Weltbank finanziert wieder Kernenergie

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Erstmals seit 60 Jahren will die Weltbank in Washington wieder den Bau von kerntechnischen Anlagen finanzieren. Eine entsprechende Vereinbarung trafen der Präsident der Weltbankgruppe, Ajay Banga, und der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Mariano Grossi. Der Verwaltungsrat der Weltbank akzeptiert die Kernenergie jetzt „als Teil eines umfassenderen Ansatzes zur Elektrifizierung in einer Weise, die eine verantwortungsvolle Emissionskontrolle gewährleistet“. Ziel sei es, Ländern dabei zu helfen, die Energie zu erzeugen, die ihre Bevölkerung benötigt, und ihnen gleichzeitig die Flexibilität zu geben, den Weg zu wählen, der ihren Entwicklungszielen, ihrem nationalen Kontext und ihren national festgelegten Beiträgen am besten entspreche.

„Als die Weltbankgruppe 1965 zuletzt ein Atomkraftprojekt finanzierte, lag der Pro-Kopf-Verbrauch in Ländern mit hohem Einkommen bei 38 Megawattstunden Strom pro Jahr“, so Banga. „Heute sind es durchschnittlich mehr als 50 Megawattstunden. In Afrika hingegen sind es nur vier Megawattstunden.“ Der Strombedarf in den Entwicklungsländern werde sich bis 2035 voraussichtlich mehr als verdoppeln, schätzen die Entwicklungshelfer. Um diesen Bedarf zu decken, müssten die jährlichen Investitionen in die Stromerzeugung, die Netze und die Speicherung von derzeit 280 Milliarden auf rund 630 Milliarden US-Dollar steigen. „Unser Ziel besteht darin, den Ländern dabei zu helfen, ihren Bürgern die benötigte Energie zur Verfügung zu stellen und ihnen gleichzeitig die Flexibilität zu geben, den Weg zu wählen, der ihren Ambitionen, ihren Entwicklungszielen, ihrem nationalen Kontext, aber auch ihren national festgelegten Beiträgen am besten entspricht“, so Banga.

Unter anderem sind mehrere afrikanische Staaten am Bau von Kernkraftwerken interessiert. Bisher gibt es auf dem „schwarzen“ Kontinent mit Koeberg nahe Kapstadt lediglich zwei Blöcke.

Kernenergie sei nicht für jedes Land geeignet, aber dort, wo sie gewählt wird, wo sie eine zuverlässige saubere Energiequelle darstellt, die die Energiesicherheit stärkt, das Wirtschaftswachstum unterstützt und zur Erreichung langfristiger Entwicklungsziele beiträgt, will die Weltbank künftig Projekte finanzieren. Dazu gehören auch Investitionen, die nötig sind, um Laufzeiten von Kernkraftwerken zu verlängern, und die Förderung von kleinen Kernkraftwerken (Small Modular Reactor, SMR). Diese lassen sich besser als Großanlagen in Stromnetze integrieren, die wegen der Zunahme von Wind- und Solarenergie immer dezentraler ausgerichtet werden.

„Die Weltbankgruppe kann das nicht alleine schaffen“, so Banga. „Deshalb ist die Partnerschaft mit der IAEO für uns von entscheidender Bedeutung. Sie ist ein sehr konkreter erster Schritt auf unserem Weg zurück zur Kernenergie.“

Schwellenländer sehen in der Kernkraft vor allem eine stabile Grundlastquelle für ihre wachsenden Städte und Industrien. Die Aufhebung des Finanzierungsverbots wird dort als strategische Chance verstanden. Die Weltbank hat sich das Ziel gesetzt, in den nächsten zehn Jahren mehr als 300 Millionen Menschen stabil mit Strom zu versorgen. Das sieht sie als Notwendigkeit im Kampf gegen die Armut an, die ein wichtiger Grund für Migration ist.

Das Online-Magazin „Welt-Sichten“, gegründet von protestantischen und katholischen Entwicklungswerken aus Deutschland und der Schweiz, gehören zu den Kritikern der neuen Finanzierungspolitik der Weltbank. Dessen Chefredakteur Bernd Ludermann mutmaßt, dass für die Kehrtwende der Weltbank nicht der Bedarf armer Länder, sondern politischer Druck der Nuklearindustrie und vor allem aus Washington verantwortlich ist. Tatsächlich hat der Finanzminister der USA, Scott Bessent, die Weltbank im April ermutigt, Kernenergie wieder zu fördern. „Das tut sie und lässt sich damit für Exportinteressen und die Geopolitik der USA einspannen“, klagt Ludermann.

Die Europäische Union hatte bereits 2024 gegen den Widerstand der damaligen Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP die Förderung von Nuklearprojekten zugelassen, weil sie „nachhaltig“ seien. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zeigt sich dagegen jetzt offen dafür, „neue Technologien“ mittels EU-Geldern zu fördern. Damit meint sie SMR.

Aus Sicht von Umweltminister Carsten Schneider (SPD) sprach die CDU-Politikerin mit ihren Aussagen zur möglichen Förderung von Technologien zur Nutzung von Atomenergie nur für sich, keinesfalls für die gemeinsame Koalition. „Eine Positionierung der Bundesregierung gibt es nicht und wird es mit der SPD auch künftig nicht geben“, beteuert er.

Wolfgang Kempkens studierte an der Techni­schen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aache­ner Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwer­punkte sind Energie und Umwelt.

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