Willkommen im Steuer-Diner: Landratsamt Weilheim-Schongau baut „Integrationsraum“ mit Jukebox, Bar und Eisdielen-Flair

vor 12 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Rote Polsterbänke, Eisdielenmöbel, ein Barbereich und eine eigene Jukebox – was klingt wie ein Restaurantkonzept für ein American Diner, ist in Wirklichkeit ein Projekt des Landratsamts Weilheim-Schongau zur „Umsetzung eines Integrationskonzepts“. Direkt neben einer Asylbewerberunterkunft wurde eine ehemalige Industrieküche für stattliche 78.000 Euro in einen „Schulungsraum“ mit Retro-Flair umgebaut. Finanziert aus Mitteln des Freistaats Bayern, geplant für „Integrationsmaßnahmen“.

Einrichtung im Stil eines American Diner: Rote Barhocker, Flachbildfernseher, Klavier und Küchentheke.

Besonders brisant: Nachdem NIUS von dem ungewöhnlichen Container-Ausbau zum American Diner erfahren hatte, fragte die Redaktion mehrfach beim Landratsamt nach – zu Kosten, Zielen, Zweckmäßigkeit und politischer Verantwortung. Doch klare Antworten blieben aus. Stattdessen wurde wiederholt ausweichend geantwortet oder gar keine Angaben gemacht. Schließlich veröffentlichte die Lokalpresse – just nach Auslauf der Anfragefristen – einen auffallend wohlwollenden Bericht, in dem das Projekt als vorbildliche Initiative gefeiert wurde – mutmaßlich, um einer kritischen Berichterstattung zuvorzukommen.

Die umgebauten Räume befinden sich in vier zweigeschossigen Containern auf dem ehemaligen WTW-Gelände in Weilheim, das nun als Asylbewerberunterkunft genutzt wird. In der Vergangenheit dienten die Container als Mitarbeiter-Küche auf dem Fabrikgelände. Heute sind sie nach Angaben des Landratsamts ein „Veranstaltungsraum zu Zwecken der Integration von Geflüchteten“.

Von außen unscheinbar: In diesen weißen Containern auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft Weilheim wurde ein ehemaliger Küchenbereich für 78.000 Euro zum Schulungsraum im Diner-Stil umgebaut.

Ungewöhnlich dabei: Anstelle einer funktionalen Büroausstattung wurde ein Retro-Ambiente im Stil eines 60er-Jahre-Diners geschaffen – inklusive Eisdielenmobiliar und Jukebox.

Wie das Landratsamt nach mehrfacher NIUS-Anfrage schlussendlich einräumte, beliefen sich die Gesamtkosten des Projekts auf 78.000 Euro – aufgeteilt in 62.000 Euro für Umbau- und Sanierungsmaßnahmen sowie 16.000 Euro für Einrichtung und Ausstattung. Die Begründung für den auffälligen Stil: Die Möbel seien gebraucht und günstig erworben worden, darunter auch eine komplette Eisdieleneinrichtung für 80 Euro.

Innenausstattung wie aus den 60er-Jahren: Polsterbänke, Jukebox und Bistrotische.

Allerdings liegt NIUS eine Rechnung an das Landratsamt vom Februar dieses Jahres vor, die deutlich macht: Für eine gebrauchte Jukebox wurden rund 1.000 Euro ausgegeben, einschließlich Transport und Aufbau, obwohl es genau diese auch bei Amazon für knapp die Hälfte neu und inklusive Lieferung gegeben hätte. Das wirft Fragen auf – etwa nach der Trennschärfe zwischen „günstiger Secondhand-Ausstattung“ und teureren Einzelanschaffungen. Auf dahingehende Anfrage von NIUS heißt es dazu vom Landratsamt: „Das Sachgebiet hatte sich seinerzeit auf die Informationen der Anzeige verlassen, die eine höhere Qualität versprochen hatten. Aus diesem Grund ging man von einem fairen Preis aus.“

NIUS konnte mit einem Insider, der jahrelang als Dienstleister für das Landratsamt Weilheim-Schongau gearbeitet hat, sprechen.

„Was hier mit Steuergeldern passiert, ist Verschwendung auf höchstem Niveau. In den letzten zwei Jahren hat das komplett überhandgenommen. Früher wurden Wohnungen für Asylbewerber minimalistisch renoviert. Heute wird nur noch nach dem Prinzip ‚Schöner wohnen‘ gearbeitet“, berichtet er gegenüber NIUS.

Noch brisanter ist ein weiterer Vorwurf des Dienstleisters: „Ich wurde mehrfach gebeten, meine Rechnungen in kleinere Einzelbeträge zu splitten, damit sie unter der Freigabegrenze bleiben. Das ist gängige Praxis geworden. Man will offenbar keine Nachfragen von oben.“

Außerdem werden im Gespräch mit NIUS Vorwürfe gegen die aktuelle Verwaltungspraxis laut: „Die neuen Mitarbeiter haben in meinen Augen keinerlei fachliche Kompetenz, was allein schon bei den letzten Ausschreibungen sichtbar ist. Ausschreibungen sowie Angebote werden von den Mitarbeitern so manipuliert, dass immer wieder die gleichen Firmen die Aufträge bekommen.“

Und schließlich erinnert er sich an eine Szene mit einem Vertreter der Behörde: „Mir wurde wörtlich gesagt, ich solle mir keine Gedanken machen, was etwas kostet – das ginge mich nichts an. Dabei geht es hier um Steuergeld.“

Finanziert wurde das Projekt laut Landratsamt vollständig aus Mitteln des Freistaats Bayern. Auf Anfrage von NIUS teilte das Bayerische Innenministerium jedoch mit, man verfüge über „keine eigenen Erkenntnisse“ und verwies auf das Landratsamt. In einer weiteren E-Mail konkretisiert das Bayerische Innenministerium: „Das Innenministerium ist nicht in jede Anmietung, Herrichtung bzw. Ausstattung von Asylunterkünften durch die vor Ort zuständigen Behörden eingebunden.“

Weil das Landratsamt wiederholt keine Auskunft zu Kosten und Beteiligten gab, stellte NIUS am 23. Mai eine juristisch begleitete Anfrage – mit folgendem Wortlaut:

In seiner Antwort auf die juristisch flankierte Anfrage teilte das Landratsamt erstmals die Gesamtkosten des Projekts in Höhe von 78.000 Euro mit und nannte mehrere beteiligte Organisationen.

Als beteiligte Akteure für Fortbildungsveranstaltungen nennt die Behörde: „Caritas, Diakonie für München und Oberbayern, Verein Mensch zu Mensch, Helferkreise, Polizeidienststellen, Berufsfachschule Pflege, Sinti und Roma Verein, benachbarte Landratsämter.“ Ob diese Partner tatsächlich bereits eingebunden sind oder lediglich auf einer Liste potenzieller Beteiligter stehen, bleibt nach weiterer Nachfrage unklar. Statt einer konkreten Antwort verweist das Landratsamt auf den weiter oben erwähnten Presse-Bericht im Weilheimer Tagblatt – darin wird eine bereits abgehaltene Veranstaltung namens „Mieterführerschein“ erwähnt, ebenso wie eine andere im Juli geplante Veranstaltung.

Auf die Bitte um eine Übersicht aller bisherigen Veranstaltungen im „American Diner“ – mit Datum, Thema und beteiligten Organisationen – nennt die Behörde Formate wie Treffen mit Helferkreisen, Abstimmungen zur öffentlichen Ordnung und Arbeitssitzungen mit Behörden. Eine konkrete Terminliste könne man wegen „Urlaub und Außenterminen“ erst Ende der Woche liefern.

Ob Jukebox, Barhocker und Retro-Deko tatsächlich zur Integration beitragen – oder eher ein Fall von fragwürdiger Mittelverwendung sind, muss kritisch hinterfragt werden.

Denn fest steht: Ein Schulungsraum für Integrationsmaßnahmen – mit Tischen, Stühlen, Flipchart und WLAN – hätte überall entstehen können. Im Landratsamt, einem Besprechungsraum oder einem bereits vorhandenen Seminarbereich. Stattdessen entschied man sich für einen Schulungsraum im American-Diner-Stil – finanziert mit 78.000 Euro aus Steuergeldern.

Mit welchem konkreten Ziel bleibt weiterhin offen ...

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