Wie die Liberalen ihre letzte Chance verspielen – und warum das gut für die Freiheit ist

vor 7 Monaten

Blog Image
Bildquelle: NiUS

Es hätte alles so einfach sein können. Die Ampel lag in Trümmern, die gigantische Mehrheit der Deutschen war froh, dass die Horrorgeschichte endlich vorbei war. Die FDP hatte den letztmöglichen Ausgang gefunden, nach viel zu vielen verpassten Ausgängen, aber sie hatte es geschafft. Sie hätte sich neu aufstellen, sie hätte ihr Rückgrat wiederfinden können, sie hätte einen radikal freiheitlichen Wahlkampf beginnen können. All das ist nicht passiert. Wer die FDP kennt, muss sagen: Natürlich ist es nicht passiert.

Warum nicht? Symptomatisch dafür ist der Umgang mit der medialen Debatte über das „D-Day“-Papier der FDP, in dem der Austritt aus der Ampel geplant wurde. Eigentlich fing es vielversprechend an: „Es ist Wahlkampf, wo ist die Nachricht?“ fragte Christian Lindner nach Bekanntwerden des Papiers. Auch Bijan Djir-Sarai, damals noch Generalsekretär der Partei, sah keinen Skandal.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner

Das änderte sich, als Tage später das Original-Dokument an die Öffentlichkeit geriet und der komplette Elfenbeinturm ausrastete, weil dort tatsächlich das böse Wort „D-Day“ zu finden war. Plötzlich hatte Lindner ein Problem, auch gestern Abend beim Interview mit Caren Miosga. Dort saß er über eine halbe Stunde lang in der Rolle als Büßer. Er distanzierte sich von dem Papier, von der Semantik, von der Kommunikation. Er habe „das Dokument nicht zur Kenntnis gekommen“, er habe das Papier nicht gekannt, hätte es auch „nicht gebilligt.“

Über 30 Minuten lang ging es nur darum. In einer Zeit der Rekordabgabenlast, des Rekordstaatsversagens und des jahrelangen Nullwachstums müsste ein Wahlkampf für eine liberale Partei ein Selbstläufer sein. Dass dem nicht so ist, sondern der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl mehr als die halbe Sendezeit über eine derartige Banalität redet, offenbart nicht nur die Realitätsferne und Liberalismusverachtung des öffentlich-rechtlichen Milieus, sondern auch, dass die einstige Wahlkampfmaschine Christian Lindner ein Schatten seiner selbst ist.

Der 2017-Lindner hätte Frau Miosga nach fünf Minuten gesagt: „Ich werde keine Fragen mehr zu diesem irrelevanten Blödsinn beantworten, die Wähler haben alle notwendigen Informationen darüber und können sich ein eigenes Bild machen. Lassen Sie uns über die wichtigen Themen sprechen oder diese Zeitverschwendung beenden.“

Stattdessen lässt sich der 2024-Lindner auf das durchschaubare Medienschauspiel ein und schwafelt ewig lang um den heißen Brei herum, wiederholt sich, wirkt unsicher, kommt nicht auf den Punkt. Ebenso muss unter diesem Lindner der Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurücktreten, aufgrund seines fehlerhaften Umgangs mit der großen Staatsaffäre. Grundsätzlich bin ich ein Freund von jedem Politikerrücktritt, aber da gibt es doch ein paar dutzend andere Gründe, die eher zu so einem Rücktritt führen müssten und es seltsamerweise nie tun.

Djir-Sarai kündigte vergangene Woche in aller Kürze seinen Rücktritt an.

Vor allem bin ich gegen diesen Rücktritt, weil der Fehler nicht in der mangelnden Distanz zu dem Papier lag – doch das ist der offizielle Rücktrittsgrund. Der eigentliche Fehler war das Abstreiten und die Distanzierung von dem Papier, das angeblich Mitarbeiter geschrieben haben. Man hätte stolz darauf sein sollen, es war das Freiheitlichste, was die FDP in ihrer jüngeren Geschichte aufgeschrieben hat.

Wenige Sätze hätten das Thema für jeden freiheitsaffinen Bürger abräumen können: „Ja, wir haben geplant, die Ampel zu sprengen. Dafür werden wir niemals um Entschuldigung bitten. Wir bitten einzig um Entschuldigung, dass wir diese Schrott-Koalition nicht viel früher beendet haben. Wir werden jetzt darum kämpfen, dass weder die Sozialisten von der SPD noch die Sozialisten von den Grünen in der nächsten Bundesregierung sitzen werden. Wer das auch nicht möchte, muss uns wählen. Wir werden niemals wieder linke Politik mittragen. Und ab jetzt reden wir nur noch über Inhalte. Versprochen!“ Das hätte freilich immer noch nicht jeder geglaubt, wäre aber in dieser Klarheit eine riesige Mobilisierungsgelegenheit gewesen.

Der Lindner-Vertraute Marko Buschmann ist der neue General der FDP.

Na gut, Schnee von gestern, der eher vernünftige Djir-Sarai ist also weg und wird von wem ersetzt? Ausgerechnet von Marco Buschmann, dem ehemaligen Justizminister der Ampel, dem Architekten von Selbstbestimmungsgesetz, Ungeimpftendiskriminierung und dem Ermöglicher von allerlei rotgrünem Irrsinn. Ein Ampelkritiker wird für einen glühenden Ampelhooligan ausgewechselt. Mit diesem Schicksal steht Djir-Sarai leider nicht alleine da.

Katja Adler

Ebenso wurde die tapfer liberale Abgeordnete Katja Adler für ihre zu laute Kritik abgestraft. Sie schaffte es in ihrem Landesverband in Hessen nicht erneut auf die Liste für die Bundestagswahl. Auch die überaus kluge Linda Teuteberg ist in der FDP in Verruf geraten und wird in Brandenburg um ihren Listenplatz kämpfen müssen. Beim Parteinachwuchs scheint das Ampel-Aus ebenfalls keinen vernunftsteigernden Effekt gehabt zu haben. Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, forderte wenige Minuten vor dem Rücktritt des Generalsekretärs den Rücktritt des Generalsekretärs. Das ist nicht nur brillantes und professionelles Timing, die Begründung hat es in sich. Das Papier sei „einer liberalen Partei unwürdig.“

Ich würde sagen, dass es für eine liberale Partei eher unwürdig ist, wenn eine gewisse Franziska Brandmann ein möglicherweise rechtswidrig agierendes Unternehmen gegründet hat, welches mithilfe von KI das Internet nach möglicherweise strafbaren Majestätsbeleidigungen von Politikern durchsucht und diese massenhaft zur Anzeige bringt. Ob sie diese Geschäftsidee von Strack-Zimmermann, die als Hobby das hundertfache Anzeigen von bösen Wörtern hat, bekommen hat? Jedenfalls scheint der Kampf gegen die Meinungsfreiheit kein Rücktrittsgrund in der FDP zu sein.

Die derzeitige Personalsituation der Partei macht deutlich: Wer dachte, dass der Ampelbruch zu einem freiheitlichen Neuanfang bei der FDP führt, hat sich getäuscht. Sie macht nicht nur mit denselben für all die Ampelschrecken verantwortlichen Personen weiter, sie eckelt auch noch die wenigen vernünftigen Leute raus.

Die Chefin der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann, hat aus der juristischen Verfolgung von Internet-Kommentaren ein Geschäftsmodell machen wollen (NIUS berichtete).

Wie soll die großartige Idee der Freiheit von staatlichem Zwang denn eine Chance haben, wenn sie mit Menschen wie Franziska Brandmann, Marco Buschmann und Strack-Zimmermann verbunden wird? Wie soll sie Sympathien für sich gewinnen, wenn ihre angeblichen Freunde sich nicht trauen, Klartext zu sprechen und aus Angst vor linksgrüner Kritik Selbstzensur betreiben? Schadet die FDP mit solchen Spitzenpolitikern der Idee der Freiheit nicht mehr als dass sie ihr nutzt?

Realpolitisch lässt sich diese Frage leicht beantworten. Die FDP hat in diesem Jahrtausend nichts für die Freiheit erreicht:

In bald 25 Jahren hat die Partei, die angeblich für Freiheit kämpft, keinen Zentimeter mehr Freiheit ermöglicht, dafür aber massenhaft freiheitsfeindliche Dinge ermöglicht. Zusätzlich verhindert sie durch ihre bloße Existenz die erfolgsversprechende Gründung einer echten freiheitlichen Partei. Mit jener Existenz könnte es in wenigen Monaten jedoch vorbei sein.

Man muss sich bewusst machen, dass die FDP nur noch existiert, weil ihre Wähler ein fast unmenschliches Maß an Nachsicht und Vergebung gezeigt haben. Die FDP lebt nur noch, weil ihr immer wieder das reale Regierungshandeln verziehen und ihren abstrakten Worten Glauben geschenkt wurde. Ich prophezeie: Mit dieser Nachsicht ist es jetzt vorbei, möglicherweise für immer. Anstatt FDP zu wählen und sich hinterher zu ärgern, werden zu viele Menschen diesmal nicht FDP wählen und sich hinterher freuen. Die Freien Demokraten hätten sich dieses Schicksal wahrlich hart erarbeitet.

Linda Teuteberg

Anstatt das Ampel-Aus für einen freiheitlichen Aufbruch zu nutzen, sind die größten Ampelfans in der FDP wie Strack-Zimmermann und Marco Buschmann noch mächtiger geworden. Die wenigen vernünftigen Leute wie Bijan Djir-Sarai, Linda Teuteberg und Katja Adler wurden massiv abgestraft. Die Partei ist noch rückgratloser, noch widersprüchlicher, noch feiger, noch wankelmütiger geworden. Die FDP ist heute ampeliger als Anfang November. So eine Partei nutzt der Freiheit nicht nur nichts, sie schadet ihrem Ansehen jeden Tag aktiv. Sie verunmöglicht als Stimmengrab eine echte freiheitliche Partei. Die FDP muss sterben, damit die Freiheit leben kann.

Der brachialliberale Autor Roland Baader schrieb einmal: „Die schlimmsten Feinde der Freiheit sind nicht ihre erklärten Gegner, sondern die vielen Lauen und Laschen unter ihren angeblichen Freunden.“ Höchste Zeit, die politische Existenz der Lauen und Laschen ein für alle Mal zu beenden, um Platz zu machen für die echten Freunde der Freiheit.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von NiUS

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von NiUS zu lesen.

Weitere Artikel