
Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, hat eindringlich vor einem drohenden Kollaps des deutschen Sozialstaats gewarnt. Er fordert umfassende Strukturreformen, eine Entlastung bei den Sozialabgaben und eine treffsicherere Ausrichtung staatlicher Leistungen – sonst drohe die Demokratie als System infrage gestellt zu werden.
„Wir können uns nicht mehr alles leisten, was wir uns wünschen“, erklärte Dulger gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts des demographischen Wandels, rapide steigender Sozialausgaben und ineffizienter Verwaltungsstrukturen mit Kosten von über 25 Milliarden Euro jährlich sieht er die Stabilität des Sozialversicherungssystems akut gefährdet. „Wenn unser Sozialstaat kollabiert, nützt das niemandem. Und er wird kollabieren, wenn wir so weitermachen“, so Dulger weiter.
Dulger fordert daher die Senkung der Sozialabgaben auf unter 40 Prozent. Die derzeitige Belastung sei ein „massiver Nettoklau“ bei Beschäftigten und käme einer Strafsteuer auf Arbeit gleich. Potenzial für Einsparungen sieht er unter anderem in der Digitalisierung und im verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Zugleich mahnte er an, dass die von der Bundesregierung angekündigte Kommission zur Sozialstaatsreform rasch konkrete Vorschläge liefert. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass bis Ende 2025 ein Reformpapier vorliegen soll – auch das Bürgergeld steht zur Überarbeitung an.
Dulger beklagt eine wachsende Entfremdung arbeitender Bürger vom Staat. Viele Steuer- und Beitragszahler fühlten sich ungerecht behandelt, wenn „neben ihnen jemand wohnt, der noch nie gearbeitet hat“ und sich dennoch in vergleichbarer wirtschaftlicher Lage befinde. Das gefährde laut Dulger langfristig das Systemvertrauen in die Demokratie. „Ich weiß nicht, wie lange unsere Demokratie das noch aushält, bevor einige hier die Systemfrage stellen“, sagte der Arbeitgeberpräsident mit Blick auf die Ungerechtigkeiten beim Bürgergeld. Ein treffsicherer, gerechterer Sozialstaat könne hingegen dazu beitragen, die politische Mitte zu stabilisieren und extremistischen Tendenzen vorzubeugen.
Unterstützung erhielt Dulger mit seinen Warnrufen von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die zuvor in der FAZ eine höhere Arbeitszeit und eine realistischere Auseinandersetzung mit der demografischen Entwicklung gefordert hatte. „Reiche spricht Klartext – und das ist gut so“, sagte Dulger. „50 Prozent Sozialversicherungsbeitrag sind kein Zukunftsmodell, sondern ein Warnsignal“.
Reiche hatte kritisiert, dass die Deutschen derzeit nur etwa zwei Drittel ihres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen – das könne auf Dauer nicht gutgehen. Sie plädiert dafür, mehr und länger zu arbeiten und damit den Wohlstand zu sichern.
Reiches Aussagen stießen jedoch auch auf Widerstand – insbesondere innerhalb ihrer eigenen Partei. Der Sozialflügel der CDU warf ihr eine einseitige Betrachtung vor. Christian Bäumler von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft bezeichnete Reiche gar als „Fehlbesetzung“, weil sie die hohe Teilzeitquote und die Arbeitsbelastung in körperlich fordernden Berufen ignoriere. Auch von Grünen-Politikerin Ricarda Lang kam Spott: Es sei bemerkenswert, in so kurzer Zeit innerparteilich derart in die Kritik zu geraten.