Weniger statt mehr Angebote: Pflege wird „zum Spielball“ politischer Netzwerke

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Ausgebildete oder studierte Pfleger können künftig manche Eingriffe vornehmen, die bisher einem Arzt vorbehalten sind. So kündigt es Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) an. Das hört sich erfreulich nach dem Abbau von Bürokratie und mehr Pragmatismus an. Doch es gibt einen Pferdefuß: Die Selbstverwaltungen der Pflegekassen und der Berufsverbände müssen noch aushandeln, welche Eingriffe den Pflegern erlaubt werden sollen – und welche halt nicht.

Warkens Ministerium beschreibt es so: “Zur weitergehenden fachlichen Klärung wird wissenschaftlich eine Aufgabenbeschreibung für berufliche Pflege, auf Grundlage ihrer Kompetenzen, erarbeitet.” Einfach ausgedrückt bedeutet das: Pfleger sollen ärztliche Eingriffe durchführen dürfen – aber sie und ihre Arbeitgeber müssen genau dokumentieren, wer wann welchen Eingriff vollziehen darf. So wird aus dem, was als Vereinfachung gestartet war, schnell wieder ein Bürokratiemonster.

Als bürokratische Entlastung verkauft Warkens Ministerium ebenfalls “mehr verbindliche Mitwirkungsmöglichkeiten” für Städte und Gemeinden “bei der Zulassung von Pflegeeinrichtungen”. In der Realität bedeutet das: Bisher mussten Anbieter viele bürokratische Hürden nehmen, um ein Pflegeheim zu eröffnen. Haben sie das getan, hatten sie aber ein Recht darauf, das Heim zu eröffnen. Künftig müssen sie weiterhin viele bürokratische Hürden nehmen, aber danach kann ihnen die Kommune die Eröffnung trotzdem verweigern:

Sei es, weil sie selbst ein öffentliches Heim betreibt. Oder es gibt ein privates Heim, dessen Betreiber – rein zufällig – das gleiche Parteibuch besitzt wie der Bürgermeister oder die Mehrheit im Stadtrat. Oder die Gemeinde verhindert den Bau von ausreichend Heimen. Das treibt zwar die Bedürftigen und ihre Angehörigen in die Verzweiflung – entlastet aber die Kasse der Gemeinde, weil sie entsprechende Zuschüsse für die Unterbringung nicht finanzieren muss.

Wie die Verbände Warkens Gesetze bewerten, hängt auch davon ab, wie stark die Bundesregierung sie mit Geld versieht. Die Mitglieder der Deutschen Krankenhausgesellschaft erhalten vier der 850 Milliarden Euro staatlicher Schulden, die CDU, CSU und SPD aufnehmen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft lobt die “Entbürokratisierung in der Pflege”: Es sei “dringend notwendig, die Kompetenzen der Fachkräfte optimal zu nutzen und stärker in die Versorgung einzubinden”. Nur so könne auch künftig eine qualitativ hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung gewährleistet werden. Zwar hat die Bundesregierung in diesem Punkt bisher nur eine Absichtserklärung abgegeben – aber vier Milliarden Euro stimmen gnädig.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) freuen sich über die “Rechtssicherheit bei der Gestaltung des vertragsärztlichen Notdienstes”. Die Ärzte loben den Dialog, den es dazu im Vorfeld gegeben habe. Die “ausreichende Finanzierung der von den KVen aufgelegten Strukturfonds” finden die Ärzte aber auch nicht schlecht.

Kein Geld des Staates gibt es für die privaten Pflegebetreiber. Sie reagieren entsprechend kritischer auf Warkens Vorschläge. Sie lehnen die “faulen Kompromisse” ab und wünschen sich praxiserprobte Lösungen”. Dazu gehöre, dass die Ausbildung als Voraussetzung für Pfleger genüge, um gewisse ärztliche Eingriffe durchführen zu müssen – statt sie im Einzelfall aushandeln und dokumentieren zu müssen.

Der Verband kritisiert aber vor allem die “kommunale Pflegeplanung”. Schon mit dem Antragsverfahren entstünden den Betreibern Kosten im sechsstelligen Euro-Bereich. “Wenn die Kommune dann ablehnt, laufen Investitionen künftig ins Leere.” So reduziere die schwarz-rote Regierung mit ihrem Gesetz das Angebot an Pflegeplätzen – statt es auszubauen. “Die Pflegeversorgung droht, zum Spielball kommunalpolitischer Netzwerke zu werden. Träger mit direktem Draht zur Politik und der passenden ideologischen Ausrichtung könnten Wettbewerber ausbremsen – zulasten von Angebotsvielfalt, Qualität und Innovation”, schreibt der Dachverband der Pflege-Anbieter.

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