Wenn das Café den Laptop verbietet

vor etwa 7 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Seit fast 15 Jahren ist Farsin Khamseh Gastwirt. Zusammen mit seiner Ehefrau betreibt er in Düsseldorf das „Nikan“, ein Café mit eigener Rösterei. Mehr als 60 verschiedene Kaffeesorten bietet er an.

Laptops sind bei ihm verboten.

Das war nicht immer so, erzählt er der Zeitung „Rheinische Post“ (RP). Am Anfang hat er den Gästen sein Café gerne sozusagen als Ersatz-Home-Office zur Verfügung gestellt. Doch schnell wurden dann, wie selbstverständlich, Verlängerungskabel durch den halben Laden gelegt. Gäste setzten sich mit ihren tragbaren Computern ungefragt auf die Kaffeesäcke – was bei Lebensmitteln strikt verboten ist und den Wirt in Teufels Küche bringen kann.

Und: Wer mit seinen elektronischen Geräten zum Arbeiten ins „Nikan“ kam, blieb lange und bestellte wenig. Oder manchmal auch überhaupt nichts. Für einen so kleinen Betrieb sind ewig blockierte Tische mit minimalem Umsatz eine ökonomische Katastrophe.

Die Laptop-Kundschaft hatte zudem die durchaus nervtötende Neigung, unaufhörlich mit dem Smartphone zu telefonieren – gerne auch laut. Soll heißen: deutlich zu laut. Es entstand eine „komische Kultur“, sagt Farsin Khamseh. Insgesamt glich sein eigentlich sehr gemütliches und liebevoll eingerichtetes Café irgendwann mehr einem Großraumbüro als einem Ort der Kontemplation.

Der Wirt zog die Konsequenzen: Jetzt ist sein Café homeoffice-frei.

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Das, was wir heute unter „Kaffeehauskultur“ verstehen, und dessen Ursprung viele in Wien vermuten, stammt tatsächlich aus Afrika. Dort wurde die stimulierende Wirkung der Kaffeebohne entdeckt. Im 14. Jahrhundert entwickelten die Araber die Bearbeitung der Bohnen durch Rösten und Zerkleinern.

Im Jahr 1554 kamen zwei Händler aus Aleppo (im heutigen Syrien) nach Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) und eröffneten jeweils ein Kaffeehaus. Die wurden schnell sehr populär und nachgeahmt. Damals galt das Kaffeehaus als „Weisheitsschule“, weil sich dort die Gelehrten trafen. Angeregt durch den Genuss von meist viel zu viel Kaffee, stritten sie lebhaft über Politik und Philosophie. Nicht selten wurden die Dispute so temperamentvoll, dass die Behörden ein Kaffeehaus wegen „aufwieglerischer Aktivitäten“ zeitweise zusperrten.

Über Wien, Budapest und Prag, Venedig und Paris trat das Kaffeehaus seinen Siegeszug durch ganz Europa an.

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Der Tradition des Kaffeehauses ist man sich auch im „Stoak“ durchaus bewusst. Der Coffeeshop in Düsseldorf legt Wert auf sorgfältig Heißgebrautes.

„Wer am Laptop arbeitet, bestellt leider oft nur ein Getränk, bleibt aber stundenlang sitzen“, sagt einer der Betreiber. Unter der Woche ist das meist kein Problem, weil niemand auf einen Tisch warten muss. Aber am Wochenende ist der Andrang so groß, dass die Computer-Arbeiter zu einem großen Verlustgeschäft werden.

Deshalb sind Laptops hier nur unter der Woche erlaubt, am Wochenende und an Feiertagen nicht.

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„Ich bin nun zwei Abende nicht im Café gewesen, ich fühle mich etwas unwohl im Herzen. Dr. Döblin kam mit seiner lieblichen Braut, um eine Diagnose zu stellen. Er meinte, ich leide an der Schilddrüse, aber in Wahrheit hatte ich Sehnsucht nach dem Café.“

Das schrieb Else Lasker-Schüler 1912 in ihrem Briefroman „Mein Herz“. Sie drückte aus, was viele Künstler und Intellektuelle empfanden. Die Liste der berühmten Kaffeehaus-Gäste ist endlos:

In Wiener Cafés trafen sich regelmäßig Sigmund Freud, Peter Altenberg und Leo Trotzki sowie Theodor Herzl und Egon Friedell. In Paris verbrachten Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir ebenso einen großen Teil ihrer Lebenszeit in Cafés wie Ernest Hemingway und Pablo Picasso. Sie alle gingen ins Kaffeehaus, um zu reden, um sich zu sammeln, um zu beobachten, um sich inspirieren zu lassen, um in angenehmer und entspannter Umgebung in Ruhe zu denken.

Keiner von ihnen ging ins Kaffeehaus, um hektischen Freiberuflern in prekären Arbeitsverhältnissen beim Programmieren der fünften Dating-App zuzusehen – oder um heimatlosen Wichtigtuern beim schamlos lauten Telefonieren zuzuhören.

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Auch die Kaffeebar „Roasted“ in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ist am Wochenende eine Laptop-freie Zone. „Manche Gäste wurden einfach immer fordernder“, sagt Wirt Marco Tausch etwas betrübt. „Wenn ich gesagt habe, dass wir kein W-LAN und keine Steckdosen haben, war die netteste Reaktion noch ein geschockter Blick.“

Auch Tausch kann sich die „Laptopper“ betriebswirtschaftlich nicht mehr leisten. Die meisten bestellen über mehrere Stunden nur ein Getränk und blockieren derweil den Platz. Das „Roasted“ hat aber nur neun Tische und ist auf die Rotation der Gäste angewiesen.

Jetzt sind Laptops unter der Woche nur an vier Sitzplätzen im Schaufenster erlaubt. Eigentlich wollte er gar keine Regeln machen, sagt Tausch der RP. „Aber es reguliert sich einfach nicht von selbst.“

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Wenn Sie, lieber Leser, das nächste Mal in ein Kaffeehaus gehen: Lassen Sie den Laptop einfach mal zuhause – selbst wenn die Gaststätte das gar nicht verlangt. Man kann den Kaffee und ein Gebäck viel besser bei einem guten Buch genießen. Und denken Sie an die Worte von Marco Tausch, dem Wirt des „Roasted“ in Düsseldorf:

„Dabei entsteht komischerweise eine ganz andere Sorte Stille.“

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