
Es gibt manchmal so Begebenheiten, die im Kleinen beispielhaft vorführen, was im Großen in unserem Land falschläuft.
Für genau so eine Begebenheit begeben wir uns in unser geliebtes Berlin, genauer in den Stadtbezirk Tempelhof-Schöneberg, noch genauer in den Ortsteil Friedenau – und ganz genau zur sogenannten „Kaisereiche“.
Das ist nun nicht irgendeine größere Pflanze, sondern ein anerkanntes Naturdenkmal mit einer durchaus belebten Geschichte, jedenfalls für einen Baum. Die Eiche wurde am 22. März 1879 zu Ehren des damaligen deutschen Kaisers Wilhelm I. anlässlich der Goldenen Hochzeit mit seiner Frau Augusta gepflanzt.
Nur gut vier Jahre später, im November 1883, sägten linke Aktivisten (die gab es damals auch schon) den Baum aus Protest gegen Bismarcks Sozialistengesetze kurzerhand um. Eine andere Eiche wurde ersatzweise eingepflanzt. Die überlebte dann unter anderem zwei Weltkriege und steht da nun bis heute auf einem kleinen Platz.
Bis vor ein paar Wochen gab es dort, wie auf den meisten Plätzen, einen öffentlichen Mülleimer. Irgendwann wurde der aber von der Stadtreinigung mit behördlicher Genehmigung ersatzlos entfernt – warum, weiß angeblich niemand mehr so genau, oder will es nicht mehr wissen, oder will es nicht sagen. Jedenfalls werden entsprechende Antworten auf entsprechende Anfragen von den entsprechenden Stellen nicht gegeben.
Offensichtlich ist nur das Ergebnis seitdem: Rund um die „Kaisereiche“ liegt offen der Abfall herum, und es wird immer mehr. Der schlimme Zustand des Platzes schaffte es sogar bis in die Lokalzeitung „Der Tagesspiegel“. Deshalb hat jetzt die CDU im zuständigen Bezirksparlament von Tempelhof-Schöneberg den ja nicht völlig fernliegenden Antrag gestellt, wieder einen Mülleimer aufzustellen.
Die Berliner Bezirksparlamente sind Teil der sogenannten bezirklichen Selbstverwaltung. Sie haben die Aufgabe, die jeweilige Bezirksverwaltung zu kontrollieren und für lokale Probleme vor Ort möglichst bürgernahe Lösungen zu finden. So ist die Theorie, so haben sich das die Väter der Berliner Verfassung einmal gedacht.
Aber Politik in Deutschland funktioniert heute anders, und das sehen wir an der „Kaisereiche“.
Die CDU hatte also vorgeschlagen, dass „an dem platzähnlichen Gebiet, das von der Rheinstraße, Saarstraße und Illstraße umgeben ist, wieder ein großer Abfalleimer errichtet wird.“ Begründung: „Seitdem der Abfalleimer entfernt wurde, ist die Vermüllung signifikant gestiegen.“
Anmerkung der Redaktion: Das stimmt, siehe oben.
Weiter heißt es: „Der Aufbau eines Abfalleimers kann zügig und einfach zur Problemlinderung beitragen.“
Anmerkung der Redaktion: Auch das stimmt, siehe gesunder Menschenverstand.
Doch es ist halt ein Antrag der CDU, und da hat es der gesunde Menschenverstand in Berlin schwer. Jedenfalls hat die Mehrheit aus SPD, Grünen und „Linken“ im Bezirksparlament den Vorstoß gemeinsam abgeschmettert. Ohne Begründung. Und um ehrlich zu sein, gibt es ja auch gar keine vernünftige sachliche Begründung – denn den wahren Grund für die Ablehnung wollen die Roten, Grünen und Dunkelroten nicht öffentlich sagen: dass der Antrag von der falschen Seite kommt.
Diese Anekdote aus der Berliner Lokalpolitik ist nur scheinbar klein und unbedeutend. Tatsächlich liefert sie zwei wichtige Erkenntnisse, die weit über die Hauptstadt hinaus Bedeutung haben.
Erstens – Friedrich Merz darf sich warm anziehen. Denn wo immer die Mehrheitsverhältnisse es zulassen, werden SPD, Grüne und „Linke“ eine zweite Brandmauer bauen: diesmal zur Union. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird die grün-linke Reichshälfte unseres Landes auch CDU und CSU zu Unberührbaren erklären, zu Nazis. Man kennt das von der AfD.
Zweitens: Unsere Parteien gönnen sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln. Es geht ausschließlich nur noch um Lagerdenken – und ausdrücklich nicht mehr um irgendwelche Problemlösungen. Wegen des allumfassenden Machtkampfs und des grenzenlosen Egoismus der politischen Parteien kann inzwischen noch nicht einmal mehr ein Abfalleimer aufgestellt werden.
Für die Demokratie ist das – leider, leider – ziemlicher Müll.