
Am 4. Juni 1940 sprach der britische Premier Winston Churchill vor dem Unterhaus in London. Vor dem Hintergrund schwerer militärischer Niederlagen im Krieg mit Deutschland erteilte er Neigungen zur Kapitulation im Inland eine Absage und forderte angesichts einer drohenden Invasion der Insel sein Volk zum fortgesetzten Widerstand auf. NIUS dokumentiert die wichtigsten Passagen seiner kämpferischen Rede – und weitere historische Ansprachen.
Zu diesem Zeitpunkt war Churchill gerade einmal gut zwei Wochen im Amt. Er beschönigte die katastrophale Kriegslage nicht, bot den Briten vorerst nur „Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“ an. Als der Premierminister seine Ansprache ans Parlament – aber ebenso an alle Briten und an die Außenwelt – hielt, waren gerade erst die Reste der von den Deutschen eingekesselten Expeditionsstreitkräfte aus Dünkirchen an der französischen Kanalküste gerettet worden. Etwa 1200 Schiffe und (auch private) Boote konnten insgesamt 338.000 Soldaten evakuieren.
Aber Großbritannien stand mehr oder weniger allein. Die unbesiegbar scheinende Wehrmacht hatte Polen, Dänemark und Norwegen besetzt, die Niederlande, Belgien und Luxemburg überfallen und rückte nun auch in Frankreich vor. Letztlich stand eine mögliche Invasion der britischen Inseln im Raum. Vor diesem Hintergrund galt es, den Widerstands- und Selbstbehauptungswillens der britischen Bevölkerung zu stärken und die Bedeutung des Krieges für das Überleben von Freiheit und Demokratie zu unterstreichen. Dies gelang Winston Churchill mit einem Glanzstück politischer Rhetorik.
Beim Besuch britischer Truppen.
„In einer langen Reihe sehr heftiger Kämpfe, mal an dieser, mal an jener Front, an drei Fronten gleichzeitig, in Kämpfen von zwei oder drei Divisionen gegen eine gleiche oder manchmal größere Zahl von Feinden, und sehr heftig gekämpft auf altem Boden, den viele von uns so gut kannten, übersteigen unsere Verluste an Männern 30.000 in Gefallenen, Verwundeten und Vermissten. Ich möchte bei dieser Gelegenheit das Mitgefühl des Hauses mit denjenigen zum Ausdruck bringen, die einen Trauerfall erlitten haben oder noch in Sorge sind.“
Der Premier sprach dann über die schweren Verluste an Menschen und Material und schließlich das „Wunder von Dünkirchen“ an:
„Unsere Dankbarkeit darüber, dass unsere Armee mit so vielen Männern entkommen ist, und die Dankbarkeit ihrer Angehörigen, die eine qualvolle Woche hinter sich haben, darf uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das, was in Frankreich und Belgien geschehen ist, eine kolossale militärische Katastrophe darstellt.
Die französische Armee ist geschwächt, die belgische Armee ist verloren, ein großer Teil der befestigten Linien, auf die so viel Vertrauen gesetzt wurde, ist verschwunden, und viele wertvolle Bergbaugebiete und Fabriken sind in den Besitz des Feindes übergegangen. Die gesamten Kanalhäfen sind in seiner Hand, mit allen strategischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, und wir müssen damit rechnen, dass fast sofort ein weiterer Schlag gegen uns oder gegen Frankreich geführt wird.“
Eines der vielen berühmten Zitate Churchills: „Niemals zuvor hatten so viele so wenigen so viel zu verdanken“ (nach der Luftschlacht um England).
„Uns wurde gesagt, dass Hitler Pläne für eine Invasion der britischen Inseln hat. Daran hat man schon oft gedacht. Als Napoleon ein Jahr lang mit seinen Plattbodenbooten und seiner Großen Armee in Boulogne lag, sagte ihm jemand, dass es in England bitteres Unkraut gäbe. Die gab es tatsächlich, und seither sind noch viel mehr davon zurückgekommen. Die gesamte Frage der Verteidigung gegen eine Invasion wird durch die Tatsache stark beeinflusst, dass wir auf dieser Insel derzeit über unvergleichlich mehr militärische Kräfte verfügen als im letzten Krieg. Aber das wird nicht so bleiben. Wir werden uns nicht mit einem Verteidigungskrieg begnügen. Wir haben unsere Pflicht gegenüber unseren Verbündeten.
Churchill war entschlossen, das nationalsozialistische Deutschland niederzukämpfen, im Wissen um die enormen Verluste – aber eben auch im Wissen, was die schreckliche Alternative wäre: der Verlust der Freiheit und das Joch der Besatzung durch ein grausames Regime.
Churchill mit dem berühmten Victory-Zeichen.
(...) „Aber jetzt glaube ich, dass wir unsere Verteidigung auf dieser Insel in einen so hohen Organisationsgrad bringen müssen, dass die geringstmögliche Anzahl an Soldaten benötigt wird, um effektive Sicherheit zu gewährleisten, und dass das größtmögliche Potenzial an Offensivkräften freigesetzt werden kann.
Damit sind wir jetzt beschäftigt. Es wäre sehr zweckmäßig, dieses Thema in Geheimsitzungen zu erörtern. Die Regierung wäre nicht unbedingt in der Lage, große militärische Geheimnisse preiszugeben, aber wir würden unsere Diskussionen gerne frei und ohne die Einschränkung führen, die sich aus der Tatsache ergibt, dass sie am nächsten Tag vom Feind gelesen werden würden.“
„Um noch einmal auf die Frage der Invasion zurückzukommen, möchte ich anmerken, dass es in all den langen Jahrhunderten, derer wir uns rühmen, nie eine Periode gab, in der unserem Volk eine absolute Garantie gegen Invasion, geschweige denn gegen schwere Überfälle, gegeben werden konnte. Zu Zeiten Napoleons hätte derselbe Wind, der seine Schiffe über den Kanal trug, auch eine Blockadeflotte vertreiben können. Es gibt immer eine Chance, und es ist diese Chance, die die Fantasie vieler kontinentaler Tyrannen angeregt und getäuscht hat.
Wir dürfen niemals die soliden Garantien der Seemacht und die der Luftmacht vergessen, wenn sie vor Ort ausgeübt werden können. Ich selbst habe volles Vertrauen, dass wir, wenn alle ihre Pflicht tun und wenn die besten Vorkehrungen getroffen werden, wie sie gerade getroffen werden, uns erneut als fähig erweisen werden, unsere Inselheimat zu verteidigen, die Stürme des Krieges zu überstehen und die Bedrohung durch die Tyrannei zu überleben, wenn nötig, jahrelang, wenn nötig, allein.
Jedenfalls werden wir das versuchen. Das ist der Wille der Regierung Seiner Majestät, jedes Einzelnen von ihnen. Das ist der Wille des Parlaments und der Nation. Das Britische Empire und die Französische Republik, die in ihrer Sache und in ihrer Not miteinander verbunden sind, werden ihre Heimat bis zum Tode verteidigen und sich gegenseitig wie gute Kameraden nach Kräften unterstützen, auch wenn ein großer Teil Europas und viele alte und berühmte Staaten in die Hände der Gestapo und des gesamten abscheulichen Apparates der Naziherrschaft gefallen sind oder fallen werden.“
Churchill mit US-Präsident Franklin D. Roosevelt bei der Konferenz von Casablanca, Januar 1943.
Gegen Ende seiner legendären Ansprache beschwor der Premier den Kampfgeist seiner Landsleute und die Entschlossenheit, keinen Verständigungsfrieden mit dem Nazi-Reich zu suchen, sondern den Widerstand auch im Fall einer Landung deutscher Truppen in Großbritannien fortzusetzen:
„Wir werden nicht nachlassen und nicht versagen. Wir werden bis zum Ende weitermachen. Wir werden in Frankreich kämpfen, wir werden auf den Meeren und Ozeanen kämpfen; wir werden mit wachsender Zuversicht und wachsender Stärke in der Luft kämpfen. Wir werden unsere Insel verteidigen, koste es, was es wolle; wir werden an den Stränden kämpfen, wir werden auf den Landungsplätzen kämpfen, wir werden auf den Feldern und in den Straßen kämpfen, wir werden auf den Hügeln kämpfen. Wir werden uns niemals ergeben!
Und selbst wenn, was ich im Augenblick nicht glaube, diese Insel oder ein großer Teil von ihr unterjocht und ausgehungert würde, dann wird unser Reich jenseits der Meere, bewaffnet und bewacht von der britischen Flotte, den Kampf fortsetzen, bis zu Gottes Zeiten die Neue Welt mit all ihrer Kraft und Macht zur Befreiung und Rettung der Alten aufbricht.“
Am Tag nach dieser Rede begann der eigentliche Krieg um Frankreich mit einer deutschen Offensive an der Aisne und der Somme, Paris fiel. Doch das Ende ist bekannt: Wie Churchill vorausgesagt hatte, trat Amerika in den Krieg ein, und 1945 war es schließlich das Deutsche Reich, das kapitulierte. Dass die Alliierten auch „in der dunkelsten Stunde“ nicht verzagten, war zu einem nicht geringen Teil das Verdienst Winston Churchills.
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