Verfallende Windräder: Ruinen schaffen ohne Waffen

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Nach mehr als 25 Jahren „Energiewende“ gibt es immer noch kein belastbares Zielbild eines realistisch funktionierenden künftigen Stromsystems. Ebenso für die Wärmeversorgung. Das große Ziel der Dekarbonisierung bis 2045 wird nicht von durchdachten Teilprojekten untersetzt. Es gilt ein schlichtes „immer mehr“ an so genannten Erneuerbaren, das den Blick auf ein funktionierendes Gesamtsystem eher verhindert als befördert. Zunehmend kommen auch alte „Erneuerbare“-Anlagen an ihr Lebensende. Was passiert mit ihnen?

Die Formulierung „Ruinen schaffen ohne Waffen“ ging unter der DDR-Bevölkerung um, wenn der Zustand der Wohnbauten beschrieben werden sollte. Die dauerhafte Mietpreisbremse für staatlichen und privat vermieteten Wohnraum, der permanente Mangel an Handwerkern und Material und die Konzentration der Kapazitäten auf Berlin, Hauptstadt der DDR, führten zu Tristheit und Verfall in den Bezirken. Ganze Innenstädte verfielen und entvölkerten sich, Plattenbausiedlungen an den Rändern der größeren Städte sollten Abhilfe schaffen.

Die politische Wende und der Beitritt zum damals noch marktwirtschaftlichen System der BRD änderten nach einigen Jahrzehnten das Bild völlig. Selbst Quartiere, für die die Abrissbirne und der Bagger die einzige Lösung schienen, erstrahlen heute in neuem Glanz. Zu besichtigen in Görlitz, Quedlinburg, Dresden und vielen anderen Städten.

Heute nimmt die Zahl von Ruinen anderer Art zu. Der Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen im vergangenen Jahr und eine Rekordzahl von Insolvenzen sorgen für Brachen und Industrieruinen, die die nur wenigen Neuinvestitionen deutlich überwiegen. Selbst die so genannten „neuen“ Energien, die uns als Zukunftshoffnung präsentiert werden, bringen zahlreiche Ruinen hervor. Wie von vielen vorhergesagt, bleibt ein großer Teil der stillgelegten Windkraftanlagen (WKA) einfach stehen und wird nicht rückgebaut.

Nach einem Bericht der Lausitzer Rundschau wurden Stand Mai 2025 in Brandenburg in den zurückliegenden fünf Jahren 195 WKA stillgelegt, aber nur 86 zurückgebaut. Sie gelten als stillgelegt, wenn der Betreiber sie abmeldet oder über durchgehend 12 Monate kein Strom erzeugt wurde. In der Uckermark ist die Lage besonders augenfällig. Im selben Zeitraum wurden hier 76 Anlagen vom Netz genommen und nur 21 demontiert. Die Bauordnungsämter der Kreise erhalten dazu vom zuständigen Landesumweltamt nicht einmal eine Mitteilung.

Auch dies ist ein Spruch aus realsozialistischer Vergangenheit. Die Rückbauverpflichtung für WKA gilt erst seit 2004 und ist länderspezifisch verschieden geregelt. Generell gilt das Baugesetzbuch des Bundes (BauGB), das den vollständigen Rückbau vorsieht und die Herstellung des vorherigen Zustandes. Dazu gehört auch die vollständige Entfernung des Fundaments, die Entsiegelung der Fundamentfläche sowie der Schwerlaststraßen und Montageplätze. Weiterhin gelten das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) für Anlagen mit mehr als 50 Metern Nabenhöhe, das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG), das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das Chemikaliengesetz (ChemG) bezüglich des SF6-Gases in den Schaltanlagen, das nach Chemikalien-Klimaschutzverordnung (ChemKlimaschutzV) vom Hersteller dieser zurückzunehmen ist. Für Elektro- und Elektronikgeräte in WKA gilt das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG), es enthält spezielle Regelungen bezüglich einer erweiterten Herstellerverantwortung. Weiterhin gelten die Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV), die Baustellenverordnung (BaustellV), die Altölverordnung (AltölV) und mit der Mantelverordnung (Ersatzbaustoffverordnung) ein Paket mehrerer aufeinander abgestimmter Verordnungen, die Regelungen zum Beispiel über den Bauschutt beinhalten. Einige Verwaltungsvorschriften des Bundes gelten auch für den Rückbau: die TA (Technische Anleitung) Lärm und die AVV (Allgemeine Verwaltungsvorschrift) Baulärm.

Dann kommen länderspezifische Regelungen hinzu. Rückbauverpflichtungen sind untersetzend geregelt in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Sachsen. In Bayern werden nur die Bundesregelungen erwähnt, in Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland gibt es keine. Fast alle Länder bestehen auf vollständigem Rückbau gemäß BauGB. In Schleswig-Holstein wird „grundsätzlich ein vollständiger Rückbau angestrebt“, „in der Regel“ müsse das gesamte Fundament entfernt werden. Das lässt offensichtlich Ausnahmen zu wie etwa den Rückbau der Fundamente nur bis unter die Geländeoberkante. Festlegungen zum Rückbau sind zum Teil auch in den so genannten Windenergieerlassen der Länder enthalten.

Wer überwacht die stillgelegten und herumstehenden und verrostenden Anlagen? Wer überwacht den Rückbau? Eine TÜV-Überwachung gibt es nicht, obwohl die WKA Bauwerke beachtlicher Höhe sind. Ebenso gibt es keine behördliche oder brancheninterne Unfall- oder Havariedatenbank. Verantwortlich sind die Landesumweltämter, die offensichtlich bezüglich der Standsicherheit aber nicht aktiv werden. Zwei kleinere Anlagen bei Zossen (Brandenburg), Baujahr 1992, wurden unter Denkmalschutz gestellt, wodurch der Rückbau entfällt. Das ist eine Ausnahme und auf die Vielzahl der stillgelegten Anlagen nicht anwendbar. Früher ließen sich kleinere Anlagen noch demontieren und ins Ausland verkaufen, was mit zunehmender Anlagengröße nicht mehr durchführbar ist.

Nach der Antwort der brandenburgischen Ministerin für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, Hanka Mittelstädt, auf eine Kleine Anfrage im Landtag liegen keine vollständigen Daten über den Rückbau vor. Es erfolgt keine statistische Erfassung einzelner Daten. Zuständig wäre das Landesamt für Umwelt (LfU), jedoch heißt es weiter: „Informationen über den tatsächlichen Rückbau werden dort mangels Zuständigkeit für die Überwachung des Rückbaus nur sporadisch bekannt. Die angegebenen Zahlen sind daher nur eingeschränkt belastbar.“ Auch zu den durchschnittlichen Kosten des Rückbaus oder von Teilleistungen gäbe es keine Angaben.

Offensichtlich sind die Zuständigkeiten auf Landesumweltämter, Bauämter, gegebenenfalls auch Forstämter unklar verteilt. In Brandenburg jedenfalls bedurfte es sogar einer Kleinen Anfrage im Landtag, dass die Zahl der stillgelegten Anlagen überhaupt bekannt wurde, auch der zuständigen Baubehörde. Es erfolge nur eine stichprobenartige Überwachung durch die Behörden, was der Umgehung der Gesetze und Vorschriften Tür und Tor öffnet. Eine Fundamentgrube lädt vor ihrem Zuschütten geradezu zum Versenken von Abfall ein. Entsorgungsnachweise lassen sich für den Fall von Behördenkontrollen organisieren. Das soll kein Generalverdacht sein, aber Abbruchfirmen unter Zeitdruck entwickeln zuweilen eine eigene Dynamik, zumal im Wissen um behördenübliche Arbeitszeiten und nur stichprobenartige Kontrollen. Eine vorzulegende vollständige Abfallbilanz ist nur in Sachsen-Anhalt notwendig.

Dringend nötig wären bundeseinheitliche Regelungen und eine lückenlose Überwachung aller Rückbauaktivitäten dokumentarisch und vor Ort. Die Aktivitäten und Informationsflüsse zwischen den Behörden könnten zum Beispiel durch eine Stabsstelle Rückbau in den Landesumweltämtern organisiert werden. Der Aufwand wäre über Gebühren den Eigentümern der rückzubauenden WKA zuzurechnen.

Die Länder sichern sich bezüglich der Rückbaukosten ab. Das soll verhindern, dass die Kosten der öffentlichen Hand zur Last fallen, wenn die Eigentümer, aus welchem Grund auch immer, nach der Betriebszeit der Anlagen zahlungsunfähig sind. Sicherheiten können durch die Investoren durch Bankbürgschaft oder andere Sicherungen (Ausfallversicherungen, Hinterlegung von Geld) geleistet werden, sie sind landesrechtlich verschieden, es gibt keine einheitliche Berechnungsformel. Hier einige Beispiele:

Die Anlagen sind in der Regel von den Herstellern für eine Betriebszeit von 20 Jahren ausgelegt, weil dann nach Auslaufen der EEG-Förderung ohnehin kaum ein wirtschaftlicher Betrieb mehr möglich ist. Kohlekraftwerke kommen locker auf 50 Jahre Laufzeit, Kernkraftwerke auf bis zu 80. Selbst wenn es möglich wäre, Atomstrom durch Windstrom zu ersetzen, bräuchte man, Stand heute, vier Generationen an WKA, um ein einziges Kernkraftwerk zu ersetzen. Diese Materialschlacht ist theoretisch wie auch praktisch nicht umsetzbar, wie Professor Vahrenholt vor kurzem darstellte.

Die Rückbaukosten der Zukunft sind unklar. Die fachgerechte Entsorgung der Rotorblätter wird aufgrund der anfallenden großen Menge teuer werden, bis 2030 werden es nach Branchenangaben etwa 20.000 Tonnen pro Jahr sein, in den dreißiger Jahren sogar 50.000 Tonnen. Die Fundamente müssen nicht nur entfernt, die Löcher müssen auch mit Boden verfüllt werden inklusive eines naturnahen Bodenaufbaus. Der Energieaufwand für den Rückbau ist erheblich, die steigende CO2-Bepreisung (für den Diesel) wird die Preise treiben. Ein gesetzeskonformer Rückbau bedeutet eine sinnvolle Nutzung des anfallenden Materials im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Diese ist auch energieintensiv und wird perspektivisch teurer werden. Obendrein wird bei vielen Bauteilen einer WKA eher ein Downcycling anstelle eines Recycling stattfinden.

Absehbar ist, dass über eine zwanzigjährige Inflation die hinterlegten Sicherheitsleistungen teilweise nicht reichen werden. Kann der Eigentümer dann nicht nachschießen wegen Insolvenz oder Unauffindbarkeit, landet das Problem beim Landbesitzer. Hat auch der über die Pachteinnahmen keine Rücklagen gebildet und erklärt die Insolvenz, stehen am Ende die Steuerzahler an der Kasse. Die zahlen dann trotz jahrzehntelanger EEG-Kosten die Beerdigungskosten einer für die sichere Stromversorgung untauglichen Energietechnologie.

Absehbar ist, dass wir wohl in zehn Jahren durch ein Land fahren werden, in dem eine Vielzahl toter Windkraftruinen das Bild prägen, gleich riesigen Friedhöfen, auf denen jeweils drei Rotorblätter als Grabkreuze eines falschen Fortschrittsgedankens stehen.

Quellen:

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