
Friedrich Merz, das hat er gesagt, will Kritik von „Rechts“ nicht mehr ernst nehmen. Er meint damit offenbar auch Kritik aus der eigenen Partei. Dann nehmen wir ihn am besten auch nicht mehr allzu ernst. Wir ersparen ihm die falsche Kritik und zitieren ausnahmsweise nur das Urteil der beiden grünen Parteivorsitzenden. „Klamauk, Armutszeugnis. Geld wie Heu, Ideen wie Stroh“. Eigentlich, sollte man meinen, kann nicht alles falsch sein an diesem Koalitionsvertrag, wenn die Grünen kein gutes Haar daran lassen.
Aber so einfach ist die Sache nicht. Weil zu unterscheiden ist, zwischen Kanzler werden und Kanzler sein. Merz begnügt sich ganz offensichtlich mit dem ersten Teil. Er weiß, wie man den Wählern etwas vormacht. Er spezialisierte sich ganz auf die Verführung des Publikums. Führung wäre etwas anderes. Um Himmels willen, Führung! Bloß nicht! Wir wollen gar nicht geführt werden. Nie wieder! Wir wollen nur, dass das Land schnell wieder auf die Beine kommt.
Dem Land, uns allen als Gesellschaft geht es nicht gut. Der kranke Mann/Frau/Es namens Berliner Republik hat sich mit schwerem Atem und Kreislaufproblemen in die Notaufnahme geschleppt. Der Patient ist aufgenommen. Der neue Chefarzt hat es verdient, dass wir ihm mit gebotenem Misstrauen zuschauen, wie er und sein Team an uns herumdoktern. Die vier Koalitionäre traten gestern auf wie Medizinmänner zur Visite eines unheilbar Gesunden. Also wie Halbgötter, die ihre Machtlosigkeit hinter arroganten Gesichtern verstecken. Sie wüssten gern, woran der Patient leidet. Das wäre natürlich das Einfachste: Das unzufriedene, undankbare Volk weiß die Behandlung nicht zu schätzen. Einer der vier hält uns für wehleidige Simulanten, der zweite für altersschwach, der dritte für selber schuld, weil unvernünftig und immer noch übergewichtig, die vierte für einen hoffnungslosen Fall. Klar, dass die vier nur das Beste wollen. Das Beste für sich selbst.
Die vier sind sich ja noch nicht einmal einig, was genau dem Patienten fehlt. Wo sie sich einig sind, empfehlen sie einander widersprechende Therapien. Aderlass, sagt der eine, Frischzellen empfiehlt der nächste, einen unerprobten Impfstoff der dritte, der Patient sei auskuriert, meint die vierte. Dann machen wir doch alles zugleich, beschließen sie, aber von allem nur ein bisschen. Von viel hilft viel, haben sie noch nie viel gehalten.
Wir haben schon jetzt kein Vertrauen mehr in die Heilkünste des Dr. Merz. Wir wären schon froh, wenn er uns nicht ganz falsch behandelt, sondern nur homöopathisch, also gar nicht. Merkel war eine begnadete Anästhesistin. Das Volk ließ sich von ihr betäuben. Das wird nicht mehr funktionieren. Merz will uns mit Zuversicht vollpumpen. Aber wir wissen, dass wir damit nicht zu kurieren sind. Die Lähmungserscheinungen sind nicht nur, aber auch Folge einer grundfalschen Therapie der Vorgängerregierungen. Wir lassen uns nicht mehr alles aufschwätzen, die teuerste Medizin, an der sich nur die Ärzte gesund stoßen. Aber das ist das Problem: In dieser Demokratie herrscht leider keine freie Arztwahl.
Um im Bild zu bleiben: Obermedizinalrat Merz überlässt dem Rettungssanitäter Klingbeil – nomen est omen – die Amputation. Das eine, rechte Bein soll ganz weg: der Rest bürgerlicher Lebensart. Wenn der Patient nicht mehr laufen kann, spendiert ihm das staatliche Gesundheitswesen einen Rollstuhl oder fesselt ihn – noch bequemer – ans Bett. An Frau Saskia Esken wiederum besitzt nicht nur der Namen eine gewisse Schärfe. Sie kommt uns weniger vor wie eine Therapeutin, mehr wie die Mitarbeiterin eines Sterbehilfevereins. Und dann Markus Söder. Der Mann ist in sichtlich bester Laune, noch besserer als die anderen. Man weiß zwar nicht genau, ob man seiner medizinischen Zulassung trauen kann, aber zumindest strotzt er von Selbstgefälligkeit. Zwar steht zu befürchten, dass er sich ganz und gar auf’s Gesundbeten als Therapie entschieden hat. Aber seine Botschaft ist wenigstens klar und deutlich: Hauptsache wir verlieren den Humor nicht. Vier Kurpfuscher. Gloria, Viktoria, widewidewitt juchheirassa! Gloria, Viktoria, widewidewitt, bum bum.