
Der französische Politiker und Geschäftsmann Thierry Breton war bis vor Kurzem EU-Kommissar unter Ursula von der Leyen. Dort war er treibende Kraft hinter dem Digital Services Act (DSA), der nun sogar eine Rolle bei den Wahlen von EU-Staaten spielt. In Rumänien wurde über den DSA kürzlich eine Wahl annulliert. Es habe eine „ausländische Einmischung“ gegeben.
Wer ist der Mann, den Elon Musk „tyrant of Europe“ nennt, nachdem er gedroht hatte, nach dem Vorbild Rumäniens auch die Bundestagswahl zu annullieren? Und: Warum hat die EU so viel Macht?
Einer größeren Öffentlichkeit wurde der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton bekannt, als er im August einen Drohbrief an Elon Musk auf X veröffentlichte, in dem er dazu ermahnte, Maßnahmen gegen „Desinformation“ zu ergreifen. Anlass war die geplante Übertragung eines Gesprächs zwischen Musk und Trump, das auch in der EU zu empfangen war. Bis dahin wirkte er unter dem Radar der Öffentlichkeit, obwohl er als ungewählter EU-Kommissar zu den mächtigsten Menschen Europas gehört – und Einfluss auf das Recht auf Meinungsfreiheit von Millionen von EU-Bürgern nimmt. Hinterher sorgte Ursula von der Leyen dafür, dass er seinen Posten verlor, der Drohbrief an Musk war nicht mit ihr abgesprochen.
Die politische Bühne betrat Breton im Jahr 2005, bis 2007 war er Wirtschaftsminister in Frankreich unter der Regierung von Jacques Chirac. Bis zu seinem Aufstieg in die EU-Kommission im Jahr 2019 hatte er Führungspositionen in der Wirtschaft im IT-Bereich inne. 2012 wurde er etwa zum „Strategen des Jahres“ von der französischen Finanzzeitung Les Échos gewählt.
Thierry Breton im Jahr 2004
Nominiert von der französischen Regierung, wurde Thierry Breton 2019 vom EU-Parlament als „Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen“ der Europäischen Kommission bestätigt. Wie alle Kommissar-Kandidaten musste er sich zuvor einer Prüfung des Europäischen Parlaments stellen, die im zuständigen Ausschuss stattfand. Dieser Rechtsausschuss bestätigte ihn im November mit 12 zu 11 Stimmen. Anschließend wurde die gesamte EU-Kommission vom EU-Parlament bestätigt, inklusive Breton als Kommissar und Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin. Beide sind demnach nicht gewählt; Ursula von der Leyen stand darüber hinaus bei der EU-Wahl nicht als Kandidat der CDU der Wahlliste (mehr dazu hier auf NIUS).
In seinem Amt als Kommissar konzipierte er zusammen mit der dänischen Politikerin Margrethe Vestager den Digital Services Act (DSA) – zusammen mit der dänischen Politikerin Margrethe Vestager. Ihre Partei „Radikale Venstre“ heißt übersetzt „Radikale Linke“, gilt aber als sozialdemokratisch, die die „Bedeutung eines starken Sozialstaates in Verbindung mit Marktwirtschaft“ betont. Thierry Breton ist parteilos.
Den ersten Entwurf legten Vestager und Breton im Dezember 2020 vor, nachdem die sozialen Medien in der Corona-Pandemie bereits monatelang zensiert wurden. Analog dazu hatte auch in den USA die Regierung der Demokraten unter Joe Biden ein digitales Zensursystem eingeführt, das „Blacklists“ – schwarze Listen – renommierter, aber regierungskritischer Experten beinhaltete. Doch dann drehte sich der Wind.
Die zweite Hauptkraft hinter dem DSA: die dänische Politikerin Margrethe Vestager
Im Oktober 2022 kaufte Elon Musk Twitter, hob anschließend die Zensur auf, womit schließlich unter dem neuen Namen X auch in der EU die Meinungsfreiheit auf der wichtigsten Social-Media-Plattform wiederhergestellt war. Im selben Monat wurde der DSA veröffentlicht, er trat als EU-Verordnung 20 Tage später in Kraft. Ungewählte Bürokraten aus anderen Ländern haben sich demnach Einschränkungen der Meinungsfreiheit ausgedacht, die in Deutschland geltend sind, weil der Bundestag ein „Gesetz zur Durchführung der EU-Verordnung“ DSA verabschiedete.
Thierry Bretons DSA tritt mit einer kämpferisch-aggressiven Haltung gegen die Meinungsfreiheit an, nämlich als „Kampf gegen Desinformation und Hassrede“, wobei diese Begriffe beliebig ausgelegt werden können, sodass auch legale Inhalte und Meinungen kriminalisiert werden können. Wenn etwa die Tagesschau die EU gegen die gegenüber der EU erhobenen Zensurvorwürfe von Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Schutz nimmt, dass nur gegen „gesetzeswidrige Inhalte“ vorgegangen werden, dann ist dies ein tautologisches Scheinargument: Denn illegal werden die Inhalte erst durch das Zensurprogramm des DSA.
„Unerlaubte Rede“ kann alles Mögliche sein, wie ein EU-Leitfaden für sogenannte „Trusted-Flagger“ – also an NGOs ausgelagerte Zensurstellen – zeigt, über den NIUS ausführlich berichtete. Unter „Andere“ öffnet er der Beliebigkeit des jeweiligen NGO-Zensors Tür und Tor. Unerlaubt ist, was an den Gesetzen vorbei als unerlaubt eingestuft wird. „Ausländische Einmischung“ kann alles Mögliche sein.
Screenshots aus dem „Leitfaden zur Zertifizierung als Trusted Flagger“ der EU.
In ihrem Hauptwerk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ bezeichnete Hannah Arendt die Bürokratie als „Regime der Verordnungen“ und „Erbschaft des Despotismus“, die „im Gegensatz zur Gesetzesherrschaft“ von Verfassungsstaaten eine „Erbschaft des Despotismus“ sei. In heutigen Zeiten wird das höchste Gut freier Gesellschaften, die Meinungsfreiheit, über EU-Verordnungen eingeschränkt, die aus der Feder ungewählter Bürokraten stammen.
Elon Musk wirft Thierry Breton auf X vor, „Europas Tyrann“ zu sein. Grund dafür ist seine Drohung, die deutsche Bundestagswahl im Februar auf der Basis des DSA zu annullieren, wie dies zuvor in Rumänien geschah. Ob es EU-Bürokraten gelingt, auch in Deutschland eine Wahl zu verhindern, etwa mit dem Argument, dass Elon Musk sich mit der AfD-Politikerin Alice Weidel auf X unterhielt, wird sich zeigen.
Im Selbstbild Thierry Bretons sind derlei Eingriffe interesselos. „In den letzten fünf Jahren habe ich unermüdlich danach gestrebt, das gemeinsame europäische Wohl über nationale und Parteiinteressen zu stellen“, schrieb er in seinem auf X veröffentlichten Abschiedsbrief im September 2024. Was er seither offiziell macht, ist nicht bekannt. Im französischen Fernsehen äußert er sich jedenfalls zur nächsten Wahl: Man könnte von einer ausländischen Einmischung sprechen.
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