
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hält an dem deutschen Sonderweg der auf Windkraft und Solarstrom fokussierten „Energiewende“ fest. Das machte sie am Montag bei der Vorstellung des von ihr beauftragten „Monitoringberichts zur Energiewende“ deutlich. „Wir halten am Klimaschutzziel fest und wir halten am 80-Prozent-Ziel Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch fest.“ Diese Botschaft war ihr offenbar so wichtig, dass die Christdemokratin sie bei ihrer Pressekonferenz mehrfach wiederholte.
Reiche enttäuscht damit die wachsende Zahl an Zweiflern, die den unter Rot-Grün mit dem ersten Atomausstiegsbeschluss im Jahr 2000 eingeschlagenen und 2011 von Angela Merkel bestätigten Weg des Totalumbaus eines einst gut funktionierenden Stromsystems zunehmend kritisch sehen. Denn Reiche hatte den Monitoringbericht als schonungslose Bestandsaufnahme der „Energiewende“ angekündigt. Befürworter wie Kritiker dieses wohlstandszerstörenden Jahrhundertprojekts erwarteten, dass die ehemalige Eon-Managerin mit diesem wissenschaftlichen Gutachten eine Abkehr von diesem abschüssigen energiepolitischen Weg vorbereiten will. Doch nichts ist davon zu spüren.
Als junge, aufstrebende, ostdeutsche CDU-Politikerin hatte sich Reiche vor ihrem Wechsel zum Energiekonzern Eon für eine Rückkehr zur Kernkraft in Deutschland eingesetzt. Der damals noch einflussreiche Lobbyverband Deutsches Atomforum wollte sie sogar zu seiner Chefin machen. Merkel soll darüber nicht erfreut gewesen sein, woraufhin Reiche klar wurde, dass sie unter dieser Kanzlerin keine Karriere in der Politik mehr machen würde. Sie wechselte dann in die Energiewirtschaft.
Dass Merz ausgerechnet Reiche zurück in die Politik holte und ihr das von Robert Habeck zur Anti-Atom-Zentrale umgebaute Wirtschaftsministerium anvertraute, galt all jenen als Hoffnungsschimmer, die das Zerstörungswerk noch für umkehrbar halten und sich für eine Renaissance der Kernkraft in Deutschland einsetzen. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hatte die neue Ministerin für Wirtschaft und Energie (nicht mehr Klimaschutz wie Habeck) entsprechende Signale gesendet.
Doch nun hat sie offenbar der Mut verlassen. Wahrscheinlich auch, weil ihr Kabinettschef Friedrich Merz sein Wahlkampfziel, die Reaktivierung der stillgelegten Kernkraftwerke zumindest zu prüfen, der energiepolitisch vollkommen vergrünten SPD geopfert hat.
So bleibt Katherina Reiche nicht viel übrig, als etwas mehr Pragmatismus und Effizienz zu fordern. Am grundsätzlichen Ziel, dem sich die vergangenen Bundesregierungen dieses Landes verschrieben haben und in dem sich nationalistischer Größenwahn und der deutsche Hang zu ökoromantischer Träumerei aufs Unguteste miteinander verbinden, hält die Christdemokratin fest. Koste es, was es wolle.
Das machte einer der von ihr beauftragten Wissenschaftler bei der Vorstellung des Monitoringberichts überraschend ehrlich deutlich. Die Vorstellung, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 „klimaneutral“ zu sein hat, sei Teil des Regierungsauftrags gewesen, antwortete der Aachener Energiewirtschaftsberater Alexander Kox (BET Consulting) auf eine Journalistenfrage. „Das Klimaziel 2045 war laut Auftrag nicht in Frage gestellt. Und wir tun das auch nicht.“ Ministerin Reiche fiel ihm hektisch ins Wort: „Wir auch nicht.“ Dann fuhr Kox fort: „Wir haben uns damit beschäftigt, dass es wirklich verdammt komplex und verdammt herausfordern sind sein wird. Und es wird viel Geld kosten. Viele hundert Milliarden Euro.“ Man habe sich überlegt, wie man das Geld vielleicht ein bisschen intelligenter ausgeben könnte, „damit wie die Chance erhöhen, das wir das Ziel erreichen.“
In dieser kurzen Passage wird das ganze Dilemma der deutschen Politik deutlich. Es ist inzwischen den meisten vernünftig denkenden Menschen klar, dass dieser teure und für das Weltklima völlig bedeutungslose nationale Alleingang das Land ruinieren wird. Aber viel zu wenige trauen sich, dies laut und deutlich auszusprechen. Es ist wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Alle loben das prächtige Gewand des nackten Herrschers, weil sie um ihre Karriere am Hofe fürchten. Bis sich ein Kind traut, die Wahrheit auszusprechen: Der Kaiser ist nackt.
Katherina Reiche hätte dieses Kind sein können. Doch sie hat sich für die Rolle des Höflings im Energiewendestaat entschieden.