
Die Stadt Wiesbaden darf eine Extra-Steuer auf den Wasserverbrauch einführen. Diese sei rechtlich zulässig, entschied das Verwaltungsgericht Wiesbaden Anfang April (Aktenzeichen: 7 K 941/24.WI).
Dem war ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Wiesbaden und dem hessischen Innenministerium vorausgegangen. Am 20. Dezember 2023 hatte die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung die Wasserverbrauchssteuer mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken und Volt beschlossen. Ein weihnachtlicher Schluck aus der Pulle sozusagen gegen die Ebbe in der Stadtkasse. Scheinheilig auch noch mit Umwelt/Klima und Co. begründet, denn dadurch würde der Wasserverbrauch reduziert.
Doch das hessische Innenministerium als Kommunalaufsicht funkte erst einmal dazwischen. Es stoppte den „Wassercent“ im Mai 2024. Begründung: Die Stadt dürfe mit den Einnahmen aus den Wassergebühren keinen Gewinn erzielen, sondern nur die Kosten decken. Dagegen wiederum klagte die Landeshauptstadt – und bekam nun Recht.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden meinte nun, der Umstand, dass lebensnotwendige Güter wie Trinkwasser nicht besteuert werden dürften, sei kein geltender Rechtsgrundsatz, wie das Beispiel der Umsatzsteuer zeige. Die geplante Wiesbadener Wasserverbrauchssteuer sei hoch genug für Lenkungseffekte, ohne zu einer „erdrosselnden Wirkung“ zu führen. Mit Blick auf das Ziel, Wasser zu sparen, verwies das Gericht auf Trockenheitsphasen infolge des Klimawandels. Soso!
Apropos „Klimawandel“: Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seinem „Klimaurteil“ vom 24. März 2021 einer Rechtsprechung wie in Wiesbaden Tür und Tor geöffnet. In den Leitsätzen damals hatte „Karlsruhe“ festgehalten:
„Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen … Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität. Art. 20a GG genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Dabei nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu.“
Berichterstatterin und Urmutter dieses Urteils war übrigens Gabriele Britz (*1969; Verfassungsrichterin 2011 bis 2023). Sie ist verheiratet mit dem „grünen“ Kommunalpolitiker und Klimatheoretiker Bastian Bergerhoff. Die Vermutung, dass Passagen des Urteils am häuslichen Küchentisch entstanden sein könnten, ist nicht so ganz aus der Welt geräumt. Jedenfalls hatte Bergerhoff im Dezember 2020 auf seiner persönlichen Webseite Aussagen zum Klimaschutz veröffentlicht, die später fast wortgleich im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auftauchen.
Das Urteil des Wiesbadener Verwaltungsgerichts zur Wassersteuer ist indes noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen. Die Fahrt auf „hoher See“, auf der man sich vor Gericht befindet, geht weiter.
Neben der Wassergebühr würden die Wiesbadener Bürger bereits ab dem ersten Liter eine zusätzliche Wasserverbrauchssteuer von 90 Cent pro 1.000 Liter Trinkwasser zahlen müssen. Statistisch verbraucht ein Vierpersonenhauhalt pro Jahr rund 180 bis 200 m3 Wasser. Für einen solchen Haushalt bedeutet das dann pro Jahr Mehrkosten von 160 bis 180 Euro. Für sozial schwächere Haushalte kein Klacks.
Die Betreiber der Wasserverbrauchssteuer erhoffen sich für Wiesbaden mit seinen knapp 300.000 Einwohnern rund 16 Millionen Euro Mehreinnahmen zur Deckung des Haushaltsdefizits. Letzteres liegt bei rund 82 Millionen (Stand Ende 2024): 1,67 Milliarden Einnahmen versus 1,75 Milliarden Ausgaben. Am Rande: Wiesbaden beherbergt derzeit mit rund 40 Millionen Kosten pro Jahr 11.661 Flüchtlinge.
Zwischen 2007 und 2011 hatte es Streit um die Frage gegeben, ob die Wasserpreise in Wiesbaden angemessen oder überhöht waren. Nach Ansicht der Landeskartellbehörde waren die Wiesbadener Wasserpreise von 2007 bis 2011 missbräuchlich überhöht gewesen. ESWE wehrte sich gegen diese Einschätzung – zuletzt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. ESWE heißt lautschriftlich umwerfend kreativ „Stadtwerke Wiesbaden“: also S=Es und W=We. Von den Rügen der Landeskartellbehörde waren ab 2002 in zwölf Kartellverfahren zur Wasserversorgung betroffen: Gießen, Gelnhausen, Oberursel, Herborn, Eschwege sowie Steinbach im Taunus. Bei den Verfahren zu Darmstadt, Gelnhausen und Herborn einigten sich die Versorger freiwillig auf Preissenkungen. In Wetzlar, Frankfurt, Kassel, Wiesbaden und Gießen musste die Landeskartellbehörde eingreifen. Es kam demnach zu Preissenkungsverfügungen im Rahmen von Vergleichen in Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
Zurück zu Wiesbaden. Anfang 2025 einigten sich die Beteiligten außergerichtlich: 17,5 Millionen Euro werden an die Gebührenzahler zurückgegeben. Für jeden Haushalt bedeutet das rechnerisch rund 117 Euro. Die werden aber nicht ausgezahlt, sondern sollen über fünf Jahre verteilt und mit möglicherweise steigenden Wasserpreisen verrechnet werden. Methode: „Linke Tasche – rechte Tasche!“ Die Vergleichssumme solle genutzt werden, um die Trinkwassergebühren stabil zu halten, teilte Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) mit. Außerdem gibt es eine Regelung für ehemalige ESWE-Kunden: Wer zwischen 2007 und 2011 in Wiesbaden gelebt hat und inzwischen weggezogen ist, soll bei Vorlage eines Nachweises eine pauschale Erstattung von 50 Euro pro Jahr der damaligen Kundenbeziehung erhalten.
Fazit: Die Wiesbadener Wassersteuer wird Nachahmer finden. Die Kommunen pfeifen aus dem letzten Loch. Auch weil ihnen der Bund etwa mit seiner Migrationspolitik gewaltige Belastungen zumutet.
Wiesbaden ist auch nicht der erste Fall von Abzocke dieser Art. Seit dem 1. Januar 2022 erhebt die Stadt Tübingen eine Steuer auf Einwegverpackungen. Die „Verpackungssteuersatzung“ gilt als Pilotprojekt: Besteuert wird die Nutzung von Einwegverpackungen wie Kaffeebechern, Pommes-Schalen und Strohhalmen – 50 Cent pro Verpackung und 20 Cent für Einwegbesteck und andere Hilfsmittel.
Das Bundesverfassungsgericht (klar doch!) hat die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen am 27. November 2024 als verfassungskonform bestätigt. Interessant: Mit Stand November 2024 weist Tübingens Haushalt ein Defizit von rund 40 Millionen Euro aus.
Egal also, woher es kommt: „Geld stinkt nicht“ (pecunia non olet) – das war bei der Einführung einer Latrinensteuer die Begründung des von 69 bis 79 herrschenden römischen Kaisers Vespasian.