Wer soll das bezahlen?

vor etwa 19 Stunden

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Bildquelle: Apollo News

Beim Beobachten der Haushalts-Diskussionen im politischen Berlin drängt sich aufgrund der horrenden Summen, mit denen jongliert wird, unweigerlich ein Vergleich auf: Jeder Privathaushalt, der erst Rekordschulden aufnimmt und dann trotzdem mit einem Rekord-Loch in der Haushaltskasse dastünde, wäre selbst für Peter Zwegat eine Nummer zu groß gewesen. Nun soll man Staatshaushalte nicht mit Privathaushalten vergleichen, heißt es ja oft – aber ein bisschen mehr schwäbische Hausfrau hätte Lars Klingbeil im Finanzministerium gut zu Gesicht gestanden.

So jedenfalls ist der Bundeshaushalt ein Dokument der Entrücktheit des politischen Berlins. Trotz Rekordschulden und noch immer sprudelnder Steuereinnahmen fehlt den Politikern das Geld hinten und vorne. Für zwei Jahre, 2025 und 2026 hat man jetzt einen Haushalt – aber die Finanzplanung für danach ist ein einziges Loch. 172 Milliarden ist die Fehlsumme für drei Jahre. Woher soll das Geld kommen? Das mag in Berlin niemand so richtig zu beantworten.

Klar ist nur: Weil die Koalition auf Druck der Grünen die „Zusätzlichkeit“ der Ausgaben aus den Sondervermögen garantieren musste, kann damit eben nicht jedes Haushaltsloch gestopft werden. Die Regierung muss also sparen – und das ist etwas, was Regierungen seit jeher nicht so wirklich können. Freilich erachtet jeder Minister sein Ressort für besonders wichtig und hat lange Erklärungen parat, warum gerade in seinem oder ihren Haushalt nicht gespart werden kann.

So betonte jüngst Entwicklungshilfe-Ministerin Reem Alabali Radovan von der SPD, wie wichtig ihr Haus und dessen Ausgaben seien, wie schwer Kürzungen sie schon jetzt treffen würden (es geht um drei Prozent des Budgets) – und dass es eigentlich mehr, nicht weniger Geld für die Entwicklungszusammenarbeit bräuchte. Andere diskutieren da schon längst, ob es überhaupt ein eigenes Entwicklungsministerium bräuchte.

Und auch das Arbeits- und Sozialministerium, das traditionell den größten Anteil am Bundeshaushalt hat, will von sparen nichts wissen. Der Bundesrechnungshof rügte in einem Bericht jüngst die Ausgabenentwicklung des Hauses: „Reformbemühungen konnten bisher nicht vollends überzeugen“, heißt es in einem internen Bericht, der Apollo News vorliegt. Die Ermahnung: Das BMAS müsse „realistisch planen und wirtschaftlich handeln.“ Was also heißt, dass dies bisher nicht geschieht. Der Bericht beschäftigt sich maßgeblich mit den Ampel-Jahren – aber auch die neue Ministerin Bärbel Bas ist bisher nicht als Spar-Königin aufgefallen. Im Gegenteil: Die Ausgaben für das Bürgergeld steigen in diesem Jahr weiter an, die Mittel für die Jobcenter auch. Insgesamt steigen die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent.

Auch die horrenden Ausgaben für die Sozialsysteme steigen weiter an: Hunderte Milliarden aus dem Haushalt fließen in die maroden Sozialkassen, vor allem die Rente wird perspektivisch zur untragbaren Belastung für Haushalt und Beitragszahler werden. Bis zum Jahr 2029 steigen die Bundesleistungen laut Kabinettsvorlage auf insgesamt rund 154,1 Milliarden Euro an. Eine echte Reform, um dieses Fass ohne Boden zu schließen, trauen sich die Boomer-Parteien Union und SPD, deren Wahlergebnis ja maßgeblich von den Stammwählern in oder kurz vor der Rente abhängt, aus politisch verständlichen Gründen aber nicht. Stattdessen garantiert die Koalition das Rentenniveau noch bis 2031. Nach ihnen die Sintflut.

Anstatt hier eine unangenehme, aber dringendst notwendige Reform anzustoßen, soll das fehlende Geld anderswo aufgetrieben werden – im Zweifel auch in den Portemonnaies der Bürger. Der Bundeskanzler bekommt das offenbar nicht so recht mit. Er, der seine Regierung bereits ohne irgendeinen nennenswerten Handlungsnachweis zur „besten Bundesregierung aller Zeiten“ kürt, hat der SPD das Zepter überlassen. Die Haushaltsplanung zeigt das.

Man sollte ihn an mal wieder an den Friedrich Merz des Wahlkampfs erinnern: Selbst seine vorsichtigen Relativierungen zur Schuldenbremse versah er immer mit dem Zusatz, erst müsse gespart und der Haushalt einmal vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Sonst drohe ein Weiter-So, nur mit noch mehr Schulden. Prophetische Worte: Der Haushaltsplan ab 2026 ist das Dokument dafür, dass Wahlkampf-Merz recht hatte.

Schon 2026 wird neben den Sondervermögen die bisher noch geltende Schuldenbremse bis an die Oberkante ausgereizt: 89,9 von 90 Milliarden Euro Schulden, die das Grundgesetz zugesteht, macht Klingbeil. Gleichzeitig wird in kaum einem Ministerium so richtig gespart – ein paar Ausgaben hier und da werden gekürzt, aber ein harter Kassensturz sähe anders aus. Einen wirklichen Plan für die Konsolidierung des Haushaltes gibt es schlicht nicht – wahrscheinlich pokert Klingbeil auf eine großzügige Reform der Schuldenbremse.

Denn die Lücken sind wirklich groß: Allein 2027 sind es rund 34 Milliarden Euro, die Klingbeil irgendwo zusammensuchen muss. Wo genau aber – da gibt er sich wortkarg. Auf Nachfragen kann der Finanzminister immer nur erklären, wo genau nicht gespart werden sollte – vor allem nicht zu viel am Sozialstaat. Ein späteres Renteneintrittsalter etwa? Mit ihm nicht zu machen.

Die Kosten summieren sich: Allein Maßnahmen wie die Steuerabschreibungen für Unternehmen umfasst, kosten den Fiskus rund 18 Milliarden. Außerdem kompensiert der Bund in diesem Zusammenhang Steuerausfälle der Länder und Kommunen in Höhe von nochmal 25,5 Milliarden. Zudem fällt die Zinsbelastung in den kommenden Jahren etwas höher aus als bislang angenommen: Die Last wächst auch dank der massiven Neuverschuldung.

Der Haushalt spiegelt diese Entwicklung nicht wider – weil man sich manche Ausgabe genehmigt, die das Finanzloch noch wachsen lassen. So gibt es jetzt ein Ministerium, das für Digitalisierung und Staatsmodernisierung zuständig ist – und weil der Bürokratieabbau ja erst noch beginnen muss, bekommt natürlich auch dieses neue Haus eine Wasserkopf-Verwaltung mit archaischen Doppel-Standorten in Berlin und Bonn, eigenen Staatssekretären und allem Klimbim, der dazugehört und natürlich Geld kostet. Wer dachte, das „Bürokratieentlastungsgesetz IV“ der Ampel sei der finale Treppenwitz deutschen Bürokratieabbaus gewesen, wird von dieser Koalition wahrscheinlich ganz neu belehrt werden.

Auch anderswo sitzt das Geld locker. Die Filmförderung wird mal eben verdoppelt – ein deutlicheres Signal zum absoluten Spar- und Reformunwillen hätte man kaum setzen können. Als würden schlechte deutsche Filme uns aus der Rezession führen – Til Schweiger und Matthias Schweighöfer werden keinen Aufschwung organisieren. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sollte in seinem Ressort eher den grünen Filz entsorgen, anstatt Subventionen en masse zu verteilen. Aber das ist eben genau das Ergebnis, wovor ausgerechnet Friedrich Merz gewarnt hatte: Wer die Staats- und Ausgabenreform hinter den Schuldentopf verschiebt, sagt sie eigentlich ab.

Ein Staat, der mit Rekordsummen an Geld keine solide Haushaltsplanung hinbekommt, ist strukturell schlicht so unfähig, dass nur noch die Kettensäge hilft – aber das wollen weder Lars Klingbeil, noch Friedrich Merz. Das Prinzip Milei verachten und fürchten sie beide gleichermaßen. Ihre großen Versprechen einer Staatsreform sind auch deshalb bisher nur heiße Luft, und ihre Haushaltsplanung kommt in diesem Sinne einem Föhn gleich. Der Staatshaushalt wird aufgebläht. Klingbeil feiert seine „Investitionen“, was einfach nur eine Politiker-Chiffre für das Ausgeben von Geld ist, macht dafür Milliardenschulden und hat am Ende trotzdem kein Geld. Der Finanzminister erklärt in ernstem Ton: „Wir werden ab 2027 in massive Herausforderungen hineinlaufen“.

Seine Antworten auf diese massiven Herausforderungen werden ihnen aber nicht gerecht. Eine hat er noch im Köcher: Steuererhöhungen. „Alles muss denkbar sein“, erklärte Klingbeil auf eine entsprechende Frage in der Bundespressekonferenz, wo er die Haushaltsplanung präsentierte. Mindestens eine neue Abgabe kommt schon auf jeden Fall: Wirtschaftsministerin Reiche kündigte jüngst eine Umlage für die Kosten der Gaskraftwerke an, die sie bauen will.

An den Strohhalm eines möglichen, zukünftigen Wirtschaftswachstum klammert man sich stramm – immer wieder wird es hochoffiziell beschworen. ob es aber tatsächlich schnell kommt, darf bezweifelt werden. Bisher jedenfalls ist es höchstens theoretisch, und der letzte Konjunktur-Knick im zweiten Quartal des Jahres gibt nicht gerade Hoffnung. Die Wirtschaftswende soll bisher, so wirkt es, vor allem mit Proklamation und Handauflegen herbeigezaubert werden. Und für den Stimmungswechsel in der Wirtschaft wie im Land, den Friedrich Merz beschwört, gilt das Gleiche. Schon die Ampel rechnete sich ihre Haushalte mit theoretischem Wirtschaftswachstum schön.

Die SPD drängte in den Koalitionsverhandlungen auf die Sondervermögen als Grundlage für solides Regieren – damit sich die Finanz-Streitigkeiten der Ampel nicht wiederholen. Jetzt wird trotz riesiger Grundlage kein solider Haushalt aufgebaut. Die Finanzlöcher sind größer denn je, die Spar- und Wachstumsaussichten bisher irgendwo zwischen theoretisch und homöphatisch. Klingbeil betreibt letztlich Finanz-Voodoo – die Konsolidierung wird beschworen, das Gegenteil davon wird aber umgesetzt. Das Wachstum wird mit einer Art Konjunktur-Regentanz herbeigebetet, ob es kommt, hängt aber bisher eher vom Zufall ab.

Der Haushaltsplan für die Regierungszeit des Friedrich Merz – er ist ein Offenbarungseid. Für die Koalition wie für den Staat als ganzes. Der Fiskalkonservatismus, der Deutschland einst prägte, ist mit Merz‘ Amtsantritt vollumfänglich beendet – jetzt regiert die rote Ausgabenpolitik durch. Und die angekündigte Sparpolitik? Der sollte man nicht über den Weg trauen, bis sie wirklich umgesetzt und eben nicht nur angekündigt ist. Bisher steht kein einziges Zeichen auf wirkliches Sparen – stattdessen wird das Geld mit vollen Händen ausgegeben. Reformen traut man sich nicht. Der Anspruch der Koalition auf Erneuerung des Landes – er erlischt mit diesen Dokumenten.

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