
Es ist, mit Verlaub, eine deprimierende Lektüre. Im Moment präsentieren die größeren deutschen Konzerne ihre Unternehmenszahlen für das erste Halbjahr 2025, und gute Laune bekommt man dabei nicht.
Ganz frisch: BMW verzeichnet im ersten Halbjahr einen Gewinneinbruch um fast ein Drittel. Bei Mercedes-Benz bricht im zweiten Quartal der Gewinn um mehr als zwei Drittel ein. Porsche kappt seine Prognose zum zweiten Mal binnen weniger Monate.
BASF senkt das Jahresziel für den operativen Gewinn. Der Bahn- und Lkw-Zulieferer Knorr-Bremse senkt sein Umsatzziel und stellt einen geringeren Betriebsgewinn in Aussicht. Der Chip-Hersteller Elmos Semiconductor macht Abstriche an seiner Gewinnprognose. Der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 meldet einen Rückgang von Werbeerlösen und Umsatz. Der Leverkusener Kunststoffkonzern Covestro berichtet über sinkende Margen und erwartet vorerst keine wirtschaftliche Erholung.
Und so weiter, und so fort.
Der Ifo-Geschäftsklima-Index, der wichtigste sogenannte Frühindikator für die deutsche Wirtschaft, liegt auch im Juli weiter auf sehr niedrigem Niveau. Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, redet nicht um den heißen Brei herum: „Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft bleibt blutleer.“
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Der Bundeskanzler und sein Finanzminister suchen Geld. Für die Jahre 2027 bis 2029 fehlen im Staatshaushalt nach aktueller Zählung 173 Milliarden Euro. In Zahlen: 173.000.000.000 – für gerade mal zwei Jahre.
Natürlich hat unser Staat Geld genug. Er nimmt so viele Steuern ein wie niemals zuvor, erstmals wurde gerade die magische Grenze von jährlich einer Billion – ja, mit „B“ – überschritten. Unsere Politiker geben nur viel zu viel aus:
Bürgergeld (vor allem für Nicht-Bürger), Subventionen (vor allem für Windräder), Rüstungsgüter (vor allem für Ukrainer), Propaganda (vor allem für linke NGOs) – die Liste ist schier endlos. Und immer kommt noch etwas dazu. Jetzt sollen noch ein paar Wahlversprechen eingelöst werden: die Senkung der Gastro-Steuer, zum Beispiel, und die Aufstockung der Mütterrente. Also pumpt man sich Geld auf Teufel komm‘ raus.
Das Problem mit geliehenem Geld ist: Man muss es zurückzahlen.
Die Tilgung, immerhin, wird nicht sofort fällig. Da kann der handelsübliche Berufspolitiker entspannt auf irgendeine Zukunft verweisen, sich zurücklehnen und das Problem den Nachfolgern vererben. Die Zinsen dagegen sind eine durchaus aktuelle Schwierigkeit. Sie muss man regelmäßig und verlässlich an die Gläubiger überweisen. Denn sollte sich herumsprechen, dass die Bundesrepublik ihre Zinsen auf alte Staatsschulden nicht bedienen kann, dann wird niemand mehr dem Land neue Kredite geben. Und ohne frisches Geld von außen fällt unser Bundeshaushalt mit all den schönen Projekten, siehe oben, blitzschnell in sich zusammen.
Im laufenden Jahr muss Deutschland 36,5 Milliarden Euro nur für Zinsen ausgeben. Um diesen riesigen Betrag etwas zu verschönern, hat noch die Ampel die Buchungsmethode ändern lassen. „Die Zinsausgaben des Bundes werden ab dem Jahr 2025 periodengerecht und damit ökonomisch sachgerecht im Haushalt abgebildet“, erklärt dazu das Finanzministerium. Das ist eine klassische PR-Nebelkerze. Es geht allein darum, die hohe Summe durch Buchungstricks etwas kleiner aussehen zu lassen.
So oder so: Die Zinszahlungen machen schon jetzt den viertgrößten Posten im Staatshaushalt aus: nach den Sozialausgaben und der Verteidigung, nur knapp hinter dem Verkehr. Jede neue Kreditaufnahme erhöht die Zinslast. Deutschland braucht also Geld. Wo soll das herkommen? Neue Schulden, klar. Steuererhöhungen, das hat Bundeskassenwart Lars Klingbeil von der SPD ja schon angedeutet. Aber all das zusammen wird nicht reichen für den gigantischen Geldhunger unserer Politiker.
Deshalb lässt der Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende Friedrich Merz seine Büchsenspanner landauf, landab die Geschichte verbreiten, dass es schon bald ein höheres Wirtschaftswachstum gibt. Dann wird alles gut. Sobald die Wirtschaft wieder anspringt, steigen die Steuereinnahmen (weiter) – und das Loch im Staatshaushalt schließt sich.
Doch wer so etwas sagt, ist ein Rosstäuscher. Und wer es glaubt, ist ein Narr.
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Jens Boysen-Hogrefe ist weder das eine noch das andere. Der Finanzwissenschaftler vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) sitzt seit 2011 im „Arbeitskreis Steuerschätzungen“ des Bundesfinanzministeriums.
Er hat ausgerechnet: Um allein nur das 34,3-Milliarden-Loch im Bundeshaushalt für das Jahr 2027 zu schließen, müsste die deutsche Wirtschaft in den kommenden zwei Jahren zusammen um mindestens sieben bis neun Prozent wachsen. Das nüchterne Urteil des nüchternen Zahlenmenschen: „Das halte ich für utopisch.“
Ganz ähnlich sieht das Friedrich Heinemann. Er ist Leiter des Forschungsbereichs Öffentliche Finanzen am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und hält es für eine blanke Illusion, dass die deutsche Wirtschaft nach Jahren der Stagnation wieder derart in Schwung kommen könnte, dass nicht gespart werden muss: „Über Wachstum allein wird sich die Budgetlücke nicht schließen lassen.“
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie es in Wahrheit aussieht.
Das letzte Mal, dass das BIP der Bundesrepublik überhaupt eine Wachstumsrate von sieben Prozent erreichte, war mitten in den Wirtschaftswunderjahren: 1969 (7,5 %). Danach betrug der Zehn-Jahres-Durchschnitt nie mehr als 2,9 Prozent.
Derzeit wächst unsere Wirtschaft nicht nur nicht, sondern sie schrumpft: Das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) der Bundesrepublik ist von April bis Juni um 0,1 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2025 zurückgegangen.
Höhere Werte sind auf absehbare Zeit auch wegen der internationalen Entwicklung reines Wunschdenken: Im laufenden Jahr liegt das durchschnittliche BIP-Wachstum voraussichtlich bei 3,1 Prozent weltweit – und bei nur einem Prozent in der Euro-Zone. Von den zehn größten Industrieländern erreicht Spitzenreiter Indien 6,4 Prozent. China kommt auf 4,8 Prozent. Die USA schaffen nicht mehr als 2,2 Prozent.
Trotzdem sagen der Bundeskanzler und sein Finanzminister: Ein Wirtschaftswachstum, das man im internationalen Vergleich nur als irre bezeichnen kann, soll zu explodierenden Steuereinnahmen führen und den deutschen Staatshaushalt sanieren.
Ja, geht’s noch?
Der Internationale Währungsfonds (IWF) kommt in seinem frischen „World Economic Outlook“ gerade zu dem Schluss, dass Deutschland im laufenden Jahr höchstens um 0,1 Prozent wachsen wird – und im kommenden Jahr um nicht mehr als 0,9 Prozent. Mehr kann es für ZEW-Ökonom Heinemann auch gar nicht sein, denn dafür fehlen die Fachkräfte – und die Bereitschaft der Deutschen, mehr zu arbeiten.
Wie kann man da von sieben Prozent Wirtschaftswachstum fantasieren?
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Deutschlands Wirtschaft stürzt ab, die frischen Quartalsberichte sind verheerend. Das BIP sinkt. Der Arbeitsmarkt kollabiert: Im Juli ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf knapp drei Millionen gestiegen – ein Plus von 65.000 binnen eines Monats. Im August könnte die Drei-Millionen-Grenze fallen, dann haben so viele Menschen keine Arbeit wie zuletzt vor zehn Jahren.
Mehr Arbeitslose bedeuten mehr Staatsausgaben. Mehr Staatsausgaben bedeuten noch mehr Schulden. Und das alles bei schrumpfender Wirtschaft, versteht sich.
Die schwarz-rote Regierung betreibt etwas, was man als „fossile Finanzpolitik“ bezeichnen kann: Sie gibt jetzt Unsummen aus und interessiert sich kein Bisschen dafür, ob für künftige Generationen noch etwas übrigbleibt. Und mehr noch: Sie verbraucht nicht nur jetzt alle vorhandenen (finanziellen) Ressourcen, sondern belastet unsere Kinder und Enkel obendrein mit riesigen Schulden, die diese niemals werden zurückzahlen können.
Schon in ein paar Jahren werden die Jüngeren merken: Diese Regierung hat sie arm gemacht. Das ist vermutlich schon jetzt unumkehrbar. Deutschland ist strukturell pleite.