Wenn Superreiche nach ewigem Leben suchen

vor 5 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Sowas kann wohl nur in der Schweiz geschehen: Superreiche treffen sich, um den Tod für immer zu besiegen. Nicht mehr und nicht weniger. Na, vielleicht doch ein wenig weniger. Manch ein Konferenzteilnehmer würde sich schon freuen, dem Tod einige Jahrzehnte abzutrotzen.

Zum vierten Mal fand die mehrtägige Konferenz im Hotel Grand Bellevue statt, in einem herrlichen Bergtal im Berner Oberland, wo die deutsche an die französische Schweiz grenzt. Über die erste Konferenz 2020 erzählt man, dass der regionale Flughafen damals völlig überlastet war, wegen all der Privatflugzeuge der Superreichen, die aus den USA, aus Israel oder Indien angereist waren.

3600 bis 5800 Franken kostet das Ticket, je nach Kategorie der Hotelzimmer. Aus Tausenden Bewerbungen, so berichtet die Neue Zürcher Zeitung, wird nur eine handverlesene Gruppe von 120 Gästen ausgewählt. Grundvoraussetzung ist ein Kapital von mindestens 30 Millionen Dollar – Geld, das in die vielleicht letzte Sache fließen soll, die sich Milliardäre bisher nur mit Einschränkungen kaufen konnten: ein langes Leben.

Das Grand Hotel Bellevue in Gstaad in der Schweiz

Die Longevity-Konferenz ist halb seriöser Wirtschaftskongress, an dem Startup-Gründer und Forscher neue Studien vorstellen, halb Investorentreffen, an dem es darum geht, diese Studien zu Geld zu machen. In der Hotellobby bestrahlen zum Beispiel Jungunternehmer aus Salzburg die Teilnehmer mit Rotlicht, um die Zellaktivität der Haut zu erhöhen. Die Teilnehmer an der Konferenz nennen solche Aktionen „Low hanging fruits“, an denen Investoren Geld verdienen können, mehr aber auch nicht.

Die andere Kategorie sind die „moonshots“-Forschungsprojekte, die Millionen Dollar verschlingen und jahrelang keinen Cent abwerfen. Bis sie dann eines Tages vielleicht die Welt verändern. Wie jener Plan des Berliner Forschers Emil Kendziorra. Er hat ein Unternehmen mitgegründet, das todkranke Menschen unmittelbar nach dem Tod einfriert, um sie in Hunderten von Jahren wieder aufzutauen – dann, wenn die rettende Medizin erfunden wurde. Oder Alex Colville, der gerade ein medizinisches Panel besucht. Er träumt davon, Sterbenden die Köpfe abzutrennen, um sie als Cyborgs mit künstlichem Körper weiterleben zu lassen.

Der absolute Mister Moonshot in Gstaad aber ist Aubrey de Grey, die graue Eminenz der ganz großen Visionen. An diesem Mittwochvormittag steht der Professor mit dem grauen Bart bis zum Bauchnabel auf der Bühne des „Yacht Club“. Alle Plätze sind gefüllt, Milliarden Investorengelder auf wenigen Quadratmetern. Auf der Leinwand erscheint das Foto eines Oldtimers, das durch die Schweizer Berge kurvt. „Das Auto wurde vor rund hundert Jahren gebaut“, sagt de Grey. „Und es fährt noch immer! Was lernen wir daraus? Dass sich eine Maschine mit der richtigen Wartung unendlich nutzen lässt.“ Und was sei der menschliche Körper schon anderes als eine Maschine?

Man mag schmunzeln über diesen oder jenen Plan, das menschliche Leben zu verlängern oder gar dem Tod zu trotzen. Man mag den Kopf schütteln über den Gedanken, viel Geld kann ganz viel Leben erzeugen. Die Menschheitsgeschichte ist voll von Gedanken, wie man den Tod überlisten kann: „Faust“ von Goethe tat es, das Gilgamesch-Epos aus dem alten Babylon handelt davon, „Das Bildnis des Dorian Gray“ in der englischen Dichtung berichtet von der Anbetung eines Toten.

Mein gesunder Menschenverstand sagt: Lasst die Leute ruhig probieren, was in der gesamten Menschheitsgeschichte noch keiner geschafft hat. Schaden tun sie keinem. Außer ihrem Geldbeutel.

Mehr von Louis Hagen:Gruß an die Tagesschau: Gute Nacht, meine Damen und Herren!

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