
Die Stunden in der Regierungskrise vergehen. Der Druck auf den Kanzler ist enorm. Die politische Karriere von Olaf Scholz (SPD) könnte schon nächste Woche für immer vorbei sein. In wenigen Tagen könnte er als blamiertester Kanzler in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Das Scholz-Ende naht. Die potenziellen Nachfolger stehen schon in den Startlöchern.
Stündlich lässt sich beobachten, wie das Regierungsschiff von Olaf Scholz untergeht. In seiner nicht mehr mehrheitsfähigen Rest-Regierung: nur noch lange Gesichter auf der Parlamentsbank. Mundwinkel und Augenringe der Abgeordneten: immer tiefer. Auch Scholz’ Mimik ändert sich mit steigendem Druck. Gestrige Entscheidungen sehen morgen anders aus.
Mittwochabend sagte Kanzler Scholz noch mit erhobener Stimme: „Ich habe den Bundespräsidenten so eben um die Entlassung des Finanzministers gebeten. Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden.“ Und: „Im neuen Jahr werde ich dann die Vertrauensfrage stellen.“
Am Donnerstag traf er sich 20 Minuten mit CDU-Chef Friedrich Merz – der Scholz, wie NIUS heraushörte, in diesem Gespräch unter Druck setzte. Die Message: Erst wenn Scholz in den nächsten Tagen die Vertrauensfrage stelle, könne man über Gesetze im Bundestag reden. Doch Scholz sagte, er halte an seinen Zeitplan fest. Mehr noch: Der Kanzler erklärte dem Unionsfraktionsführer, er wolle „geruhsam“ in Richtung Bundestagswahlen gehen.
Doch Freitag in Budapest klang auf ein mal alles anders, als der Kanzler nachmittags vor die Mikrofone trat. Zuvor hatte sich das Polit-Drama in der Hauptstadt in einer hitzigen Bundestags-Debatte weiter zugespitzt. Schreien und Toben stand auf der Tagesordnung. Im Vorfeld hatte Merz vor versammelter Pressemannschaft gefordert, Scholz müsse noch „nächsten Mittwoch“ die Vertrauensfrage stellen.
Freitagfrüh: Kanzler Olaf Scholz steht in der ungarischen Hauptstadt nachdenklich auf dem Hotelbalkon.
Aus Ungarn sagte Scholz über Neuwahlen am späten Nachmittag in Richtung Berlin: „Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren. Es wäre gut, wenn unter den demokratischen Fraktionen eine Verständigung darüber erreicht wird, welche Gesetze noch beschlossen werden könnten. Diese Verständigung könnte dann auch die Frage beantworten, welcher Zeitpunkt der Richtige ist, um im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen.“
Übersetzt: Scholz kam in Budapest plötzlich zur Einsicht, dass er nahezu kein Gesetz mehr mit seiner übrig gebliebenen Fußgänger-Regierung im Parlament durchboxen kann. Er verkündete, er sei offen für frühere Neuwahlen.
Heißt: Nach der Woche der Wahrheit für die Ampel folgt nun die Woche der Wahrheit für Scholz!
Gerüchten zufolge, hätten europäische Regierungschefs beim EU-Gipfel am Freitag in Budapest Scholz zugeredet.
Die Zeit für Scholz tickt. Dem Kanzler ist das sehr wohl bewusst. Auch wenn er sich die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) tatsächlich besser vorgestellt hatte. Lindner vor den Augen der gesamten Bundesrepublik zu feuern, fühlte sich für Scholz nach einer Macht an, die ihn im Irrglauben ließ, er wüsste und könne auch alleine alles besser. Ganz nach dem Scholz' Motto: „ICH bin der Kanzler!“ Für ihn klangen die harten Worte auf seinem Teleprompter im Kanzleramt an diesem Mittwochabend nach einem knallharten Regierungschef. In Wirklichkeit war er beleidigt, reagierte unangemessen.
Fern-Diagnose: Scholz ist die Macht zu Kopf gestiegen!
Aus der Kanzlerpartei ist zu hören: Man glaubte in der Parteispitze vor wenigen Tagen noch ernsthaft daran, dass man das Szenario Minderheitsregierung hingekriegt hätte. Die Pläne dafür lagen schon vor Mittwochabend in den Schubladen der Genossen. Sie haben sich das einfacher vorgestellt. Das Ego bei den Sozialdemokraten: komplett der Realität im Weg.
War das etwa schon Scholz' letzte Kanzler-Reise am Freitag? ...
Und nicht nur diese Pläne. Selbstverständlich hat der Kanzler in der Ampel-Streitwoche einen Fahrplan mit seinen Vertrauten geschmiedet, um irgendwie noch bei einem Ampel-Aus-Szenario die Möglichkeit zu haben, doch noch SPD-Kanzlerkandidat zu werden. Denn Olaf Scholz will unbedingt eine zweite Amtszeit, koste es, was es wolle. An vorzeitige Wahl-Umfragen glaubt er nicht, heißt es aus seiner Partei.
Seine Parteispitze steht NOCH hinter ihm, doch das droht, zu kippen.
Bis zu den Neuwahlen Mitte März noch Regierungsvorhaben im Bundestag durchzudrücken, sollte zu Scholz' Wahlkampf-Marathon werden, so seine Strategie. Obwohl die Bürger im Land schnelle Neuwahlen nach einem Regierungs-Crash und Mega-Unzufriedenheit wohl verdient hätten, will Scholz Zeit schinden. Blöd nur, wenn es keine Mehrheit dafür geben könnte.
Donnerstag: Auch die Laune von Scholz ist am Ende. So schaut der Kanzler, als seine FDP-Minister durch ihn entlassen werden.
Auch wollte Scholz die Hamburger Landtagswahlen (2. März 2025) strategisch nutzen. Denn diese sind – nach EU- und Ost-Wahlen – für die SPD eine Möglichkeit endlich zu beweisen, dass sie wieder Wahlen gewinnen können. Falls die Sozialdemokraten, wie Umfragen prophezeien, auf bis zu 30 Prozent kommen, gäbe das auch Scholz als Kanzlerkandidaten Aufwind. Er setzt verzweifelt auf diesen Hamburg-Joker.
Zeit verliert er dabei nicht. Schon gestern bewarb sich Scholz in seinem Wahlkreis Potsdam als SPD-Kandidat für ein Bundestagsmandat. Als Bundeskanzler trage er Verantwortung für das Wohl aller Menschen im Land, hieß es in seinem Brief. „Diese Verantwortung möchte ich auch weiterhin als Euer Abgeordneter tragen.“
Ruth Brand (r.) wurde von Ministerin Nancy Faeser (SPD) 2023 als Bundeswahlleiterin ernannt – jetzt steht der Verdacht im Raum, diese Personalie könnte mit Amtsmissbrauch Scholz' Macht stützen.
Und dann noch dieser mutmaßlich korrupte Trick: Wie NIUS exklusiv berichtete, haben enge Vertraute von Scholz die Bundeswahlleiterin Ruth Brand über ihr Umfeld gebeten (oder gedrängt), in einem Brief an Scholz vor zu frühen Neuwahlen zu warnen. Scholz' Umfeld stand im direkten Kontakt mit Brand. Wenn das stimmt, würde das bedeuten: Scholz nutzt eine Behörde zum zeitweiligen Machterhalt aus. Auffällig: Einen Tag vorher machte Brand noch gegenteilige Aussagen („kurzfristige Neuwahlen kein Problem“).
Aus der SPD hört man klar: Ob Olaf Scholz als Kanzlerkandidat überhaupt wieder aufgestellt wird, könnte sich nächste Woche endgültig entscheiden. Wenn er mit seiner miserablen Taktik scheitert und schon am Mittwoch (!) zur Vertrauensfrage gezwungen wird, könne man Scholz eben nicht mehr als Kandidaten nutzen.
Infolgedessen könnten am 19. Januar Neuwahlen stattfinden und Scholz würde nicht mal mehr als Kanzler die Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident (20. Januar) miterleben. Scholz wäre zu diesem Zeitpunkt als Kanzler bereits Geschichte. Seine politische Karriere: aus und vorbei!
Die potenziellen Scholz-Nachfolger lauern schon hinter den Parteitüren auf den richtigen Moment. Unter anderem SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius. Denn der gilt in seiner Partei als Star-Aushängeschild. Und auch SPD-Chef Lars Klingbeil, der noch weiter die Karriereleiter hinaufklettern will.
Boris Pistorius (SPD) und Olaf Scholz (SPD)
Die Sozialdemokraten würden Boris Pistorius sofort den roten Teppich ausrollen! Rote Rosen regnen lassen, wenn's sein muss! Er ist jetzt schon innerhalb der SPD bei vielen Genossen viel beliebter als der „Respekt-Kanzler“. Auch in Umfragen bei Wählern: immer beliebter.
Schlimmer noch für Scholz: Laut einer nur wenige Stunden alten Forsa-Umfrage wünscht sich die Mehrheit der Deutschen Pistorius als SPD-Kanzlerkandidat bei vorgezogenen Neuwahlen (57 Prozent der Befragten). Bitter: Scholz kommt nur auf 13 Prozent. Auch bei SPD-Anhängern befürworten 58 Prozent Pistorius – den Kanzler nur 30.
Die SPD könnte wohl einen heftigen Schachzug mit dieser Personalie als Geheim-Plan parat haben.
CDU-Chef Merz liegt derzeit mit der Union vor der Scholz-SPD im Umfragen-Rennen. Doch: Im Sommer meinte bereits die Mehrheit der Deutschen, sie würden lieber Pistorius statt Merz als Kanzler haben.
Drückt aktuell mächtig auf das Neuwahlen-Gaspedal: Friedrich Merz (CDU).
Das bedeutet: Wenn die SPD Pistorius anstatt Scholz als K-Kandidaten nehmen würde, hätte die SPD promt bessere Chancen, ihre Partei wieder auf mehr Prozentpunkte hochklettern zu lassen – würde der CDU wieder ernsthafte Konkurrenz machen!
Derzeit herrscht nämlich in der roten Parteizentrale alles andere als Aufbruchsstimmung: Unter Scholz als Kanzler liegt die SPD aktuell nur noch bei 16 Prozent in Umfragen. 2021 waren es bei der Bundestagswahl noch rund 26 Prozent.
Die SPD wird sich wohl nächste Woche entscheiden müssen: Wird sie sich für den Absturz-Scholz aus Loyalität entscheiden? Oder verlassen die Sozialdemokraten die Olaf-Titanic und machen Pistorius zu ihrem neuen Superstar?
Scholz jedenfalls hat ein großes Problem. Er hat sich terminlich festgelegt (15. Januar) – kann mithin kaum noch freiwillig entscheiden, wann er die Vertrauensfrage stellen will. Die Zeit zwingt ihm mit steigendem Druck zu einem früheren Termin. Sich da noch rauszumanövrieren und Zeit zu schinden: fast unmöglich. Nur durch die absurdeste Dreistigkeit und mit SPD-Rückendeckung wäre dies irgendwie noch möglich. Scholz beherrscht diese politische Dreistigkeit perfekt, man denke an die Cum-Ex-Affäre und sein ewiges „Ich kann mich nicht erinnern“-Lied. Doch auch die kältestesten, machtdurstigsten Politiker kommen irgendwann mal an ihre Grenzen der Skrupelosigkeit und stürzen.
Ist ER etwa die Geheimwaffe der SPD für den Wahlkampf? Verteidigungsminister und Sozialdemokrat Boris Pistorius (m.)
Am Mittwoch, 13. November, wird Scholz eine Regierungserklärung zur aktuellen Lage im Bundestag halten. Die CDU könnte dann im Parlament vor ALLEN Abgeordneten erneut fordern, dass Scholz die Vertrauensfrage stellen soll – die nur der Kanzler alleine stellen kann.
Stand jetzt macht Scholz diese Entscheidung davon abhängig, ob die Oppositions-Fraktionen sich vor dem Mittwoch konsequent weigern, bei Gesetzesvorhaben seiner Rest-Regierung NICHT zuzustimmen. Das will er in Gesprächen herausfinden. Sollten bei – für Scholz als wichtig empfunde – Vorhaben doch parlamentarische Mehrheiten vereinbart werden, könnte er die nächste Woche noch politisch ohne Vertrauensfrage durchhalten.
BISHER: Ist in Scholz' Kalender nach wie vor am 15. November ein Wirtschaftsgipfel des Kanzlers geplant. ALLE Tage vor Mittwoch habe sich der Kanzler nun weitgehend frei gehalten, heißt es aus Regierungskreisen.
Der Countdown läuft also. Das Verfallsdatum von Scholz könnte Mittwoch besiegelt sein.
Wie lange kann ER noch politisch überleben? Scholz könnte in seinem verzweifelten Versuch an der Macht zu bleiben, sich selbst noch tiefer ins politische Ende stürzen.
Eins ist jetzt schon klar: Wenn Scholz zur Vertrauensfrage früher gezwungen wird ...
... DANN: ist Scholz politisch am Ende. Er wird als blamiertester Kanzler der Bundesrepublik in die Geschichte eingehen. In den Büchern würde für immer stehen: Kein Bundeskanzler ist so sehr gescheitert wie Olaf Scholz. Nicht mal einen Funken Macht für einen eigenen Termin für die Vertrauensfrage hätte er noch übrig gehabt, würde es lauten.
... UND DANN: wird sich auch herausstellen, dass dies für CDU-Chef Friedrich Merz keine besonders kluge Taktik war, Scholz SO stark unter Druck für frühzeitige Neuwahlen zu setzen.
Friedrich Merz' (CDU) Taktik könnte auch nach hinten losgehen ...
So forderte Merz Freitagfrüh: „Ich hoffe sehr, dass es gelingt, den Bundeskanzler noch zu überzeugen, dass wir doch früher die Vertrauensfrage im Bundestag beantworten können. Mittwoch wird der Kanzler eine Regierungserklärung abgeben – das ist eine gute Gelegenheit danach über die Vertrauensfrage abzustimmen.“
Was Merz nicht bedenkt: Wenn der brisante SPD-Munkelplan wahr werden sollte, aufgrund des Scholz-Dilemmas Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten aufzustellen, wird es ein schwierigeres und enges Wahlkampfrennen für Merz.