Willkommen in Gotham City

vor 15 Tagen

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Bildquelle: Apollo News

Gotham ist ein dunkler Ort. Entweder ist der Himmel grau bewölkt oder es ist stockdunkle Nacht. Die dystopische Großstadt ist gefährlich und kriminell, die Stimmung in der Bevölkerung hoffnungslos und desillusioniert. Die Politiker sind zum größten Teil korrupt oder verfolgen eigene finstere Pläne.

Die Polizisten des Gotham City Police Departments, die nicht korrupt sind, haben den Kampf gegen die Verwahrlosung und die vielen Verbrechen lange aufgegeben. Die wenigen Polizisten, die sich dem noch entgegenstellen, sind politisch unbeliebt und bekommen keine Rückendeckung. Der Rechtsstaat ist zusammengebrochen.

Die Selbstjustiz, die sich in der Straße breitmacht, verschlimmert die Lage an vielen Stellen noch, doch in manchen Stadtteilen ist die Mafia das Letzte, das für eine – wenn auch brutale und zum Teil willkürliche – Ordnung sorgt. Die größte Gefahr geht jedoch von den Insassen des Arkham Asylums aus. Die Psychiatrie ist ein regelmäßiges politisches und gesellschaftliches Thema.

Mal brechen die Insassen dort aus, mal werden sie gezielt entlassen, oft radikalisieren und organisieren sie sich erst dort. Jeder große Verbrecher von Gotham ist in irgendeiner Weise psychisch krank und saß mindestens einmal im Arkham Asylum ein. Schnell ausgesprochen klingt Gotham City wie „goddamned city“, also „von Gott verdammte Stadt“, ein Aptronym.

Gotham City wurde New York nachempfunden. Bill Finger, der Autor der ersten Batman-Hefte, gab der Stadt einen fiktiven Namen, damit sich jeder in jeder Stadt mit ihr identifizieren kann. In Deutschland gibt es auch ein Gotham. Ich wohne mittendrin.

Klar, hier scheint manchmal die Sonne und der örtliche Auftragsmörder hat keinen so bezeichnenden Namen wie „Mortimer Kadaver“. Doch überschwemmt, ja nahezu überrannt von Menschen, die eigentlich in die Psychiatrie gehören, ist Berlin auch. Wenn nicht sogar noch mehr.

Im Winter dachte ich, das sei ein Problem der kalten Jahreszeiten. Man konnte keine S-Bahn, kein einziges Abteil betreten, ohne dass einem der süßliche Geruch der Verwesung entgegenschlug. Viele Obdachlose haben so schwere Wunden, dass ihnen förmlich die Gliedmaßen absterben. Auf den Treppen jeder S- oder U-Bahn-Station saßen die Grüppchen von Junkies mit ihren Crack-Löffeln um ein Feuerzeug herum.

Jetzt im Sommer ist es noch viel schlimmer. Die Wärme zieht sie in die Straßen und Wohngebiete. Auf den vielen Bänken, die die Berliner Bezirksämter als Maßnahme gegen Autos auf die Parkplätze stellen ließen, schlagen sie ihre Lager auf. Geht man an einem warmen Tag durch das richtige Kiez von Berlin, ist ungefähr jeder fünfte Passant, den man sieht, ein vollkommen verwahrloster und psychotischer Junkie.

Wenn man sich an die Gerüche von sämtlichen Körperflüssigkeiten, die sie sich nie abwaschen, gewöhnen könnte, wäre es fast schon faszinierend zu beobachten, wie strukturiert Menschen, die sich so vollkommen aus der Zivilisation gelöst haben, immer noch sind.

Wer etwa öfter mal in der U-Bahn fährt, hat sicher schon mal Kontakt mit Stinky gemacht. Stinky ist stadtbekannt als der örtliche Obdachlose, der mit seinem Rollstuhl die U-Bahnen abklappert und dabei eine Spur von nicht zuzuordnender Flüssigkeit nach sich zieht. Seinen Namen hat er nicht umsonst. Ich überlasse Ihrer Fantasie, wie er es geschafft hat, dass man ihm – im Vergleich zu all den anderen völlig verwahrlosten Obdachlosen, die Berlin zu bieten hat – ausgerechnet seinen Gestank als unverwechselbares Attribut zugesprochen hat.

Wer eher mit der S-Bahn fährt, hat einen unerschöpflichen Pool an Stammgästen, die nicht minder unvergesslich sind. Eine ältere Frau etwa, die jeden ankreischt und mit ihrem Rollator bedroht, der es wagt, an ihr vorbeizugehen. Oder der Mumienmann, der nur noch Fetzen von Kleidung trägt und seine Lieblingsbeschäftigung darin gefunden hat, zu masturbieren und dabei bestimmte Frauen versessen, mit bestialisch verzogenem Gesicht anzustarren.

Auf der Warschauer Brücke sitzt das ganze Jahr über, egal zu welcher Jahreszeit, ein Mann um die 40, dessen Gesicht genauso knallrot wie seine Finger abgestorben schwarz sind. So hockt er da, die Augen auf einen Punkt in der Ferne gerichtet und bewegt sich fast nie. Im Winter trägt er einen Anorak und lange Hose. Im Sommer ist das Outfit seiner Wahl ein lila Frauennachthemd.

Direkt nebenan hat ein selbst ernannter Künstler seine „Galerie“ aufgebaut. Treuen Lesern dieser Kolumne ist er und meine Privatfehde bereits bekannt. Inzwischen hat er sich offenbar hauptberuflich darauf spezialisiert, tagtäglich Müll mit hypersexuellen Sprüchen und Wörtern zu beschmieren und auf einem kleinen Platz an den Fahrradständern „auszustellen“.

Von Forderungen wie „Blowjobs for the homeless“ bis „Be my cumslut“ ist da nach wie vor alles dabei. Inzwischen hat er allerdings auch ganz neue Eskalationsstufen erreicht. So etwa kürzlich ein Schild mit der Aufschrift „To your children!!! I will fuck them. Bukkake Anal Gangbang 24h“. Doch auch trotz pädophiler Vergewaltigungsfantasien und grundsätzlich einer besorgniserregend fanatischen Sexualobsession hat das Berliner Ordnungsamt inzwischen vor ihm kapituliert. Jedenfalls werden seine „Werke“ nicht mehr entfernt.

Am Potsdamer Hauptbahnhof hat sich ein Obdachloser angesiedelt, der schon seit Jahren nur noch auf (den immer gleichen) Socken laufen muss, dem Grad, in dem die schon mit seinen Füßen verwachsen zu sein scheinen, nach zu urteilen. Seine Hände sind immer schmutzig, als hätte er kürzlich etwas vergraben oder ausgebuddelt, was ihn nicht davon abhält, sie konstant ins Gesicht zu reiben.

Er hält sich immer an Glasscheiben, was einen praktischen Grund hat: Sonst könnte er immerhin nicht mehr mit seinem Spiegelbild sprechen. Die beiden pflegen eine dysfunktionale Beziehung. Das Spiegelbild scheint sein erheblich dümmerer, aber treuer Begleiter zu sein. In der einen Minute brüllt er ihn noch für seine Inkompetenz an („Muss ich denn wirklich alles alleine machen?“), in der nächsten erzählt er ihm über die unordentliche Wohnung eines gemeinsamen Bekannten an und kündigt an: „Ich zeig dir das nachher! Da schlägst du die Hände über dem Kopf zusammen, ich sach`s dir. Unglaublich!“

Wer am Lausitzer Platz in einem Restaurant um diese Jahreszeit draußen sitzen will, sollte sich möglichst so setzen, dass er den Platz im Überblick behält. Denn manchmal macht dort die Rucksacklady ihre Runden. Die gefühlt zwei Meter große schwarze Frau mit rosa Rucksack geht zweistufig vor. Erst macht sie ihre erste Runde, bei der sie die Restaurants abklappert und aggressiv um Geld für Essen bettelt. Wenn sie da nichts bekommt, nimmt sie die Sache in ihrer zweiten Runde in ihre eigenen Hände.Mir ist es jedenfalls schon mal passiert, dass sie sich von einem Nachbartisch eine Gabel nahm, mit der gezückt auf mich losstürmte und dann in meiner Suppe herumstocherte. Als sie weg war, kam der Restaurantbesitzer aus dem Laden und meinte: „Alles in Ordnung? Sie können froh sein, dass sie Sie nicht geschlagen hat.“

Eiternde Fleischwunden, schwarz verweste Gliedmaßen, seltsame Ausschläge, entzündete Einstichstellen – wer in Berlin wohnt, hat wahrscheinlich schon Schlimmeres gesehen, als so mancher Dorfarzt. Und grundsätzlich hätte ich nie erahnen können, dass es an einem Ort, der nicht die Klapse ist, so viele Psychotiker geben kann. Der eine redet mit seinem Spiegelbild, der nächste schießt mit einem unsichtbaren Sturmgewehr auf vorbeilaufende Menschen, ein anderer sucht den Goldschatz seiner verstorbenen Mutter. Die ganze Stadt hat vor diesem Wahnsinn kapituliert.Man meidet S-Bahnen und öffentliche Plätze, lässt sich ihr Verhalten aus Angst um die eigene Sicherheit gefallen und ist täglich damit beschäftigt, irgendwelche Irren zu besänftigen. Wenn sie sich erstmal in deiner Straße oder noch schlimmer deinem Treppenhaus eingenistet haben, dann hat man nur noch zwei Optionen: Damit leben oder fliehen.

Berlin ist ein offenes Irrenhaus und das ist in keiner Weise übertrieben. Der fast noch schlimmere Anblick sind die Junkies, die vollkommen normal aussehen. Einmal habe ich einen Mann gesehen, der vor wenigen Wochen wohl noch attraktiv war, seine Kleidung war ordentlich und noch sauber, doch er saß am Straßenrand, mit völlig entgleisten Gesichtszügen und bettelte um Geld für Drogen.

Ein anderes Mal habe ich eine Frau, etwa Anfang 50, in einer U-Bahn-Station gesehen. Ihr Haar war leicht zerzaust, doch mit einer Haarklammer hochgesteckt, sie trug eine saubere Strickjacke. Sie sah aus wie eine Empfangsdame bei einem Zahnarzt oder eine Bibliothekarin. Doch da saß sie mitten im Dreck und teilte sich mit einem vollkommen verwahrlosten Mann einen Cracklöffel.

In diesen Momenten fühlt man sich wirklich wie in Gotham, nicht metaphorisch, und es fühlt sich an, als würde eine Seuche mitten durch die Gesellschaft ziehen. Der Drogenkonsum und die unter anderem dadurch ausgelösten Psychosen sind ein systematisches Problem in Berlin. Lebt man nicht in einem Kiez, in dem die Clans für „Ordnung“ sorgen, oder in einem Randbezirk, ist man jeden Tag damit konfrontiert. Noch weit mehr als durch jedes andere Sicherheitsproblem, das es in Deutschland gibt.

Ich kann mich wirklich nicht an den letzten Tag erinnern, an dem ich nicht mindestens einen Menschen gesehen habe, der mit sich selbst gesprochen hat oder irgendeine andere extreme psychische Auffälligkeit hatte. Doch anders als in Gotham, wird das in Berlin überhaupt nicht thematisiert. Meine Kollegin Pauline Schwarz kann die Hintergründe dieses Problems sehr viel besser erklären als ich. Immerhin hat sie klinische Psychiatrie studiert und jahrelang in einem Betreuungsbüro mit psychisch kranken Menschen gearbeitet. In ihrem Video „Deutschland in der Blutwoche“ können Sie mehr darüber erfahren, was passiert, wenn Psychotiker zu Messern greifen.

Es ist für beide politische Lager ein unliebsames Thema. Die Linken halten das Problematisieren von psychischen Krankheiten, Drogenkonsum und Obdachlosigkeit für menschenfeindlich. Die Rechten halten es für eine Ablenkung und Verharmlosung der islamistischen Ausländerkriminalität. Dabei haben wir es hier mit einem Problem zu tun, das beide interessieren sollte. Denn es ist nicht progressiv, Menschen der Verwesung bei lebendigem Leibe zu überlassen. Und es ist nicht konservativ, ganze Städte der Verwahrlosung zu überlassen.

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