
Es war einmal vor langer, langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat ... Früher begannen Märchen mit solchen Sätzen, heute wird Deutschlands Politik auf Wunschzetteln geschrieben. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Zum Beispiel der frühere FDP-Generalsekretär und spätere Bundesverkehrsminister Volker Wissing (parteilos). „Viele, die in Neuwahlen eine Lösung sehen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Flucht in Neuwahlen in Europa die Dinge meistens verschlimmert hat“, sagte Wissing table media, um darauf hinzuweisen, dass das Volk allzu oft nur beim Regieren stört. Da ist vermutlich sogar etwas dran, und doch muss man vielleicht vorsichtig daran erinnern, dass freie Wahlen – so unbequem sie auch sein mögen – gelebte Demokratie von Autokratie unterscheiden.
Volker Wissing bekleidet nach seinem Austritt aus der FDP sowohl das Amt des Verkehrs- als auch das des Justizministers.
Wissing wünscht sich offenbar, die lästigen Urnengänge so lange wie möglich hinauszuzögern, in der vagen Hoffnung, dass in der Zwischenzeit schon alles irgendwie gut oder besser werde. So gilt unter Politikern das Ansetzen von Neuwahlen in Frankreich nach der für Präsident Macron desaströsen Europawahl gemeinhin als Fehler. Dass die Ergebnisse nicht besser werden, wenn man länger wartet und die Probleme nicht behebt, hat man in den USA, in den Niederlanden, in Österreich, Italien oder auch in Argentinien gesehen.
Kurz: Am Wählervotum führt in einer Demokratie kein Weg vorbei, und man kann sich selbst in der Weihnachtszeit den lästigen Wähler nicht wegwünschen. Auch die Methode, Parteien möglichst lange von Ämtern fernzuhalten, die ihnen zustehen, sie auszugrenzen und zu dämonisieren, führt langfristig meist nicht zum Verschwinden der politischen Plagegeister. Eher im Gegenteil.
Wahlzettel sind keine Wunschzettel. Schon gar nicht für die betroffenen Politiker. Und doch steht das Wünschen schon länger bei den Deutschen und vielen Europäern hoch im politischen Kurs. In der Klimapolitik wünschen sich beileibe nicht nur die Grünen den Verzicht auf bestimmte Energieformen und den Ausstieg aus allem Schmutzigen, ohne funktionierende Alternativen zu haben. Vor allem im linken Lager wünscht man sich seit jeher Haushaltsbudgets, die dank hoher Kreditwürdigkeit so grenzenlos sind, wie die Freiheit „über den Wolken“ bei Reinhard Mey.
Wirtschafts- und Klimaminister Habeck wünscht sich ausschließlich erneuerbare Energien in der Zukunft.
Das Geschlecht ist nun seit einiger Zeit der biologischen Bedingtheit enthoben und frei wünschbar, und wenn sich die Politik Elektroautos als „Mobilität der Zukunft“ wünscht, dann ist es schon eine herbe Enttäuschung, wenn der Wähler nicht den gütigen Weihnachtsmann spielt und kauft, was ihm die regierenden Bescheidwisser auf den Zettel geschrieben haben.
Im Ukraine-Krieg ist schon länger Wunschzeit. Da wird von Anfang an gern und häufig erklärt, wer auf jeden Fall gewinnen dürfe und wer unbedingt verlieren müsse. Gebrüder Grimm, übernehmen sie! Unsere guten Wünsche für Afghanistan wussten die Taliban auch nicht so recht zu schätzen und wir nicht zu schützen. Und ganz aktuell erleben wir die akute Verwechslungsgefahr bei den Kommentaren zum Machtwechsel in Syrien. Kaum ein Politiker und Kommentator, der nicht erklärte, was jetzt in Damaskus, Aleppo und Homs geschehen müsse und wie sich das Land zu einem säkularen Rechtsstaat entwickeln könne. Eine Methode, die schon beim sogenannten „arabischen Frühling“ die Akteure vor Ort nicht restlos überzeugte. Zumindest beherzigte niemand in Libyen, Ägypten oder Beirut die westlichen Wünsche.
Morgen, Kinder, wird’s was geben. Aber was es geben wird, entscheiden viele Völker lieber selbst. Ungezogen, wie sie sind.
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