Quo vadis, Hessische Staatsweingüter?

vor etwa 4 Stunden

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

Die Abberufung von Dieter Greiner bei den Hessischen Staatsweingütern markiert einen tiefen Einschnitt. Nun stellt sich die Frage, wie es mit dem einstigen Vorzeigebetrieb weitergehen soll. Das viel beschworene weinbauliche Erbe der Zisterzienser soll „neu ausgerichtet werden“, so die Erklärung von Hessens Weinbauminister und Aufsichtsratsvorsitzender der Staatsweingüter GmbH Ingmar Jung, der selbst aus einem renommierten Erbacher Weingut stammt. Quo vadis, Staatsweingüter?

Greiner habe in einem satten Vierteljahrhundert als Geschäftsführer „wichtige Grundlagen geschaffen, auf denen die Neuausrichtung aufbaut“, heißt es aus dem Ministerium. Mit seinem „professionellen, hochmotivierten Team und modernsten Produktionsbedingungen, wie dem Bau des Steinbergkellers und der Maschinenhalle“ habe er die Voraussetzungen geschaffen, anerkannt hochwertigste Weine zu erzeugen.

Das lässt sich unter die üblichen, standardisierten Lobhudeleien und nichtsagenden Floskeln zum schnellen Abschied verbuchen, die man von Politikern gewohnt ist, und die das Publikum wohl kaum mehr ernst nimmt. Entlassung trotz des großen Erfolges und weitsichtiger Geschäftspolitik? Ingmar Jung müsste als Rheingauer Winzersohn eigentlich wissen, dass die Hessischen Staatsweingüter in den vergangenen Jahren zunehmend an Renommee verloren haben, die Weine selbst aus Spitzen-Lagen nicht über das Mittelmaß hinauskamen, und das mit rund 240 Hektar Rebfläche größte deutsche Weingut weit unter Wert durch die Weinszene stolperte.

Aktuell spielt das Weingut in der Spitzengruppe des Rheingaus, geschweige denn im nationalen Ranking kaum mehr eine Rolle. Man stutze dem einst stolzen Adler im wahrsten Sinne des Wortes die Flügel, als Dieter Greiner mit Billigung der Hessischen Ministerialbürokratie das international bekannte Adler-Etikett abschaffte. Ein symbolträchtiger Akt für den unaufhaltsamen Sinkflug des einstigen Vorzeigebetriebes. Allenfalls mit den Gewächsen aus der Schatzkammer konnte man in den letzten Jahren noch für Aufmerksamkeit sorgen und ließ ungeniert die raren Korken knallen. Doch die Plünderung der Schatzkammer ist kein Zukunftsmodell.

Aber wie soll es weitergehen? Zumindest scheint das Pfeifen im Wald erst einmal der Vergangenheit anzugehören. Jetzt heißt es „Tomaten runter von den Augen“, Grinsen einstellen und sich konsequent und offen der Realität stellen. Keine leichte Aufgabe für Führungskräfte von staatlichen, landeseigenen und kommunalen Unternehmen, die sich synchron zu ihren politischen Vorgesetzten in ihrer behördlich gedeckten Selbstherrlichkeit für unantastbar halten und immer öfter vergessen, wer am Ende die Zeche zahlt. Auch die in einer GmbH kaschierte wirtschaftliche Erfolglosigkeit. Die öffentliche Hand als Unternehmer in der freien Wirtschaft ist eine unsägliche Liaison, durch die sich der Misserfolg wie ein roter Faden zieht.

Die Gründe dafür sind nicht nur in der allgegenwärtigen Bürokratie zu suchen, mit der sich all jene herumschlagen müssen, die in Deutschland produktiv tätig sind. Wichtiger dürfte die Auswahl des Führungspersonals sein, das oft genug, ganz im Stile vieler Politiker-Karrieren, ohne fachliche Expertise oder tiefergehende Kenntnisse der ihnen anvertrauten Materie, dafür mit Vitamin B und passendem Parteibuch ans Ruder kommt. Oder für treue Dienste aus Behörden „weggelobt“ wird.

Schamloses Posten-Geschacher mit stattlicher staatlicher Vollversorgung statt Qualität und pekuniärer Verantwortung gegenüber dem Souverän, der längst die Kontrolle verloren hat. Auch Wahlen ändern daran wenig, wie der gemeine Bundesbürger immer beispielhafter vorgeführt bekommt. Der Staat als fette Beute der Politik, wer das Kreuz in der Hand hat, segnet sich zuerst. Und er möchte es um jeden Preis behalten.

Dabei wäre jetzt die Situation gekommen, über eine Auflösung, eine echte Privatisierung, oder zumindest eine deutliche Verschlankung der Hessischen Staatsweingüter nachzudenken, und für das behäbige Konstrukt betriebswirtschaftliche und weinbauliche Zukunftsszenarien erarbeiten. Wer in die vinologische „Champions League“ aufsteigen möchte und sein „Profil als Premiumanbieter schärfen will“, wie sich das Weinbau-Minister Jung wünscht, braucht erstklassige und international erfahrene Unternehmensberater und entsprechende weinbauliche Spitzenkräfte.

Um den Laden nachhaltig in Schwung zu bringen, käme ein En-bloc-Verkauf an einen Investor ebenso in Frage wie eine Zerschlagung in Form des Verkaufs einzelner Flächen an private Winzer. Das Argument, dass sich dann ein paar wenige die „Rosinen“ herauspicken würden und die restlichen Flächen doch wieder dem Staat verblieben, ist nicht wirklich überzeugend. Muss es ein Tabu sein, wenn im Rheingau oder anderswo auch einmal Rebflächen aufgegeben würden, die vielleicht zu tief in Talnähe liegen und infolge der Klimaerwärmung ohnehin an Wert verlieren? Und wäre es so schrecklich, wenn einzelne Parzellen im großen Rebenmeer für längere Zeit brach lägen? Ein Gewinn für den Naturschutz wäre es sicherlich.

Vielleicht sollte man endlich einmal Nägel mit Köpfen machen und ein Beispiel geben auch für andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern oder Sachsen mit ihren schwerfälligen Staatsdomänen. Es gibt ohnehin schon viel zu viel Staat in diesem Staat.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel