
Während Politik und Projektierer den Ausbau der Windkraft in NRW als Erfolg verkaufen, wächst im Schatten der Windräder der Unmut. Über 1.000 neue Anlagen sind bis 2027 genehmigt – ermöglicht durch milliardenschwere Subventionen, politische Kehrtwenden und sinkende Hürden für Investoren. Doch wer profitiert wirklich vom Windkraft-Boom? Und was bleibt für die Bürger, die Landschaft und die Versorgungssicherheit? Der Windkraft-Experte Thomas Mock warnt vor einem Goldrausch auf Kosten der Allgemeinheit – und erklärt, wie eine politisch gewollte Umverteilung von unten nach oben funktioniert.
NIUS: Über 1000 Windräder sind bis 2027 genehmigt. Auch 2024 gab es ein neues Rekordhoch an Genehmigungen. Ist da gerade Goldgräberstimmung in NRW?
Thomas Mock: Ja, so kann man es sagen. Es kommen aber zwei Dinge zusammen, die es besonders zugespitzt haben in NRW. Erstens: die von Habeck veranlasste Erhöhung der Vergütung für EEG, die für Wind aus Onshore-Anlagen um 25 % erhöht wurde. Seitdem haben die Projektierer sehr viel mehr Geld zur Verfügung, um ihre Interessen durchzusetzen. Und auf der anderen Seite eben die schwarz-grüne Regierung, die in NRW erhebliche Veränderungen vorgenommen hat. Nur ein Beispiel: Wüst hat gesagt, es bleibt bei 1000 Metern Abstand zur Wohnbebauung. Und nach der Wahl hat er es gekippt. Das sind natürlich massive Eingriffe und auch Optionen für die Windindustrie, für die Projektierer vor allen Dingen. Und wenn solche politischen Veränderungen und das Geld zusammenkommen, dann herrscht natürlich dementsprechende Goldgräberstimmung.
Trieb den Ausbau massiv voran: Robert Habeck
Wenn das Geld vorhanden ist, dürfte auch die Umsetzung bis 2027 gelingen oder?
Ja, so ist es. Also man muss sich vorstellen, heute werden ja nur noch sehr, sehr große Anlagen errichtet. Es hat ja eine großen Leistungsexplosion gegeben bei den Windanlagen von inzwischen sechs bis acht Megawatt. Und die bekommen in 20 Jahren eine Vergütung von etwa 40 Millionen Euro, gerechnet anhand der EEG-Vergütung, die in NRW üblicherweise gezahlt wird. Eine Windkraftanlage mit einer Leistung von sieben Megawatt kostet ungefähr sieben Millionen Euro – häufig sogar deutlich weniger. Gleichzeitig bringt eine solche Anlage über einen Zeitraum von 20 Jahren etwa 40 Millionen Euro an Einnahmen. Das ist wirtschaftlich so attraktiv, dass sich das kaum ein Projektierer entgehen lassen wird. Sobald eine Anlage genehmigt ist und von der Bundesnetzagentur die EEG-Vergütung garantiert bekommt, wird niemand mehr freiwillig auf den Bau, den Betrieb – und damit auf die hohen Erträge – verzichten.
Deutlich mehr installierte Leistung und das auch noch pünkltich. Ist doch prima, oder?
Ja, auf den ersten Blick sieht es immer schön aus. Das Problem ist nur: Die Windanlagen drehen sich nicht, wenn der Wind nicht weht. Und das ist relativ häufig der Fall. Im Binnenland ist es so, dass von 8760 Stunden im Jahr bei Windrädern von Volllaststunden von etwa 1500 bis 2500 Betriebsstunden ausgegangen wird. Diese Diskrepanz ist auch mit Solar nicht zu verkürzen. Mit anderen Worten: Je mehr ich Anlagen zu baue, desto weniger sicher wird das Netz. Es ist so, dass die Übertragungsnetzbetreiber seit Jahren Milliarden investieren, um Blackouts (landesweit) oder Brownouts (lokale Abschaltung) vorzubeugen. Wenn wir also vor Jahren davon gesprochen haben, dass möglicherweise Blackouts eintreten durch die Windanlagen, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen, dann wird zunächst gesagt: „Ja, aber wo bleibt denn der Blackout? Er ist ja immer noch nicht da.“ Ja klar, weil Milliarden investiert wurden, um eben Vorbeugemaßnahmen in den Netzen einzubauen, damit es nicht dazu kommt. Mit anderen Worten: Auch diese Vorbeugemaßnahmen führen zu erheblichen weiteren steigenden Kosten.
Solarenergie allein könne keine Ergänzung zur Windenergie sein, sagt Mock
Die Bundesregierung hat aber innerhalb des Milliardenpakets für Infrastruktur angekündigt, auch die Speichermöglichkeiten zu erhöhen. Löst das die Probleme nicht auf?
Diese Batterien sehen nach viel aus, aber sie können nur relativ wenig Strom speichern. Das sind immer nur wenige Stunden, wenn überhaupt, und dann nur für kleine Bereiche. Außerdem gibt es zwei weitere große Probleme. Erstens verursachen Ein- und Ausspeisen Verluste von meist 20–30 %. Am Ende sind oft höchstens noch 50 % des ursprünglich gespeicherten Stroms nutzbar – Batterien sind regelrechte Stromvernichter. Zweitens: Wegen mangelhafter Netze haben nicht nur Wind- und Solaranlagen, sondern auch Batterien Probleme bei der Netzanbindung. Deshalb entsteht ein Wettbewerb um Anschlussplätze – etwas, das eigentlich nicht normal sein sollte. Die Netze sind komplett überlastet. In manchen Regionen gibt es jahrelang keine Anschlussmöglichkeit, sodass Batterien nur begrenzte Aussichten bieten und bestenfalls kleinen Bereichen helfen. Und als letzte Anmerkung zu Batterien: Wenn man sieht, mit welchen unglaublichen Rohstoffen die Batterien gefüttert werden, also welche Rohstoffe in Tagebauen, die keinerlei westeuropäischen Standards entsprechen, die Umwelt zerstören und ähnliche Dinge, dass diese Rohstoffe dann für die Batterien hier in Deutschland eingesetzt werden und von grünem Strom gesprochen wird, ist eine Irreführung der Verbraucher.
Wenn wir jetzt ein Zwischenfazit ziehen, heißt das: Der Bürger bekommt keine sicherere Energieversorgung, muss aber durch sein Steuergeld und die EEG-Förderung trotzdem weiter bezahlen. Wenn also schon nicht der Bürger profitiert, wer denn dann?
Am meisten profitiert auf jeden Fall der Projektierer. Man muss sich das so vorstellen: Der Projektierer sichert sich Grundstücke, oft gegen Wettbewerber, und bekommt dann beim Kreis die Genehmigung und bestellt parallel die Anlagen beim Hersteller. Dann wird die Anlage errichtet und in der Regel verkauft, um schnell Gewinn zu machen. Der Projektierer steuert also das Gesamtprojekt, um eine möglichst hohe Rendite für sich zu erwirtschaften. Bei Anlagen heutiger Größenordnung sind das mehrere Millionen Euro Gewinn pro Windrad.
Sonst profitiert niemand?
Jemand, der halbwegs mitspielen kann, ist der Grundstückseigentümer. Ohne ihn geht es nicht. Doch viele Landwirte sind sich dessen nicht bewusst und verpachten die Flächen für zu niedrige Beträge. Sehr bedauerlich, denn die möglichen Riesengewinne sollten zumindest sozial verteilt werden, was aber nicht passiert. Unabhängig davon wird das EEG ohnehin als viel zu hoch gefördert angesehen. Am Ende profitieren meistens nur der Projektierer und vielleicht der Grundstückseigentümer. Die späteren Betreiber, etwa bei Bürgerbeteiligungen, verdienen so gut wie nichts. Das ist Augenwischerei. Ein Beispiel: Bürger, die sich an Windanlagen beteiligen, tragen das volle Insolvenzrisiko und können ihr ganzes Geld verlieren. Wenn Sie das Geld bei einer Bank anlegen, ist es bis zu 100.000 € durch die Einlagensicherung geschützt. Bei Windanlagen gibt es keine solche Garantie. Das eingesetzte Kapital kann komplett weg sein.
Für die Bauern lohnt sich die Verpachtung der Windrad-Flächen mehr als andere Nutzungsmöglichkeiten
Was könnte den Steuerzahler der Ausbau denn kosten?
Wenn man heute zum Beispiel im windreichen Sauerland eine sieben MW-Anlage aufstellt, kann sie rund 20 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr produzieren. Legt man 0,09 bis 0,10 € pro kWh zugrunde, ergibt das über 20 Jahre etwa 40 Millionen Euro pro Anlage – grob gerechnet. Rechnet man diese 40 Millionen Euro auf die rund 1.500 Anlagen hoch, die in den letzten drei Jahren genehmigt wurden, kommt man auf über 50 Milliarden Euro Subventionen, die letztlich die Verbraucher zahlen müssen. Dazu kommen mindestens weitere 50 Milliarden Euro Netzentgelte, die für die notwendigen Anschlüsse und die Infrastruktur der Windanlagen anfallen, und die ständig steigen. Diese Netzkosten sind zwingend den Anlagen zuzurechnen, denn ohne Leitungen, Infrastruktur und Systemtechnik produziert keine Windanlage Strom, es handelt sich also um Systemkosten, nicht um reine Anlagenkosten. So kommt man in den nächsten 20 Jahren auf knapp 100 Milliarden Euro, nur für die 1.500 Anlagen, die in NRW in den letzten drei Jahren genehmigt wurden. Dieses Geld ist keine Wertschöpfung, sondern reines Subventionsgeld, das keinen nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzen bringt und die Industrie in NRW zahlt den Preis: Der Strom wird zu teuer, Unternehmen wandern ab oder müssen schließen, mit anderen Worten, es ist ein doppeltes Verlustgeschäft.
Mit welchen Auswirkungen?
Es gibt zwei Gesamtwirkungen, die sehr, sehr beunruhigend sind. Seitdem das EEG existiert, heißt es, die Industrie habe sehr viel CO2 eingespart. Aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass diese Einsparungen in der Industrie fast ausschließlich dadurch zustande kamen, dass Betriebe geschlossen wurden oder ins Ausland gingen. Die tatsächlichen Einsparungen in Deutschland durch Effizienzsteigerungen oder Modernisierungen sind marginal, der Großteil der CO2-Reduktion basiert auf Verlagerung und Stilllegung von Anlagen . Das ist sehr beunruhigend, weil wir uns hinsichtlich des Klimanutzen erneuerbarer Anlagen etwas vormachen. Hinzukommt, dass Wind- und Solaranlagen heute fast ausschließlich aus China stammen, einschließlich der Materialien und Komponenten. Da stellt sich die Frage, ob wir künftig abhängiger von China werden können, als wir es je von Russland waren. Beunruhigender ist für mich tatsächlich aber die Folge des EEG für Landwirtschaft und Nahrungsmittelpreise, weil sowohl Biomasse als auch Solar- und Windanlagen im landwirtschaftlichen Bereich Flächen beanspruchen, Solar viel, aber auch Windanlagen. Die Flächen gehen so verloren für die Landwirtschaft. Seit 2022 die Vergütung stark gestiegen ist, bin ich sehr beunruhigt, denn aufgrund hoher Pachtenanforderungen, die Landwirte stellen und teilweise auch durch gute Verhandlung erhalten, sind die Pachten dramatisch gestiegen. Landwirte zahlen insgesamt deutlich mehr.
Windräder werden in Zukunft immer größer und kostspieliger
Was bedeutet das für den Pachtflächen-Markt?
Es ist jetzt zu beobachten, dass diejenigen, die über EEG Flächen verpachtet haben, so hohe Einnahmen erzielen, dass sie den Nachbarn Pachtgrundstücke durch höhere Pachtgebote wegnehmen können, auf die der Nachbar eigentlich angewiesen ist, um seinen Betrieb wirtschaftlich zu betreiben. Ein Landwirt hat in der Regel 50 % Eigentum, 50 % gepachtet. Diese Pachtverträge, wenn sie auslaufen, gehen verloren. Deshalb existiert eine erhebliche Auseinandersetzung innerhalb der Landwirtschaft, wie es da weitergeht, weil Landwirte mit vielen Wind‑, Solar- oder Biomasseanlagen und dadurch großen EEG-Einnahmen wettbewerblich allen anderen weit voraus sind und quasi alle anderen zwingen, solche Anlagen auf ihrem Grundstück zuzulassen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können, auf Augenhöhe, sonst gehen sie unter oder werden von den anderen aufgekauft. Das EEG führt zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Landwirtschaft.
Spürt das auch der Verbraucher?
Diese hohen Pachten und Kosten müssen weitergegeben werden an die Verbraucher, das heißt die Milch, die Butter, all das ist in letzter Zeit teurer geworden, weil die landwirtschaftlichen Kosten dramatisch gestiegen sind, da das EEG diese treibt. Am Ende kann man sagen, ein Großteil der steigenden Nahrungsmittelpreise ist auf das EEG zurückzuführen. Das ist dramatisch, weil Verbraucher inzwischen mehrfach zur Kasse gebeten werden: Erstens durch steigende Strompreise, zweitens durch die CO2-Steuer, mit der das EEG mitfinanziert wird, denn fossile Energien wie Gas, Öl, Benzin und Diesel sind durch die CO2-Steuer belastet, und drittens über höhere Lebensmittelpreise. Die Verbraucher tragen also vielfältige Lasten – das wird in Diskussionen selten objektiv dargestellt. Diese Gesamtbelastung ist beunruhigend, vor allem in Hinblick auf sozial benachteiligte Gruppen mit niedrigerem Einkommen. Letztlich führt das zu einer Umverteilung von unten nach oben. Durch das EEG sind in Deutschland zahlreiche Milliardäre und hunderte Millionäre entstanden, während die breite Bevölkerung gezwungen ist, diese unangemessen hohen Übergewinne mitzufinanzieren – bis hinein in den Lebensmittelbereich. Das ist absolut beunruhigend und leider kaum thematisiert.
Friedrich Merz bei der Besichtigung des Windparks in Sundern
Wo in NRW ist der Ausbau besonders alarmierend?
Ich war vor einer Woche in der Nähe von Sundern, im Wahlkreis von Friedrich Merz. Dort wird ein Windpark mit 14 Anlagen in ein Waldgebiet gebaut. Es ist unglaublich, was da passiert: Baufahrzeuge, tausende LKW-Bewegungen, Müllkippen – pro Anlage riesige Flächen, etwa zwei Fußballfelder, müssen im Wald plattgemacht werden, ganze Hügel umgegraben, um Platz zu schaffen. Die Leute vor Ort tun mir wirklich leid. Dann gibt es noch das Paderborner Land, wo hunderte Anlagen aufgrund der starken Windverhältnisse stehen. Auch in der Eifel, bis 600 m hoch, sind inzwischen hunderte Windräder installiert. Und im Münsterland prägen viele Anlagen das Landschaftsbild, obwohl gerade die Münsterländer Landschaft mit Einzelhöfen, Wasserburgen und historischen Dörfern eigentlich etwas anderes ist. Dass jetzt alles vollgebaut wird, daran kann man sich kaum gewöhnen. Das Heimatgefühl und die Gemeinschaft sind stark gefährdet, wenn bald 250 bis 285 Meter hohe Anlagen in solchen Landschaften stehen. Das passiert jetzt ja erst, die genehmigten Anlagen sind bislang erst im kleinen Umfang gebaut. Zweihundert Meter hohe Türme in zersiedelten Kulturlandschaften — daran kann man sich wirklich nicht gewöhnen.
Was müsste sich dann also ändern?
Ich persönlich präferiere, dass man zur Ausgangssituation von vor drei Jahren, also Ende 2022, zurückkehrt – also eine Regelung von etwas über 0,05 € statt der jetzigen fast 0,09 € pro kWh. Dann hätten wir wieder eine vernünftige Diskussion und ein vernünftiges Miteinander, weil das Geld dann nicht mehr die prioritäre Rolle spielt wie derzeit.
Man sieht das zum Beispiel an vielen Waldbesitzern – Grafenfamilien – die ihre Wälder jetzt für Windanlagen öffnen. Ich habe mit fünf oder sechs solcher Familien über Bürgerinitiativen zu tun, sie wollen ihre großen Wälder zu Geld machen. Ich bin der Auffassung, diese Familien haben eine gemeinnützige Verpflichtung mit ihren Wäldern, und es kann nicht sein, dass sie alles mit Windanlagen plattmachen, um Milliarden auf Kosten der Einwohner zu verdienen. Hier müssen wir an der Geldspirale drehen, sie muss runter.