
Knapp eineinhalb Wochen vor der Bundestagswahl gibt es im Bundestag einen letzten großen Schlagabtausch zwischen Opposition und Bundesregierung. Seit 09:00 Uhr läuft eine vereinbarte Generaldebatte zur „Situation in Deutschland“, für die insgesamt drei Stunden geplant sind.
Bundeskanzler Olaf Scholz eröffnete die Debatte, doch anstatt einer staatsmännischen Regierungserklärung, arbeitete sich der Kanzler rund 25 Minuten an der Opposition und besonders an CDU-Chef Friedrich Merz ab. Drei Jahre nach seiner ersten Regierungserklärung beginnt er mit denselben Worten wie damals.
„Wir nähern uns dem Ende einer Legislaturperiode, die anders verlaufen ist, als wir uns das alle dachten“, erklärte Scholz. Der Wind würde „von vorne“ wehen, dies würde sich auch in „den kommenden Jahren“ „nicht ändern“. Er wolle den „Bürgern nicht das Blaue vom Himmel“ versprechen, was er aber versprechen könne: „Wir kommen da durch“.
Besonders mit Blick auf den Krieg in der Ukraine forderte der Bundeskanzler „mehr Sicherheit für Deutschland, und nicht weniger Sicherheit für Deutschland“. Führungsstärke sei in diesen Zeiten entscheidend, betont er. Dann folgen die Angriffe auf Friedrich Merz.
Mit Verweis auf dessen jüngste Aussagen zur Migrationspolitik wirft Scholz ihm vor, sich „übel verrechnet“ zu haben. „Kehrtwenden haben System, und die passieren Ihnen immer wieder“, wettert er. Eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD sei für den Kanzler ein Unding. „Es geht darum, schwarz-blau unmöglich zu machen. Aus Verantwortung für Deutschland“, so Scholz.
Er sprach dann darüber, dass die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro überfällig sei, um Menschen aus der Armutsfalle zu holen. „Sie sagen immer ‚Leistung muss sich lohnen‘, ich sage: Die Leistung von allen muss sich lohnen!“, so Scholz in Richtung der Opposition. Auch die Modernisierung der Schuldenbremse stehe auf seiner Agenda. Er fordert von der Opposition Ehrlichkeit: „Sagen Sie den Bürgern endlich die Wahrheit.“ Sein Ziel war und ist es, „die breite Mitte“ zu „entlasten“. „Das ist Politik für die ganz normalen Menschen in unserem Land“, erklärte Scholz weiter.
Zum Ende seiner Rede richtet Scholz seine Worte direkt an die Wähler – mit einem eindringlichen Appell, sich gegen rechte Strömungen zu stellen. „Weil Sie für Rassismus stehen, für ein Raus aus Europa. Und Sie die größte Gefahr sind für die deutsche Zukunft“, argumentiert der Kanzler.
Nach dem Bundeskanzler ergriff der CDU-Chef Merz das Wort. Dieser zögerte nicht und schoss direkt zurück in Richtung des Bundeskanzlers. „Was war das denn?“, fragte er provokant und unterstellte Scholz und Habeck, den Bundestag mit einer parteipolitischen Veranstaltung der Jusos zu verwechseln. Scholz und Habeck würden auf Merz wie „zwei angestellte Geschäftsführer, die das Unternehmen an die Wand gefahren haben, und jetzt sagen: Wir würden das gern nochmal vier Jahre tun“ wirken.„Es sind Zeiten ohne Wende geblieben“, resümierte er über die letzten Jahre unter Führung der Ampel. Besonders das vergangene Jahr sei ein verlorenes „Jahr für Deutschland“. Dieses sei von parteiinternen Streitereien geprägt. Besonders die FDP nahm er in die Pflicht und meinte, die Liberalen hätten die Koalition „schon früher verlassen sollen“. Sein Fazit: „Schweres Desaster, was Sie hinterlassen haben.“Auch das Verhalten des Kanzlers in der öffentlichen Debatte kritisierte Merz mit bissigem Unterton. Er spottete über Scholz’ Selbstdarstellung: „Ich, Ich, Ich, habe alles richtig gemacht. Nur alle anderen haben nicht die Klugheit des Bundeskanzlers erkannt. Das nimmt ihnen niemand ab.“
Während Merz sprach, wurde die Stimmung im Parlament zunehmend aufgeheizt. Immer wieder gab es laute Zwischenrufe aus den Reihen der SPD. Auf diese Störungen reagierte Merz amüsiert: „Die Hälfte von Ihnen wird möglicherweise ab übernächster Woche nicht mehr dabei sein. Aber müssen Sie denn hier ein solches Theater aufführen? Wie nervös sind Sie in der SPD-Bundestagsfraktion, dass Sie nicht mal zwei Sätze lang zuhören können?“ Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sah sich schließlich gezwungen, einzugreifen und zur Ordnung zu rufen.
Ein weiteres Kernthema von Merz Rede war die Migrationspolitik. Er betonte, dass die CDU längst Vorschläge zur Begrenzung der Zuwanderung gemacht habe, die von der Ampel jedoch ignoriert worden seien. Gleichzeitig warf er der Regierung Inkonsequenz vor: „Wir wollten die Kompetenzen der Bundespolizei ausweiten, das steht dreifach in Ihrem Wahlprogramm. Was war da so schwierig, zuzustimmen?“
Zuletzt wandte sich der CDU-Vorsitzende nochmal gegen die AfD: „Ich habe zur AfD das Notwendige gesagt. Es kommt eine Zusammenarbeit von uns mit der AfD nicht infrage. Sie wissen das aber auch. Und der Bundeskanzler weiß es auch. Es ist ein Popanz, den Sie hier aufbauen.“ Dann richtete Merz den Blick auf die Zeit nach der Wahl. Es gelte nun, „die politische Mitte“ zu stärken – eine Aufgabe, der man sich in Kürze stellen müsse.