
Wer hat das Papier geleakt, das die Ampel-Krise verschärft?
Die 18 Seiten von Finanzminister Lindner, die am Freitag zunächst an den Stern durchgestochen wurden, sind eine offene Kampfansage an die Ampel-Partner. Lindner selbst beklagt, dass sie durch „Indiskretion“ öffentlich geworden seien. Das Papier hätte zunächst nur im engsten Kreis der Bundesregierung beraten werden sollen, schrieb er in einer E-Mail an Parteifreunde.
Doch wer ist Urheber der „Indiskretion“? Da das Papier zunächst nur an Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck gesendet wurde, kommen – neben Lindner selbst – auch die beiden Politiker infrage. Wie Bild berichtet, schwor Lindner am Freitagabend gegenüber der SPD, er sei unschuldig, ebenso habe Habeck mitgeteilt: „Grundlose Unterstellungen kommentieren wir nicht.“
Lindners Papier: 18 Seiten Provokation.
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Die 18 Seiten von Lindner sind mehr als eine General-Abrechnung des FDP-Finanzministers mit der Wirtschaftspolitik. Sie sind die Systemfrage an Regierung und Bürger gleichermaßen: Minister Habeck oder Minister Lindner. Die Botschaft: mein Weg, oder die Ampel ist Geschichte.
NIUS erfuhr aus FDP-Kreisen: Wenn man sich in nächsten Tagen oder Wochen mit den Ampel-Partnern NICHT auf die Richtung „freie-marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik“ einige, könne man dies als zentrales Argument für ein Ampel-Aus nehmen. Das wäre der „richtige“ Moment, „durch die Scheidungs-Tür zu gehen“, so ein FDP-Mitglied.
Lindner will auf den freien Markt und die Innovationskraft deutscher Unternehmer.
Wenn man mit SPD und Grüne „keine dringend notwendige Wirtschaftswende“ vollziehe, sondern lieber auf „staatliche Subventionen und falsche Klimapolitik“ setze, habe die FDP keinen Grund mehr in der Ampel zu bleiben. Die FDP könne dies dann nicht mehr verantworten. Die Schäden wären „zu groß für Deutschland“, wenn es keine „Vernunft gesteuerte Wirtschaftswende“ gäbe, heißt es weiter.
Mit dem Kanzler vertraute SPD-Politiker äußerten gegenüber NIUS, Olaf Scholz selbst wäre NICHT für ein Aus der Regierung, sondern wolle weitermachen.
Doch zwischen Scholz und Lindner herrsche eine dicke Luft wie nie zuvor. Die Aufgabe des Kanzlers sei es, der Lösungsfinder der Wirtschaftskrise zu sein, doch Scholz überkomme das Gefühl, diese Show wolle Lindner ihm stehlen, meinen SPDler.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Der Regierungschef wäre gekränkt, sauer. Die parallelen Wirtschaftsgipfel von Lindner zu Scholz’ Industriegipfeln hätten den Konflikt erheblich verschärft. Dass Kanzler Scholz seinen Industriegipfel bis in den Dezember hinein fest geplant habe, sei strategisch, behaupten seine Genossen im Hintergrund, damit Scholz ein mögliches Regierungs-Aus weiter hinausziehen könnte.
Scholz sei zudem der Meinung, für die SPD wäre ein Verbleib in der Ampel die bessere Taktik hinsichtlich der Bundestagswahlen – viele seiner Genossen zweifeln jedoch schon länger daran, ihn nochmal als SPD-Kanzlerkandidat aufstellen zu lassen. Einige SPDler sind schon jetzt der Auffassung, Lindner wüsste ganz genau, dass man mit dem 18-seitigen Papier „niemals“ eine Übereinkunft treffen könne. „Pure Absicht. Lindner möchte gezielt die Koalitionspartner aufs Äußere provozieren, das liest sich alles wie ein FDP-Wahlprogramm“, sagt ein Bundestagsabgeordneter.
Andreas Audretsch, Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag.
Der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch nannte das Papier eine „Nebelkerze“ und sagte: „Wichtiger wäre es, dass sich der Finanzminister um den Haushalt kümmert.“
Zum Haushalt für 2025 ist Mitte November eine entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags. Es müssen Milliardenlücken geschlossen werden.
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