
Fast alle Politiker haben am 3. Oktober die Wiedervereinigung und den Untergang der DDR gefeiert. Gut und schön, besser wäre aber, wenn alle Parteien aus dem Scheitern der DDR gelernt hätten. Leider lässt sich von keiner Partei behaupten, dass sie eine hinreichende Distanz zum SED-Horrorstaat besitzt. Was nicht nur unschön und geschichtsvergessen ist, sondern Deutschland in der Gegenwart massiv schadet.
Da saßen sie alle zusammen, beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit. Bundespräsident, Bundeskanzler, ach, man könnte jetzt alle Beteiligten aufzählen. Ist aber nicht notwendig. Es ist nämlich gar nicht relevant, wer dort alles anwesend war. Es ist auch nicht wirklich relevant, was dort von wem gesagt wurde.
Allein der Fakt, dass die gesamte Bundespolitik präsent war und die Veranstaltung wie immer für sich vereinnahmte, pervertierte diesen Feiertag, diesen historischen Sieg des freien Westens und aller Systemgegner der ehemaligen DDR zu einer geschichtsvergessenen Clownshow.
Denn leider müssen alle Parteien sich den Vorwurf gefallen lassen, die SED-Diktatur zu verharmlosen, zu wenig aus dem Scheitern des Sozialismus gelernt zu haben und mit jedem vergehenden Jahrimmer sanftmütiger gegenüber den geistigen Verantwortlichen für Mauer, Lebensmittelknappheit und Stasi zu werden.
Der Fisch stinkt vom Kopf her. Im Jahr 1988 war ein gewisser Olaf Scholz als Teil einer Juso-Delegation zu Besuch in der DDR. Bei dem Treffen mit der FDJ waren sich alle einig, dass die wahren Feinde des Friedens die USA und die „Stahlhelm-Fraktion“ der Union seien. Die Jugendorganisation der SPD und Olaf Scholz waren für sie SED „verlässliche Partner im Friedenskampf“. Eine Jugendsünde? Wohl kaum, Scholz war damals schließlich schon 30 Jahre alt.
Auch das Verhalten der SPD nach der Wiedervereinigung lässt kaum den Schluss zu, dass die Partei besondere Verachtung für die SED-Verbrechen empfinden kann. Nur vier Jahre dauerte es bis zur ersten Zusammenarbeit auf Landesebene in Sachsen-Anhalt, als die Sozialdemokraten sich von der PDS tolerieren ließen. Vier Jahre später folgte 1998 die erste Koalition in Mecklenburg- Vorpommern. Im Bund ist die Partei spätestens seit 2017 willig, mit der doppelt umbenannten SED zu koalieren. Hätte es 2017 oder 2021 eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün gegeben, es wäre auch eine Koalition zustande gekommen.
Die SED hätte 1990 verboten werden und ihre Funktionäre für ihre Verbrechen hinter Gefängnisgittern landen müssen. Stattdessen sitzt die Mauermörderpartei immer noch im Bundestag und durfte vielfach Regierungsverantwortung übernehmen. SPD und Grüne feiern jeden 3. Oktober den Untergang der DDR, während sie mit der für den Unrechtsstaat verantwortlichen Partei zusammenarbeiten und koalieren, als sei es das Normalste der Welt. Ein historisches Versagen, das die zwei nach Linksaußen offenen Parteien zu einem Sicherheits- und Freiheitsrisiko macht.
Für den Fall, dass die Linke es 2025 nicht erneut in den Bundestag schafft, steht schon die dritte Umbenennung der SED in den Startlöchern. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, deren Namensgeberin die DDR in der Vergangenheit vehement verteidigte und die immer fest zum Sozialismus stand, ob in Deutschland oder Venezuela. Mit ihr könnten SPD und Grüne ohne lästige Rechtsidentität mit der SED koalieren und würden das auch sofort tun, wenig überraschend.
Blick auf die Montagsdemonstration in Leipzig am 2. Oktober 1989.
Skandalös ist, wie wenig kritische Fragen Wagenknecht zu ihrem Verhältnis zum Sozialismus über sich ergehen lassen muss. Viel skandalöser ist, dass eine eigentlich bei diesem Thema eher unverdächtige Partei sich anschickt, Kooperationspartner der neuen sozialistischen Bewegung zu werden. Nämlich die Partei Helmut Kohls, die CDU. Der letztwöchige Gastbeitrag von Dietmar Woidke, Mario Voigt und Michael Kretschmer in der FAZ zur deutschen Außenpolitik hinsichtlich Russlands kann nur als Kniefall vor der Wagenknecht-Partei verstanden werden. Gab es in der CDU bis jetzt nur einzelne Stimmen, die eine Koalition mit ganz linken Parteien befürworteten, so scheint es in der Ost-CDU nun Normalität zu werden, für die Macht auch mit waschechten Sozialisten zusammenzuarbeiten. Die größte politische Negativentwicklung des Jahres.
CDU, SPD und Grüne, BSW und Linke haben also, natürlich in verschiedenen Abstufungen, eine mangelnde Distanz zu der ideologischen Ecke, die die DDR erst ermöglichte. Wie sieht es aber mit der Fundamentaloppositionspartei AfD aus? Besteht dort Hoffnung auf glasklaren Abstand zu Sozialisten und ein Bekenntnis zu westlichen Werten? Schauen wir uns an, was ihr wichtigster und mächtigster Politiker dazu zu sagen hat.
„Wir waren mal ein starkes Volk mit gemeinschaftsorientierten Werten, das zusammengehalten hat.“ Das rief Björn Höcke bei einer Rede in Cottbus seinen Anhängern zu. Er sprach über das Leben in der DDR. Diese sei zwar eine Diktatur gewesen, „aber es gab soziale Sicherheit, es gab Vertrauen, es gab Nachbarschaft, Solidarität, innere Sicherheit, gute Bildung.“ Hätte Honecker nicht schöner formulieren können. Weiter: „Es gab ein Land, das von einem Volk bewohnt wurde, und zwar vom deutschen Volk.“ Und: „Die DDR war ein deutsches Land. Die DDR hatte nicht nur schlechte Eigenschaften.“ Nur ein Satz dazu, weil jeder, der eine Begründung braucht, warum diese Zitate aus freiheitlicher Sicht absolut abzulehnen sind, ehrlicherweise rettungslos verloren ist: Björn Höcke macht aus der politischen Hufeisentheorie ein physikalisches Naturgesetz.
Habe ich eine Partei vergessen? Ach, die FDP, die gibt es ja tatsächlich noch. Nun gut, da reicht auch ein Satz: Sie hat die linkeste Bundesregierung aller Zeiten und reichlich DDR-Politik ermöglicht, der Vorwurf mangelnder Distanz zu sozialistischer Politik trifft sie mindestens genauso hart.
Und das ist, abseits von all den Personalfragen, den Nachfolgeparteien, den Koalitionen und den Zitaten das eigentliche Problem: Die Realpolitik der vergangenen 20 Jahre. Die planwirtschaftlichen Ziele von Energiewende und Klimatransformation sind noch viel irrer als die planwirtschaftlichen Ziele der SED. Bei der Wirtschaftspolitik sieht es nicht anders aus, in der DDR musste man auf sein Verbrenner-Auto warten, im zukünftigen Deutschland wird man kein Verbrenner-Auto kaufen dürfen. Die Verstaatlichung wurde durch die Subventionierung ersetzt. Keine Sekunde unternehmerisches Handeln ist möglich, ohne dass der Staat besteuert, kontrolliert, reguliert, bevormundet, eingreift oder verbietet.
Und nie stand die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik mehr unter Beschuss als im Jahr 2024. Man muss als aktuelles Beispiel nur „Trusted Flagger“ bei Google eingeben oder das Video von NIUS-Reporter Julius Böhm zum Thema anschauen, um zu erkennen: Mindestens SPD und Grüne hassen freie Meinungsäußerungen freier Bürger so sehr, dass sie lieber unrechtsstaatliche DDR-Methoden auf den digitalen Raum übertragen als einfach harmlose Kritik zu ertragen.
In jedem Jahr seit der Wiedervereinigung wurde der Untergang der DDR und die Einheit Deutschlands von sämtlichen Regierungspolitikern gefeiert. In fast jedem Jahr seit der Wiedervereinigung ist die Bundesrepublik kontinuierlich ein bisschen sozialistischer geworden. Deutschland ist im Jahr 2024 bei der Wirtschaftspolitik, bei der Energiepolitik, bei der Meinungsfreiheit, bei vielen Parteien bei der Außenpolitik und bei der Klimapolitik näher an der DDR als an den Idealen der Sozialen Marktwirtschaft und der Westbindung.
Die FDP ermöglichte eine linke Politik.
Nichts wurde aus dem Scheitern der DDR gelernt. Es gibt in Deutschland einfach keinen antitotalitären Konsens,Sozialismus wird immer noch als eigentlich ganz sympathische Idee wahrgenommen, die doch nur falsch umgesetzt wurde. Dabei ist es eine grausame Idee, die immer richtig umgesetzt wurde. Es klingt ein wenig kitschig, aber es stimmt: Wer nichts aus den Fehlern der Geschichte lernt, wiederholt die Fehler der Geschichte.
35 Jahre nach dem Mauerfall sitzt die Mauermörderpartei immer noch im Bundestag. Die nächste Umlackierung der SED, das BSW, steht schon in den Startlöchern, um ebenfalls dort einzuziehen. Ihre Vorsitzende und Namensgeberin wird in den Medien hofiert und muss quasi nie kritische Fragen zu ihrem Verhältnis zum Sozialismus ertragen. Die CDU denkt sehr ernsthaft über eine Zusammenarbeit mit diesem SED-PDS-Linke-Klon nach.
Kanzlerpartei und Vizekanzlerpartei koalieren freudig mit der Stasipartei und haben sie ins politische System der Bundesrepublik vollintegriert. Der Bundeskanzler selbst war mit 30 Jahren ein nicht mehr ganz so junger jungsozialistischer Kuschelpartner der SED. Die Höcke-AfD romantisiert die DDR wie es Margot Honecker nicht besser hinbekommen hätte. 35 Jahre nach dem Mauerfall sind die geistigen Verantwortlichen für Mauer und Stasi so gut in der deutschen Politik angekommen wie nie zuvor. In den meisten dieser 35 Jahren wurde Deutschland stetig sozialistischer. In den 35 Jahren wurde die DDR nicht aufgearbeitet, sondern zunehmend verklärt und ihr Schrecken verdrängt. Die Distanz zu ihr und ihren totalitären Methoden ist nicht gestiegen, sondern gesunken.
In 35 Jahren hat die deutsche Politik kaum etwas Positives aus dem Scheitern des Unrechtsstaates gelernt. Ihre Liebe zur Freiheit wurde nicht größer, sondern kleiner. Ihr totalitärer Instrumentenkasten wurde nicht kleiner, sondern größer. Ihre größenwahnsinnige „Anmaßung von Wissen“ wurde nicht im Keim erstickt, sondern befeuert. Jede Gedenkfeier, jeder Feiertag wird dadurch zur Realsatire, die man sich ehrlicherweise sparen müsste, bis es endlich einen glasklaren antisozialistischen Konsens in Deutschland gibt.