Wirtschaft ist sublimierte Energie

vor 14 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Tichys Einblick: Herr Peters, wie muss denn eigentlich ein Pflichtenheft für eine künftige Energiepolitik aussehen? Was würden Sie denn jetzt dem Herrn Merz und seinen Kabinettskollegen reinschreiben?

Björn Peters: Wir haben ja ein Zieldreieck: Was sorgt für Versorgungssicherheit, was sorgt für Umweltfreundlichkeit und was sorgt für niedrige Preise im System? Das galt Jahrzehnte für die Energiepolitik. Es gibt genügend Stimmen, die sagen, dass wir heutzutage mehr auf Umweltfreundlichkeit achten, aber dafür die Versorgungssicherheit außer Acht lassen.

Dabei gibt es eine klare Priorität: wenn ein neues Energieversorgungssystem preisgünstig ist, dann floriert die Wirtschaft. Wirtschaft ist sublimierte Energie. Es gibt nichts Wichtigeres als Energie für das Funktionieren jeder Zivilisation.

Und das Zweite, was wirklich wichtig ist, ist die Zuverlässigkeit. Meine südafrikanischen Bekannten sagen, es sei dort ganz normal geworden, über einen Flyer darüber informiert zu werden, dass aufgrund einer gewissen Energiesituation schon mal zwischen 15:00 und 18:00 nachmittags einfach der Strom abgeschaltet wird. Die nennen das „Fake Power“. Deshalb sind sie auch schwer davon zu überzeugen, besonders viele Solar- und Windanlagen zu installieren, weil das keine Energie ist, die immer zur Verfügung steht.

Selbst wenn man sagen würde, ich kann noch mal meine Waschmaschine anschalten, wenn die Sonne gerade scheint oder wenn der Wind weht, bleibt es halt dummerweise dabei, dass vom gesamten Energieverbrauch nur etwa 5% auf den Haushaltsstrom entfallen. Dagegen haben wir in der Industrie aber Prozesse, die immer durchlaufen müssen, dazu braucht man sehr große Mengen an immer zur Verfügung stehender Energie. Da stellt sich die Frage nach der Versorgungssicherheit ganz anders.

Es ist nicht so einfach möglich, die Maschine ein bisschen runterzufahren, wenn gerade eine Wolke vor die Sonne zieht und in der Sonnenphase danach wieder hochzufahren. Das ist gewaltig, wir reden da von etlichen Gigawatt. Nicht immer gleichzeitig mit Energie versorgt zu werden, bedeutet nicht, sich einfach anpassen zu können, das hat klare Grenzen in den Zeitkonstanten von wenigen Stunden. Wohingegen Nächte nun mal im Durchschnitt zwölf Stunden lang sind und Windflauten, in denen sehr wenig Windenergie geerntet werden kann, Tage, manchmal sogar Wochen dauern. Also dieses Element der Lastfolge passt nicht zu den Anforderungen, die ein wetterabhängiges Energieerzeugungssystem vorgibt. Hier gibt es sehr viele ungedeckte Schecks im Energieversorgungssystem und der Versorgungssicherheit.

Die Energieversorgung muss also erstens wieder kostengünstig werden. Wir brauchen ein strukturiertes Kostensenkungsprogramm für Energie. Zweite Priorität: Wir müssen wieder zurück zum absoluten Primat der Versorgungssicherheit und drittens ist die Umweltfreundlichkeit wichtig, aber sie ist eben nachgelagert. Denn alles unter irgendeinen nebulösen Klimaschutz stellen zu wollen, das geht ganz offensichtlich nicht gut, sonst verlieren wir unsere gesamte Industrie.

Wir brauchen von der Bundesregierung ein klares Programm, um der deutschen Industrie eine Überlebens- und Bleibeperspektive zu verschaffen.

„Schluss mit der Energiewende!“, fordern Sie in Ihrem neuen Buch. Bisher sieht es aber nicht danach aus, als ob es eine Wende der Energiewende gäbe, wenn ich mir die Aussagen der neuen Berliner Koalition betrachte.

Da bin ich nicht ganz so negativ. Katherina Reiche hat gesagt, dass wir jetzt ein Monitoring brauchen zu den Themen Versorgungssicherheit und ob wir das Energieversorgungssystem weiter so betreiben können. Die Ampel Regierung hatte die völlige Schnapsidee, alles mit H2-Ready-Gaskraftwerken zu versorgen, die Gaskraftwerke bis 2045 zu verbieten und zu behaupten, dass das ohne Verlust der industriellen Erzeugung funktionieren könnte.

Es gibt in Mannheim und irgendwo bei Stuttgart auch schon Kommunen, die sagen, sie wollen die Gasnetze zurückbauen. Also das spottet jeder Beschreibung, ist aber tatsächlich aktive Strategie gewesen, übrigens auch von Klaus Müller von der Bundesnetzagentur.

Jetzt haben wir eine neue Regierung und die sagt, wir brauchen erst mal wieder ein Monitoring. Sie hat sich zur Kernenergie verhalten positiv geäußert.

Erst kürzlich fand in Berlin die Anschaltkonferenz statt (die Vorträge können Sie auf der Website noch anschauen: www.anschalt-konferenz.de) wo wir ein Konzept vorgestellt haben, wie private Investoren die Kernenergie übernehmen könnten und damit der Politik eine Brücke bauen würden, um die Kernenergie wieder zurückzuholen. Was wir bisher erleben im Umgang mit der Bundesregierung, ist durchaus positiv.

Jetzt wurde aber bereits ziemlich viel Porzellan zerschlagen, sprich Kernkraftwerke abgeschaltet, Anlagen teilweise in die Luft gesprengt, Kohlekraftwerke abgeschaltet in einem atemberaubenden Tempo, als ob es kein Morgen gäbe. Wenn Sie eine Bestandsaufnahme machen, ein Monitoring des aktuellen Zustandes, wie sähe denn die aus? Wie stark am Boden liegt denn nach Ihrer Sicht die deutsche Energieversorgungslandschaft?

Also wir sind gerade dabei, den Bericht der Radiant Energie Group zu überarbeiten und ein Update rauszuschicken. Auf dessen Grundlage lässt sich sagen, dass statt nur neun Kernkraftwerken tatsächlich elf zurückzuholen wären. Isar 2 ist zwar ein bisschen abgerutscht, weil ausgerechnet die bayerische Landesregierung, die sonst immer sagt, sie will so viel für die Kernenergie tun, die mit Abstand schnellste und effizienteste ist, wenn es darum geht, den Rückbau zu begleiten. Das krasse Gegenteil haben wir beim Kernkraftwerk in Krümmel. Das steht seit 2011 still und der Rückbau wird von der Landesregierung irgendwie verweigert. Über irgendwelche „Sonderlocken“, quasi Sabotage, fachfremd, das sind politische Direktiven. Der Vorteil ist, man könnte das Kernkraftwerk Krümmel wieder ohne all zu großen Aufwand in den Leistungsbetrieb zurückholen.

Wir haben hier aber natürlich schon einige Demolierungen, die wir wieder ausgleichen müssen und manche der Ersatzteile, die man jetzt braucht, müssten in Einzelfertigung wieder hergestellt werden. Es gibt aber noch alle Konstruktionspläne. Das kann man durchaus leisten, auch wenn es natürlich kein Spaziergang wird. Aber es ist immer noch die mit Abstand preisgünstigste Methode, um gesicherte Leistung zurück ins Netz zu bekommen. Wir reden hier von über 90 bis über 100 Terrawattstunden [1 TWh entspricht 1 Billion Wattstunden – Anm. d. Red.]  pro Jahr an sauberer und sehr preisgünstiger Stromproduktion.

Wie sehen Sie auf die Kohlekraftwerke? Es stehen ja viele abgeschaltet herum, weitere sollen abgeschaltet werden. Was sollte man mit denen tun? Was bietet sich aus Ihrer Sicht an?

Diese Politik der der Demolierung von existierender Infrastruktur, bevor neue aufgebaut wird, ist in meinen Augen ohne historisches Beispiel, also zumindest in Friedenszeiten. In Kriegszeiten zerstört man natürlich ganz bewusst die feindliche Infrastruktur. Wir machen das in Friedenszeiten und ohne Feindeinwirkung. Das ist also sehr spannend. Und vor allem ist spannend, dass alle politischen Parteien, die in den letzten 30 Jahren an der Macht waren, dieses Programm mitgetragen haben. Im Ausland sind die Leute fassungslos deswegen.

Das wäre die ideale Brückentechnologie. Man könnte natürlich die Braunkohlekraftwerke mit CO2 Filtern ausstatten und das dann im Boden verpressen. Im Übrigen ist es auch nicht besonders gefährlich, weil bei einer bestimmten Tiefe verbindet sich das CO2 einfach mit dem Gestein zu Karbonaten. Es wird also fest und ist absolut sicher vor der Biosphäre abgeschlossen, wenn man das dort unten verpresst in hinreichender Tiefe.

Insofern ist es noch nicht so richtig positiv, was die die Regierung da zeigt. Die Grünen haben in der Ampel dafür gesorgt, dass CCS, also diese CO2-Abscheidung nur möglich ist in Sektoren, wo man es gar nicht anders regeln kann, wie bei der Zementproduktion.

Aber wenn es dort funktioniert, warum nicht bei einem Braunkohlekraftwerk? Und dann könnte man diese Energieform noch sehr lange nutzen. Das würde zwar einige Umstellungen erfordern, aber das halte ich für absolut notwendig, weil man so eine sehr preisgünstige Energieversorgung hat, die heimisch ist, man also von niemandem abhängt und die man einigermaßen umweltfreundlich gestalten kann.

Wobei die Zerstörung vor Ort im Tagebau schon riesig ist, aber sie ist auch sehr konzentriert, ein Revier erstreckt sich über wenige Quadratkilometer. Wenn aber die ganzen Wälder darum herum intakt bleiben können, dort keine Windkraftwerke errichtet werden müssen oder auf Freiflächen Solaranlagen, die die Umgebung so aufheizen, dass auch durch sie Biosphäre geschädigt wird, dann ist das für das gesamte Land sehr viel besser.

Erinnern möchte ich an dieser Stelle ganz kurz daran, dass CO2 ja nicht der Bösewicht ist, als der er immer dargestellt wird. Er ist der wichtigste Rohstoff für Pflanzen, aus denen bauen die ihre Blattmassen auf und der Photosynthese-Prozess, der diesen zugrunde liegt, ist der wichtigste Prozess, den wir haben, der uns mit Sauerstoff versorgt, der die Blattmasse wachsen lässt. Unabdingbare Voraussetzung ist eben das CO2, das Vorhandensein des CO2 – daran müssen wir immer wieder erinnern, wenn es darum geht, wie schädlich angeblich das CO2 ist.

Ich glaube das Thema verdrängt die eigentliche Umweltthematik: das eigentliche Ziel muß der Erhalt der Artenvielfalt sein. Das Klimaziel ist eigentlich nur ein abgeleitetes Ziel. Wenn Klimawandel tatsächlich dazu führen sollte, dass Biotope in großem Stil verloren gehen und, dass es für Menschen sehr ungemütlich wird auf der Erde, dann wäre natürlich auch das Klima ein wichtiger Faktor, den wir in der Politik betrachten müssen.

Es ist aber so, dass sich das Klimaziel auf Kosten der Umweltpolitik verselbständigt hat. Und das ist etwas, was wir uns nicht viel länger leisten können. Wir holen mit furchtbaren Umweltschäden das Lithium aus der Erde in Chile, verbrauchen das letzte Grundwasser, zerstören dort die Umwelt, damit man hier mit gutem Gewissen batteriebetriebene Autos fahren kann. Das muss aufhören.

Björn Peters, Schluss mit der Energiewende! Warum Deutschlands Volkswirtschaft dringend Ökologischen Realismus braucht. Gorus Verlag, Hardcover mit Überzug, 144 Seiten, 25,00 €.

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