Wie die Mächtigen Corona missbrauchten, um die Majestätsbeleidigung zurückzubringen

vor 5 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Der während der Pandemie eingeführte Paragraf 188 kommt beim „Schwachkopf“-Fall zum Einsatz. NIUS erklärt, wie die Mächtigen die Corona-Krise missbrauchten, um das Delikt der Majestätsbeleidigung zurückzuholen. Der Rechtsexperte Josef Franz Lindner meint, die zeitgleich neu geschaffene Verfassungsschutzkategorie „Delegitimierung des Staates“ hänge sogar damit zusammen.

Das mittlerweile deutschlandweit bekannte „Schwachkopf“-Meme über Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fällt laut der Staatsanwaltschaft unter §§ 185, 188 des Strafgesetzbuches (StGB). Habeck selbst hatte den Strafantrag gestellt. Es geht in dem Fall konkret um den Tatbestand der gegen eine Person des politischen Lebens gerichteten Beleidigung nach §§ 185, 188.

Während der Paragraf 185 die Straftat „Beleidigung“ regelt, greift Paragraf 188 bei „Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“.

Doch viele wissen nicht: Der Paragraf 188 wurde von der Regierung unter Angela Merkel (CDU) während der Corona-Zeit zurückgebracht.

Im Jahr 2018 wurde der Paragraf 103 StGB aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. In diesem wurde die Majestätsbeleidigung unter besondere Strafe gestellt. Bis zu drei Jahre Gefängnis drohten bei diesem Tatbestand. Der Bundestag beschloss einstimmig die Abschaffung im Juni 2017. Ex-Justizminister Heiko Maas (SPD) meinte: „Der Gedanke einer Majestätsbeleidigung stammt aus einer längst vergangenen Epoche, er passt nicht mehr in unser Strafrecht.“

Doch während der Corona-Krise veränderte sich die Haltung merklich. Offenbar hagelte es zu viel Kritik an der harten Corona-Politik der Regierung, welche die Grundrechte der Deutschen stark einschränkte. Zudem ging die Meinung beim Thema Impfflicht in der Bevölkerung dikussionsreich auseinander, viele Menschen gingen auf die Straße oder machten ihrem Ärger im Netz Luft.

April 2021: Olaf Scholz (SPD), Christine Lambrecht (SPD) und Angela Merkel (CDU) im vertrauten Gespräch im Bundestag.

Unter der GroKo-Regierung wurde im Jahr 2021 der Majestätsbeleidigungs-Paragraf gewissermaßen zurückgeholt. So wurde Ostern 2021 der Paragraf 188 per Gesetzesänderung ergänzt. Konkret: Zum Tatbestand kam plötzlich die Beleidigung hinzu – zuvor galt 188 für üble Nachrede sowie Verleumdung. Zudem wurde der Tatbestand auf Kommunalpolitiker erweitert.

Die Paragraf-188-Ergänzung kam als „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ unter der ehemaligen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). Zu dieser Zeit befand sich Deutschland noch im zweiten „Lockdown“.

„Unser Gesetzespaket dient dem Schutz aller Menschen, die im Netz bedroht und beleidigt werden. Die Wellen des Hasses sind in der Pandemie noch aggressiver als zuvor“, sagte Lambrecht zu der Zeit. „Ab jetzt können Polizei und Justiz sehr viel entschiedener gegen menschenverachtende Hetze vorgehen.“

September 2021: Die damalige Kanzlerin Merkel im Gespräch mit ihrem Vize-Kanzler Scholz und Ministerin Lambrecht.

Der renommierte Jurist Josef Franz Lindner erklärt gegenüber NIUS: „Grundsätzlich regelt der Paragraf 188 eine Art Majestätsbeleidigung – das ist zwar kein Rechtsbegriff, aber eine karikierende Anspielung auf obrigkeitsstaatliche Zeiten. Wer eine im politischen Leben stehende Person, also eine ‚Majestät‘, beleidigt, wird härter bestraft als im Fall der Beleidigung eines Normalbürgers“.

Heißt im Klartext: Die damalige Regierung nutzte die Corona-Krise mit all ihren Anspannungen, um die altertümliche Majestätsbeleidigung zurück ins gesellschaftspolitische Leben zu holen.

Rechtswissenschaftler Lindner meint, verfassungsrechtlich sei der Paragraf 188 „hochproblematisch“, weil er in seiner Formulierung „sehr unbestimmt“ sei. Das Bundesverfassungsgericht habe noch nicht darüber entscheiden, ob der geänderte 188er wirklich verfassungskonform ist.

Professor Josef Franz Lindner ist in Augsburg Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Medizinrecht und Rechtsphilosophie (Foto: Universität Augsburg).

Das rechtliche Problem: „Dass diese Vorschrift für Bürger kaum verständlich ist. Weil die Bestimmung nicht konkretisiert wurde. Paragraf 188 setzt voraus, dass die Tat, also die Beleidigung, geeignet ist, das ‚öffentliche Wirken erheblich zu beschweren‘. Was soll das konkret bedeuten? Wenn jemand behauptet, Habeck wäre ein ‚Schwachkopf‘, dann kann das eine Beleidigung sein – im Kontext einer Karikatur wohl eher nicht – aber soll das wirklich Habecks öffentliches Wirken als Politiker ‚erheblich erschweren‘? Schwer vorstellbar! Politiker müssen sich ein gewisses Maß an pointierter Kritik gefallen lassen“, so Lindner.

Besonders brisant: Im Rahmen des 188er Paragrafen kann der Staatsanwalt den Tatbestand OHNE Anzeige und Antrag verfolgen. „Das ist die Verschärfung gegenüber der Beleidigung unter Paragraf 185.“ Der 185er kann nur verfolgt werden, wenn der Betroffene einen Strafantrag stellt. Bei Paragraf 188 kann die Staatsanwaltschaft von Amts wegen die Angelegenheit verfolgen.

Viele Politiker aus der Merkel-Regierung sind heute in der Scholz-Regierung.

Auch problematisch: Der umstrittene Phänomenbereich „Delegitimierung des Staates“ des Verfassungsschutzes sei im Kontext mit § 188 StGB zu sehen. Diese Kategorie wurde ebenfalls im April 2021 eingeführt.

Laut dem Bundesverfassungsschutz werden aktuell 1600 Menschen beobachtet, darunter seien 250 gewaltbereit. Doch auch Bürger mit legitimer Kritik an Politik und Staat – gedeckt von der Meinungsfreiheit – gerieten bereits ins Visier. So geriet zum Beispiel die Journalistin Aya Velázquez unter Beobachtung, weil sie ein Interview mit einem Querdenken-Aussteiger, dem Musiker André Krengel, machte.

Über sie sammelte der Verfassungsschutz Informationen in der Kategorie „Delegitimierung des Staates“: Die Journalistin Aya Velázquez (Foto: Monika Czosnowska).

Doch wie kann dieser Phänomenbereich nun mit Paragraf 188 zusammenhängen? „Wenn jemand eine Straftat nach Paragraf 188 begeht, kann man dies verfassungsschutzrechtlich, je nach Inhalt der Äußerung, als Delegitimierung betrachten“, erklärt Rechtsexperte Lindner. „Das ist ebenfalls ein Problem. Denn auch dieser Begriff ist SO schwammig, dass man überspitzte Kritik an Politikern als Delegitimierung verstehen kann und der Verfassungsschutz folglich Menschen, die sich so äußern, beobachten kann.“

Die „Delegitimierung des Staates“ sei zwar kein Begriff des Strafrechts, sondern des Verfassungsschutzes. „Der Verfassungsschutz kann aber sagen: Hier ist Paragraf 188 erfüllt – die Person schauen wir uns jetzt genauer an!“ Eine Delegitimierung des Staates könne man leichter nachweisen als den aktiven Versuch einer Beseitigung der demokratischen Ordnung.

Diese Plakat-Aufschrift sieht der Verfassungsschutz als Problemfall an.

Lindner betont allerdings: „Meines Erachtens ist die ‚Schwachkopf‘-Karikatur KEIN Fall des Paragrafen 188! Dass diese Aussage mit satirischem Kontext geeignet sein soll, Robert Habecks öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, ist absurd. Auch dass man mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen muss, wirkt unverhältnismäßig. Wenn man auf – aus meiner Sicht – solche Bagatellfälle mit einer Hausdurchsuchung um 6.00 Uhr morgens reagiert, hat das auch Einschüchterungseffekte. Ob diese gewollt oder nicht gewollt sind, kann ich nicht beurteilen. Aber klar ist: Wenn Bürger von diesem Fall lesen, werden sie eingeschüchtert. Viele überlegen sich jetzt fünfmal, was sie posten oder retweeten. Je mehr Meldestellen es gibt, desto wahrscheinlicher ist, dass solche Fälle öfter vorkommen in Deutschland.“

Dass Hausdurchsuchungen wegen Bagatelldelikten – überspitzter Kritik an der Regierung – stattfinden, erinnert an all die bereits erfolgten umstrittenen Aussagen von Innenchefin Nancy Faeser (SPD), Lisa Paus (Grüne) und Noch-Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang (CDU).

Verstehen sich bekanntlich sehr gut: Lisa Paus (Grüne) und Nancy Faeser (SPD).

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang (CDU)

Das erinnert auch an die neue Behörde eines Habeck-Vertrauten. Konkret an die Netzagentur mit Klaus Müller (Grüne) als neuem „Digital Service Coordinator“.

Müllers Netzagentur ist direkt dem Wirtschaftsministerium unterstellt – doch neuerdings setzt er den Digital Services Act der EU um, um Meinungsbeiträge im Internet stärker zu kontrollieren. Dafür werden Meldestellen als Trusted Flagger („vertrauenswürdige Hinweisgeber“) ernannt.

Ist er der Kanzlerkandidat der Strafbefehle? Robert Habeck (Grüne) stellte bisher 700 Strafanzeigen.

Diese Meldestelle – die erste bereits staatsfinanziert von Lisa Paus – kann damit an Plattformen gemeldete Beiträge weitergeben, was in der Folge zur Löschung führen kann. Bis es zu einem teuren Gerichtsverfahren für einen Bürger kommt, kann der Meinungsbeitrag also schon weg sein, ohne dass eine justizielle Entscheidung getroffen wurde. Zahlreiche Juristen im Land fürchten um ein Regulieren der Meinungsfreiheit.

Praktisch: Wenn bereits schneller unangenehme, überspitzte Regierungskritik aus dem Netz gelöscht ist, braucht es auch keinen Strafantrag mehr seitens der Regierung …

Robert Habeck (Grüne) mit seinem Vertrauen Klaus Müller (auch Grüne).

Kanzlerkandidat Habeck selbst sagte vor kurzem im Kontext der Schwachkopf-Causa, er habe zu Beginn der Legislaturperiode beschlossen, Beleidigungen ahnden zu lassen. Das werde „über Agenturen gefiltert und in diesem Fall kam es von der bayerischen Polizei“.

Bedeutet: Offensichtlich sind für Habeck private Agenturen und Meldestellen, die in linkgrüner Hand sind, wichtiger als die Justiz und das Grundgesetz. Denn es gibt für rechtswidrige Inhalte eigentlich eine staatliche Struktur aus Justiz und Polizei – die wird aber nun ergänzt mit einer staatlich-geförderten Meldestelle.

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