Welcher Sozialismus ist denn der Richtige, Frau Reichinnek?

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

In Fragen des Marketings ist Heidi Reichinnek einsame Spitze, sie würde auch einen Gulag noch wie ein Pionierferienlager aussehen lassen. Intellektuell oder inhaltlich ist sie eher „Migräne“ als Dauerzustand. Sie überzeugt nicht, aber sie ist dreist in der Verteidigung des ersten Signalsystems. In ihrem Stern-Interview gab sie Kostproben ihres Matcha-Latte-Kommunismus und trällerte dabei munter „Wacht auf, Tätowierte dieser Erde“ als Rap vor sich hin. Klassenkampf macht einfach Spaß, vor allem, wenn hohle Sprüche genügen, weil man ohnehin nicht die Handwerker, die Arbeiter, die Angestellten erreichen will und kann, sondern das NGO-Proletariat und das Uni-Prekariat in den Innenstädten, nicht so sehr in den Studiengängen der Naturwissenschaften oder der Medizin, sondern mehr so die, die so irgendetwas mit Kommunikation oder Kultur- und Sozialwissenschaften oder Gender machen.

Früher, als die Linken noch über marxistisches Wissen verfügten, hätte die Genossin Heidi Reichinnek aus Mitleid ein Bier spendiert bekommen, wenn sie allen Ernstes meint: „Wir wollen das Wirtschaftssystem ändern, nicht das politische System umstürzen.“ Na gut, sie bemüht sich halt, hätten die marxistisch auch nur halbwegs gebildeten Genossen mit ein wenig Resignation in der Stimme gestöhnt. Gut marxistisch könnte man die Genossin natürlich fragen, ob sie schon einmal etwas von der Dialektik von Basis und Überbau in der Gesellschaft gehört hat, ob ihr der Begriff Produktionsweise auch nur irgendetwas sagt, die, wie man weiß, auf den Produktivkräften und Produktionsverhältnissen einer Gesellschaft beruhen, zu den übrigens auch die Eigentums- und Machtverhältnisse zählen.

Wichtiges Element der Wirtschaft, der Produktionsverhältnisse, sind die Eigentumsverhältnisse. Reichinnek behauptet in ihrem Tiktok-Populismus der Ahnungslosigkeit, dass der Kapitalismus nicht vom Grundgesetz geschützt sei, aber laut Artikel 14 ist das Eigentum geschützt, und bestimmte Eigentumsverhältnisse bedingen bestimmte Produktionsverhältnisse und mithin bestimmte Produktionsweisen. Wenn man als Kommunist oder als „Linker“ vom Kapital spricht, sollte man zuvor „Das Kapital“ von Karl Marx gelesen haben. Lassen wir die Phrase vom „demokratischen Sozialismus“ mal beiseite, der eine contradictio in adjecto darstellt. Demokratisch wäre, die Wähler zu überzeugen im Wettstreit der Ideen, nicht, den politischen Gegner, den Rechten, den Klassenfeind des passiven Wahlrechts zu berauben, weil man im Wettbewerb nicht gewinnt. Sozialismus geht nicht demokratisch, sondern letztlich nur über Diktatur.

Ein wenig Wissen über die Geschichte der DDR oder des sozialistischen Systems würde sie vor Sätzen schützen wie diesen: „Na ja, das in der DDR war kein Sozialismus. Also nicht so, wie ihn sich meine Partei vorstellt.“ Was war er dann? Und der Stern fragt nicht nach. Die Westlinke lebte und lebt ausgezeichnet von der Behauptung, dass die im Osten einfach zu doof waren, den richtigen, den demokratischen Sozialismus aufzubauen. Wie in Venezuela oder in Kuba, vielleicht? Da sind sie auch zu blöd. Auch alles Ossis, auch alle zu blöd für den richtigen Sozialismus. Alle blöd, außer Heidi, aus Jan, außer Iris.

Deren, und auch der Sozialismus, wie ihn sich ihre „Partei vorstellt“, ist gescheitert. Den Grund dafür findet sie paradoxerweise im „Kapital“ von Karl Marx, eigentlich schon in den Politisch-Ökonomischen Manuskripten: Weil Ideologie nicht den Wettbewerb ersetzen kann, der auf Eigeninitiative beruht – und die wiederum auf dem Konzept der Freiheit des Individuums, in diesem Fall als Unternehmer. Es hat nicht nur den banalen Grund der Lebenszeit, die einem zugemessen ist, dass Karl Marx mit seiner Analyse des Kapitalismus nicht fertig wurde, weil der Kapitalismus in dem Momente, in dem Marx über ihn schrieb, sich bereits veränderte, und Marx keine politische Ökonomie des Sozialismus verfasste – die fehlt eigentlich bis heute, weil wir es hier mit einem Oxymoron zu tun haben – ganz gleich, wie der Sozialismus ist, den sich ihre Partei vorstellt. Wahrscheinlich läuft der demokratische Sozialismus, wie ihn sich Heidi Reichinnek und ihre Partei vorstellt, darauf hinaus, dass umverteilt wird, bis nichts mehr zum Umverteilen da ist. Sozialismus als Hütchenspiel.

Die letzte Linke, die übrigens etwas von Ökonomie verstand und vom Marxismus – bei aller Kritik – ist dann doch Sahra Wagenknecht.

Konkret kann uns Reichinnek nichts über die DDR, nicht über den Sozialismus mitteilen – und dass sie politische Verhältnisse von wirtschaftlichen Verhältnissen trennt, erzählt nur, dass ihre Partei keine Partei, sondern nur noch eine einzige Party ist. Und ein bisschen antisemitisch ist sie auch, sagt Reichinnek: „Es gibt Antisemitismus in dieser Gesellschaft, und damit gibt es ihn auch in der Linken.“

Vielleicht wollte sie auch sagen – zumeist bei den Linken.

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