
Der Berliner Tugay Saraç war einst Islamist und schon immer homosexuell. Diese Orientierung wollte er viele Jahre in seinem Leben unterdrücken – im Zuge dessen begann er sich zu radikalisieren und rutschte in die salafistische Szene ab. Jahre später wandte er sich von diesem Weg ab. Nun tourt er durch Schulen und versucht, über das Leben eines schwulen Moslems aufzuklären – dabei begegnet ihm immer wieder Homophobie von muslimischen Jungen.
In einem Interview mit dem Tagesspiegel schildert Saraç seine Erlebnisse. Gerade bei den muslimischen Jugendlichen, insbesondere bei den Jungen, gebe es „große Probleme mit Queerfeindlichkeit“, schildert er. Zu der einfachen Ablehnung von Homosexualität kämen „oftmals jedoch Gewaltfantasien“ hinzu.
Es würden Sätze wie „Wenn mein Kind schwul wäre, würde ich es umbringen“ oder „Wenn mein Bruder schwul wäre, würde ich ihn zusammenschlagen und den Kontakt abbrechen“ fallen. Saraç erklärt weiter, dass es „dabei fast immer um schwule Männer“ gehe – diese seien für die muslimischen Jungen „keine echten Männer“.
Viele der Jugendlichen würden glauben, „dass homosexuelles Leben (…) nicht gleichwertig ist mit heterosexuellem Leben“. Einige von ihnen seien sogar der Ansicht, „dass Homosexuelle umgebracht werden dürfen und sollen“. Insbesondere die Jungen hätten „keinen Respekt vor queeren Menschen und schreien mich dann auch an“, erklärt er weiter. Ob er sich vor der Klasse als homosexuell outen würde, entscheide er je nach „Lage“. Es würde dabei darauf ankommen, „wie aggressiv die Stimmung“ sei.
Bereits in den Grundschulen würde Homophobie existieren, diese sei allerdings „oft noch nicht aggressiv“. Grundschüler würden ihm erklären, „dass Homosexualität verboten“ sei. Dies würden sie „zu Hause, von Mutter oder Vater“ lernen. Mit einer solchen „Grundeinstellung werden viele muslimische Schüler*innen groß“, so Saraç weiter. In muslimisch geprägten Haushalten werde es ermöglicht, „dass sich junge Menschen weiter radikalisieren, im Hass gegenüber queeren Menschen“.
Wie so etwas dann in der Realität aussieht, zeigt ein Fall an einer Berliner Grundschule. An der Carl-Bolle-Grundschule wurde ein homosexueller Lehrer von muslimischen Schülern gemobbt und wandte sich im Dezember 2024 per Einschreiben und Mail an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch. Diese gab nun zu, den Brief erst im Mai gelesen zu haben.
Der betroffene Lehrer hatte „Systemversagen“ beklagt. Er kritisierte die Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung scharf. Laut Schreiben, das der dpa vorliegt, berief er sich auf das Beschwerderecht nach §13 AGG: „Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem Beschwerdeführenden mitzuteilen.“
Er schilderte homophobe Angriffe muslimischer Schüler: Er sei als „eine Familienschande“ und „ekelhaft“ bezeichnet worden. Ein Schüler habe gerufen: „Du Schwuler, geh weg von hier. Der Islam ist hier der Chef.“ Weitere Beleidigungen: Er werde „in der Hölle landen“ und sei „eine Schande für den Islam“.
Auch andere Lehrkräfte berichteten laut Süddeutscher Zeitung von obszönen Gesten und Gewalt. Eine Lehrerin hielt fest, sie sei dort „ständig irgendeiner Gewalt ausgesetzt“.