
„Nuditas Criminalis“ – kriminelle Nacktheit. So blickte das europäische Mittelalter weitgehend auf die Bildhauer-Kunst der antiken Welt. Römer und Griechen zelebrierten die Schönheit des Menschen, im „finsteren Mittelalter“ fiel sie den kirchlichen Dogmen zum Opfer.
Über hunderte von Jahren haben wir so etwas langsam, aber sicher hinter uns gelassen. Von der Renaissance bis zur Zeit der Neoklassik belebte Europa nicht nur Kunst und Baustile der Antike wieder, sondern begrub auch Schritt für Schritt die religiös-prüde Engstirnigkeit des Mittelalters. Dachte man zumindest. Doch diese Engstirnigkeit feiert ein Comeback, wenn auch unter anderen Vorzeichen.
Wo früher der Priester stand, steht heute die Gleichstellungsbeauftragte – aber der Furor einer rückschrittlichen Prüderie bleibt im Kern derselbe. Dass der moderne regressive Feminismus und all das, was gerne unter einem Begriff wie „Woke-Wahn“ zusammengefasst wird, inzwischen wirkt wie ein fundamental-religiöses, mittelalterliches Dogma, zeigt der Fall der „Venus de Medici“ – einer antiken Statue, die zum Politikum geworden ist.
Eine Bronze-Nachbildung dieser römischen Statue ist jetzt aus einem Bundesamt entfernt worden – weil sich eine Gleichstellungsbeauftragte an der Abbildung der nackten, römischen Liebesgöttin störte. Angeblich habe es Beschwerden gegeben. Die Statue könnte mit dem Bundesgleichstellungsgesetz nicht vereinbar sein, hieß es laut einem Bericht von Bild (lesen Sie hier mehr).
An dieser Statue ist natürlich nichts Sexistisches: Die Venus de Medici ist ungefähr so frauenfeindlich, wie Michelangelos David männerfeindlich ist. Letzteres würde nie jemand diskutieren -aber die Venus wird zum Politikum. Zum Skandal.
Dahinter steht eine Ideologie, die wie im Mittelalter Prüderie und Moralismus über alles stellt. Die in ihrer unlogischen Dogmatik fast eine Religion sein könnte. Sie nennt sich „progressiv“, ist aber alles andere als fortschrittlich. Sie ist tatsächlich so rückschrittlich, dass man selbst dem historischen Mittelalter mit so einer Gleichsetzung strenggenommen unrecht tut.
Wenn eine „Gleichstellungsbeauftragte“ plötzlich so handelt, wie es auch ein saudi-arabischer Sittenwächter tun würde, nennt man das einen „full circle moment“ – wir sind als Gesellschaft in die Rückschrittlichkeit fortgeschritten. Doch genau das ist Kern von Woke-Wahn und regressivem Fundi-Feminismus: Eine gestrige Prüderie, die auch ins Taliban-Afghanistan passen könnte. Die jedenfalls hätten die Venus-Statue genauso aus einem ihrer Ämter entsorgt, wie es eine Gleichstellungsbeauftragte des Bundes veranlasst hat.
Die Mechanismen dahinter sind die gleichen wie etwa im fundamentalen Islam – die sofortige Assoziierung von Nacktheit, insbesondere weiblicher Nacktheit, mit Sexualität und Sündhaftigkeit. Diese Logik endet im Hijab, im Niqab und in der Burka. Der moderne Feminismus ist ja schon längst so weit, aus dem der Frau aufgezwungenen Kopftuch absurderweise ein Symbol des „Empowerments“ zu machen.
Die Dogmatik ist dieselbe: Hier reichen moderner Feminismus und Islamismus sich die Hand. In der totalen Sexualisierung des weiblichen Körpers seltsamerweise auch. Mit dem, was wir als westliche Werte begreifen, hat er nichts mehr zu tun. Dieser postmoderne Nihilismus endet nicht in Befreiung und Gleichberechtigung, sondern im bilderstürmerischen Tugendterror dunkler Vergangenheit.
Diejenigen, die Statuen stürzen und Kunstwerke verbannen, waren in der Geschichte nie die Fackelträger von Freiheit und Fortschritt, sondern deren Totengräber. Von den Auswüchsen der Reformation über den Kunstbegriff der Nationalsozialisten und Kommunisten bis zum Islamismus waren und sind jene, die mit Tugend und Dogma im Rücken Kunst zensierten, entfernten und ächteten, immer die Feinde der Freiheit und Verhinderer, gar Zurückdreher des Fortschritts.
Die konkret verantwortliche Gleichstellungsbeauftragte wollte mit ihrem Aufstand gegen die Venus-Statue wohl nur einen Arbeitsnachweis erbringen – sie ist immerhin eine von dutzenden Gleichstellungsbeauftragten, die ja den ganzen Tag auch irgendetwas tun müssen. Anstatt aber Tugendterror zu institutionalisieren, könnte man diese Beamten ja auch mal wieder sinnvoller Arbeit zuführen. Es wäre bitter nötig, wenn man diese Auswüchse sieht.