Wie X und die neuen Medien zur fünften Gewalt werden, die den alten Journalismus kontrolliert

vor 6 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Es ist, als öffnete sich ein Fenster und ließe die frische Luft der Freiheit hereinströmen in eine Branche, die, viel zu lange abgetrennt von der Außenwelt, an ihrer eigenen Atemluft zu ersticken drohte. Zwei mediale Ereignisse der vergangenen Woche zeigten wie in einem Brennglas den Wandel, der sich im Journalismus dieser Tage vollzieht – und die Kämpfe, die mit diesem Wandel einhergehen.

Der Spiegel rief am Sonntag den Unternehmer Elon Musk als „Staatsfeind Nummer zwei“ aus. In einem langen Porträt, das jedoch eher einem Zerrbild gleicht, urteilt das vierköpfige Autorenteam des Spiegel: „Donald Trump ist vermutlich die aktuell größte Bedrohung für die freie Welt. Sein Kumpel Musk aber mindestens Staatsfeind Nummer zwei.“

Der Spiegel-Artikel über Elon Musk.

Den Besitzer von Tesla, Space X, Starlink und – seit Oktober 2022 – der Plattform X bezeichnen der Spiegel und die Personen, mit denen das Magazin gesprochen hat, wahlweise als „Bösewicht in einem James-Bond-Film“, als mörderischen „Mr. Hyde“, oder als „gefährlichen Menschen“, der sich in einen „Dämon-Modus“ begebe und der an den ehemaligen Krupp-Direktor Alfred Hugenberg erinnere, einen Steigbügelhalter Adolf Hitlers. „Hugenberg, Hitler? Überschätzt das Musks historische Rolle?“, fragt der Spiegel, um sich dann selbst zu antworten: „Bislang wurde er stets eher unterschätzt.“

Ohne Belege zu nennen, attestiert der Spiegel Musk eine „demokratiefeindliche Einstellung“ und behauptet: „Ihm missliebige Journalisten werden mitunter gesperrt.“ An anderer Stelle im Text heißt es: „Er nutzt X auch, um gezielt die Reichweite von Trumps Lügen zu verstärken – und unliebsame Kritik zu löschen. Landläufig nennt man so etwas Zensur.“

Welche Anhaltspunkte liegen dem Spiegel dafür vor? Auf NIUS-Anfrage erklärt das Magazin: „Uns liegen diverse Belege vor, wir stehen zu unserer Berichterstattung.“ Behauptungen zu untermauern, ist für den Spiegel offenbar nicht mehr Teil des journalistischen Kerngeschäfts.

Stattdessen bügelte die Redaktion die Kritik an der eigenen Berichterstattung ab: „Elon Musk erhebt nach Spiegel-Bericht absurde Vorwürfe“, betitelte der Spiegel einen zweiten Text, der sich den Reaktionen auf das Musk-Porträt widmete. Die „absurden Vorwürfe“ sind bei genauerer Betrachtung gar nicht so absurd: Musk warf dem Spiegel vor, zu einem Attentat auf ihn aufzurufen – was nicht weit hergeholt ist. Schließlich wurde auf den vom Spiegel als Staatsfeind Nummer eins bezeichneten Mann, Donald Trump, in den vergangenen Monaten ein Attentat verübt und ein weiteres in letzter Sekunde verhindert.

Dieses schmähende Spiegel-Porträt steht in Zusammenhang mit einem zweiten medialen Ereignis, zu dem auf den ersten Blick keinerlei inhaltliche Verbindung zu bestehen scheint. Das ZDF veröffentlichte am Samstag eine Reportage über einen der 28 afghanischen Straftäter, die im August in ihr Herkunftsland abgeschoben worden waren.

Einfühlsam begleiten die Reporter den Mann, den sie „Raheem“ nennen. Die Sprecherin erzählt aus dem Off: „Er zahlte den Schmugglern viel Geld, sagte Raheem, verkaufte fast seinen ganzen Besitz. Die Hoffnung: In Deutschland einen sicheren Job zu finden und damit seine Familie zu ernähren. Doch der Plan ging nicht auf: Sein Asylverfahren zog sich, er lebte isoliert in einer Flüchtlingsunterkunft, arbeitete oft schwarz – bis er straffällig wurde. Was genau passierte, wissen wir nicht, nur so viel: Er soll in einen Streit verwickelt worden sein, trug ein Messer mit sich. Die Polizei nahm ihn fest. Das Urteil: 3 Jahre Gefängnis.“

Das ZDF schützte die Identität des Afghanen.

Die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf, die an der Reportage beteiligt war, beschrieb Raheems Geschichte auf X wie folgt: „Dann wird er, so erzählt er, in einen Streit mit Messern verwickelt. Was er als harmlos empfindet, eine kleine Auseinandersetzung, wird als Straftat gewertet.“ Ein Migrant, der sich der Schwarzarbeit schuldig machte, der gleichzeitig Sozialleistungen einstrich, obwohl er nie in die Sozialsysteme eingezahlt hatte, der eine Straftat mit einem Messer beging, die ihm drei Jahre Haft bescherte, und der ganz offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein besitzt – ein solcher Migrant wird vom ZDF und seiner mit Preisen überhäuften Starreporterin zum missverstandenen Opfer eines isolierenden Asylsystems stilisiert.

Diese romantisierende Darstellung wurde von Nutzern auf X heftig zerpflückt, bis sich das ZDF gezwungen sah, den Beitrag im Nachhinein zu ändern. Die Sprecherin ordnet Raheems Aussage im Beitrag nun so ein: „Eine Verharmlosung: Denn er wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, erzählt er. Aber um eine Haftstrafe von drei Jahren zu erhalten, muss eine entsprechend schwere Straftat vorliegen.“

Der Jurist Arnd Diringer kommentierte treffend: „X entwickelt sich allmählich zu einer Art ‚fünften Gewalt‘, die auch die sogenannte vierte Gewalt kontrolliert. Und Kritik durch diese ‚fünfte Gewalt‘ kommt offensichtlich an.“

Tatsächlich enttarnt das geänderte Skript vor allem das ZDF selbst und stellt die Verharmlosung der Straftat durch den Sender bloß. Denn jeder vernünftige Zuschauer erkennt sofort, wie Raheem in seinen Schilderungen die Realität verzerrt und den Rechtsstaat verhöhnt. Dass die Reporter des ZDF auf die kritische Netzöffentlichkeit angewiesen sind, um ebenfalls zu dieser Erkenntnis zu gelangen, verdeutlicht den desolaten Zustand der sogenannten Vierten Gewalt. Und es zeigt die überragende Bedeutung der Plattform X für den freien demokratischen Diskurs.

Die Kontrollfunktion der Medien im Sinne einer Vierten Gewalt ist in der Verfassung nicht als solche festgeschrieben. Die Gewaltenteilung, in Artikel 20 des Grundgesetzes verankert, unterscheidet lediglich die Legislative (gesetzgebende), Exekutive (vollziehende) und Judikative (Recht sprechende Gewalt). Sie sind per Verfassung voneinander getrennt, um sich gegenseitig kontrollieren und eine Konzentration der Macht bei einer staatlichen Stelle zu verhindern.

Bei der Presse handelt es sich nicht um ein staatliches Organ. Die Aufgabe der Vierten Gewalt ist darum nicht als Pflicht, sondern als Freiheit im Grundgesetz verankert: in Artikel 5, der Presse-, Rede- und Meinungsfreiheit garantiert. Ausgerechnet die auf dem Papier besonders freie Vierte Gewalt näherte sich jedoch in den vergangenen Jahren teilweise immer stärker der Exekutive an.

In Hintergrund-Runden lassen sich Journalisten von Regierungsmitgliedern Informationen zustecken, die sie nicht an die Öffentlichkeit tragen dürfen, als bestünde die journalistische Aufgabe im Schutz der Regierung. Ob in der Klimapolitik, bei den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie oder in der Migrationspolitik: Zu oft standen die Leitmedien im vergangenen Jahrzehnt Seite an Seite mit der Regierung und gerierten sich als deren Sprachrohr, das die Bevölkerung belehrte. Wie sehr sich manche Medien mit dem Staat identifizieren, verdeutlicht die Spiegel-Überschrift zu Elon Musk: Dass ein Nachrichten-Magazin den eigenen Konkurrenten zum Staatsfeind erklärt, zeugt davon, dass es sich selbst als Teil des Staates definiert.

Die etablierten Medien stehen sich selbst im Weg.

Natürlich entstehen in den Redaktionen der selbsternannten „Qualitätsmedien“ noch immer zahlreiche Recherchen, Analysen, Interviews, deren herausragende Qualität dieser Bezeichnung gerecht wird. Und doch herrscht intern in vielen Redaktionen ein Anpassungsdruck, der für den Leser meist kaum sichtbar wird: Außenseiterpositionen, die einen innerhalb einer Redaktion vor Jahrzehnten noch zu einem begehrten Diskussionspartner gemacht hätten, lassen einen Journalisten unter Kollegen heute suspekt erscheinen.

Der innere Zwiespalt vieler Redakteure findet in der Selbstbeschreibung auf X Ausdruck: „Privat hier“, schreiben manche Journalisten in ihre Bio, als ließen sich die privaten Meinungsäußerungen von der journalistischen Rolle trennen. Dass sich eine solche Formulierung überhaupt durchsetzen konnte, illustriert die Schieflage vieler Medien. Denn sie lässt die Journalisten wie Bundestagsabgeordnete erscheinen, die nur frei entscheiden dürfen, wenn der Fraktionszwang aufgehoben ist. Eine Redaktion aber ist keine Partei und sollte sich für ihre Mitarbeiter nie wie eine solche anfühlen.

Der Druck, der vielerorts innerhalb der Redaktionen herrscht, lässt X zu einem Zufluchtsort werden: Hier können sich Journalisten mit Außenseiterpositionen eigene Marken und Reichweiten aufbauen, die Redaktionen schon aus finanziellen Gesichtspunkten nicht ignorieren können. Allein deshalb ziehen X und Elon Musk die Empörung von Medien wie dem Spiegel auf sich: Die Plattform wirkt sich disruptiv auf einen Markt aus, den die linken Meinungsführer schon für gewonnen erachtet hatten.

Noch gefährlicher aber als der Freiheitszuwachs festangestellter Journalisten durch X ist für die Redaktionen die Konkurrenz durch freie Journalisten und neue Medien, die über X Verbreitung finden. In den USA zeigt sich die Wucht dieser medialen Macht bereits auf höchster politischer Ebene: Hier könnte mit Donald Trump ein Kandidat die Präsidentschaftswahl erneut gewinnen, dessen Kernkompetenz darin besteht, sich linken Narrativen nicht zu beugen und dadurch nicht erpressbar zu sein. Trumps Aufstieg ist untrennbar mit X verwoben.

Die konservativen und liberalen journalistischen Stimmen in den USA erzeugen auf X und anderen digitalen Plattformen längst eine Resonanz, die sich mit jener des alten Journalismus einer New York Times oder Washington Post messen lassen kann. Medien-Portale wie Daily Wire mit brillianten Journalisten wie Ben Shapiro und Matt Walsh, aber auch einzelne Personen wie Joe Rogan, Jordan Peterson oder Accounts wie Libs of Tiktok hinterfragen die Dogmen der Regierung meist kritischer als altgediente Redaktionen, denen beispielsweise die offensichtliche Senilität des US-Präsidenten erst auffiel, als es der demokratischen Partei ins Drehbuch für die Wahl passte: zu jenem Zeitpunkt also, als die Demokraten ihren Kandidaten auswechseln wollten und dafür mediale Rückendeckung brauchten.

In Deutschland wird auch deshalb so hart gegen Trump geschossen und so zuckerwatteweich über Kamala Harris berichtet, weil die etablierten Medien um ihre Pfründe fürchten. Was in den USA längst tonangebend ist, befindet sich hierzulande noch im Wachstum: Neben neuen Marken wie NIUS, Apollo News oder auch der Deutschland-Ausgabe der NZZ, deren Aufstieg ohne die Plattform X so nicht möglich wäre, werden auch einzelne Akteure auf X immer einflussreicher. Der Account ÖRR-Blog entwickelt sich zur wichtigen Kontrollinstanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, war auch an der Berichterstattung zu Katrin Eigendorfs Afghanen-Reportage maßgeblich beteiligt. ÖRR Antisemitismus Watch untersucht die Israel-Berichterstattung und zeigt immer wieder den strukturellen Antisemitismus innerhalb von ARD und ZDF auf.

Die freie Journalistin Aya Velázquez spielte eine maßgebliche Rolle bei der Aufarbeitung von Corona, veröffentlichte die Protokolle des RKI-Krisenstabs und machte sie über X einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. „Argo Nerd“ hat das klassische journalistische Prinzip, Behauptungen an der Realität zu messen, perfektioniert und stellt einander widersprechende Aussagen kommentarlos nebeneinander, sodass sich jeder selbst ein Bild machen kann – eine Fähigkeit, die der etablierte Journalismus seinen Lesern nur noch im Ausnahmefall zutraut.

Die Medienkritik ist ein wichtiger Bestandteil dieses neuen Journalismus: Je schwerer der alte Journalismus von den Pressesprechern der Regierung zu unterscheiden ist, desto stärker rückt er selbst ins Zentrum. Wer heutzutage die Tagesschau sieht oder Deutschlandfunk hört, der weiß zwar nicht, was wirklich los ist im Land – aber er weiß, was er nach dem Willen der Regierung denken soll. Die Vierte Gewalt erfüllt heute nicht mehr ihre klassische Funktion, sondern malt oftmals nur in besonders schillernden Farben die Phantasmen der Regierung aus.

Diese zu hinterfragen, ist die Aufgabe der Fünften Gewalt. NIUS nimmt sich dieser Aufgabe jeden Tag mit Freude an.

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