenknechts lange her. In den 90er Jahren habe sie aus Trotz Dinge gesagt, die sie heute abenteuerlich finde. Nichts für ungut. Olle Kamellen. Weiter im Text.

Weidels Leiche ist zu ihrem Leidwesen quicklebendig und heißt Björn Höcke. Vom Thüringer AfD-Chef hat Wagenknecht ganze Passagen aus dessen Buch mitgebracht und haut sie der Frau zu ihrer Rechten ausgiebig um die Ohren: von „wohltemperierten Grausamkeiten“, Hitler-Reden, die er angeblich in seine Texte einbaue oder „Volksteilen“, die man verlieren werde, weil sie zu schwach oder nicht willens seien, sich der Afrikanisierung entgegenzustellen ...

Weidel muss das wie Prügel über sich ergehen lassen und hat auch keine wirklich entkräftenden Erklärungen für Höckes Ausflüge in die braunen Sümpfe. So elegant wie Wagenknecht ihre linksextreme Vergangenheit als eine Art fortdauernder Jugendsünde im höheren Alter abzustreifen versucht, kann sie den Thüringer nicht loswerden. Dafür kommt Wagenknecht ins Schlingern bei der harten Nachfrage, ob sie deshalb eine Kooperation mit der AfD ausschließe. Sie schließe eine Koalition mit Leuten aus, die im Neonazi-Sumpf verankert sind, sagt sie. Ohne Höcke könnte was gehen, soll das wohl heißen.

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wurde zum Gegenstand von Wagenknechts Offensive.

Weitgehend einig sind sich beide Frauen in der Haltung zum Ukraine-Krieg. Sie wollen die Forderung nach mehr Diplomatie, Waffenstillstand, Verhandlungen und Stopp der Waffenlieferungen nicht als „Andienen an Putin“ verstanden wissen, sondern als Verfolgung deutscher Interessen und außenpolitische Weitsicht. Weidel weist darauf hin, dass die Gespräche westlicher Politiker ehedem mit der DDR oder der Sowjetunion auch nicht als „Andienen“ oder „Anbiederung“ diskreditiert worden seien.

Eine interessante Situation entsteht, als Wagenknecht mehr Druck auf Israel fordert, weil der Feldzug gegen Hamas und Hisbollah viele zivile Opfer forderte und aus dem Ruder zu laufen drohe. Weidel scheint beim Zuhören zu merken, dass diese Israel-kritische Note auch gut in ihrer Klientel ankommen könnte. Bisher hatte die AfD sich eher an der Seite Israels positioniert. „Baerbock lädt sich Israel-Hasser zum Dinner ein. Deutschland fehlt die außenpolitische Linie. Ich habe mit Schrecken auf das reagiert, was hier auf deutschen Straßen los ist. Der Konflikt wird auf unseren Straßen ausgetragen. Diese Krawallbrüder wären nicht in unserem Land, wenn die AfD in der Regierung wäre. Israel kämpft um seine Existenz und die deutsche Regierung fördert mit Steuergeld UN-Hilfswerke, die Kinder aufhetzen gegen Juden. Diese Gelder gehören gestrichen“, sagt sie, und schiebt nach, dass an einer Zwei-Staaten-Lösung gearbeitet werden müsse.

Hier versucht Wagenknecht klar und offen antiisraelische Punkte einzusammeln. Was Israel tue, habe mit Selbstverteidigung nichts mehr zu tun. Weidel bleibt defensiv. Schließlich will auch Weidel, dass keine deutschen Waffen mehr an Israel geliefert werden. Ein seltsam verdruckster Rückzug.

Am Ende versuchen sie noch einmal einen Anflug von Versöhnlichkeit: „Sie vertritt konservative Positionen, Marktorientierung“, sagt Wagenknecht über Weidel. „Sie ist das charmante Gesicht an der Spitze“, doch dahinter dominiere Höcke die Partei. Der traditionelle „Antifaschismus“ des eigenen Milieus ist gewahrt, gemeinsame Machtoptionen nicht ausgeschlossen, soll das wohl heißen.

Klarer Konsens bei der Ukrainefrage

Weidel will Wagenknecht nicht auf einer Skala von eins bis zehn benoten, wie Moderator Jan Philipp Burgard es sich gewünscht hatte. „Ich habe mit Linksrechts-Skalen Probleme“, sagt sie, finde aber gut an Wagenknecht, „dass sie die Sachen differenziert sieht.“ Wagenknecht habe ein „ausgewogenes Profil. Aber es bleiben Unschärfen.“

Und wer ist nun der Sieger im Duell der Zertrümmerfrauen? Gern möchte man sich in ein ausgewogenes Unentschieden flüchten, und doch zögert Weidel an einigen Stellen erkennbar lange, wirkt mitunter eine Spur unsicherer, während Wagenknecht unsichere Momente augenblicklich in Aggression und Angriff ummünzt. Wagenknecht ist präzise vorbereitet, hat erkennbar einen strategischen Plan, will Weidel mit Höcke waidwund schießen und doch keine platte Abgrenzung vorführen. Der Verzicht auf pflichtgemäße Rituale in diesem Gespräch macht es zu einem rhetorischen Lehrstück. Präzision und kühl kalkulierte Zielansprache machen Wagenknecht politisch gefährlicher und zur knappen Punktsiegerin des Abends vom politischen Handwerk her.

Wie überzeugend, sympathisch oder abstoßend man die Inhalte der beiden Frontfrauen findet, bleibt persönliche Geschmackssache.

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