Wirtschaftsexperte Prof. Stefan Kooths: Warum die Mega-Schulden das Falsche fördern, zur Konjunktur wenig und zur Inflation viel beitragen

vor etwa 2 Monaten

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Mit bis zu einer Billion Euro neuen Schulden will die neue Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) die Konjunktur ankurbeln und Deutschland aus der Wirtschaftskrise führen. Prof. Stefan Kooths, Konjunkturchef am Kieler Institut für Weltwirtschaft, sieht keine konjunkturellen Gründe für die neuen Schulden, die noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags im März als „Sondervermögen“ ins Grundgesetz geschrieben wurden.

In einem Gastbeitrag für NIUS erklärt Kooths, was an den Krediten gesamtwirtschaftlich problematisch ist: „Die erweiterten Verschuldungsspielräume dienen maßgeblich dazu, ungelöste Verteilungskonflikte in die Zukunft zu schieben. Wenn Verteidigung und Infrastruktur nun eine höhere Priorität haben, müsste dies mittelfristig in einer Umschichtung von Ausgaben im Staatshaushalt zum Ausdruck kommen. Stattdessen sattelt man kreditfinanziert zusätzliche Ausgaben auf. De facto finanzieren damit die höheren Schulden nicht die besonders wichtigen Haushaltsposten, sondern die unwichtigeren, bei denen ohne erweiterte Kreditspielräume gekürzt werden müsste.“

Mit anderen Worten: Weil man bei weniger wichtigen Haushaltsposten nicht kürzen will, braucht man Kredite für das, was jetzt wichtiger geworden ist. Aus volkswirtschaftlicher Sicht, so Prof. Kooths, wären die Kredite nicht nötig gewesen: „Aus konjunktureller Sicht bestand keine Notwendigkeit, die Schuldenbremse in Deutschland zu lockern, weil sie ausdrücklich atmende Budgetdefizite zuließ – bei schwacher Konjunktur waren somit immer schon größere Defizite erlaubt.“

Sollte die Konjunktur wieder anziehen, bleiben die Schulden. „Die neuen Regeln schaffen aber Verschuldungsmöglichkeiten über den Konjunkturzyklus hinweg, sie dienen also dazu, die strukturelle Verschuldung anzuheben. Damit steigt insgesamt der Schuldenstand in Relation zur Wirtschaftsleistung. Den Projektionen der führenden Forschungsinstitute zufolge (aktuelles Frühjahrsgutachten der Gemeinschaftsdiagnose), werden Mitte der 2030er-Jahre die strukturellen Defizite vollständig von der dann höheren Zinslast beansprucht.“ Im Klartext: Deutschland braucht spätestens dann neues Geld.

Im Wahlkampf schloss die Union eine Lockerung der Schuldenbremse aus.

Den Ökonom treibt zudem die Sorge um, dass das zusätzliche Schuldengeld die Wirtschaft regelrecht überhitzen könnte: „Bereits bei nur mäßig anziehender Dynamik erreicht die deutsche Wirtschaft die Normalauslastung, konjunkturelle Selbstfinanzierungseffekte sind dann kaum noch zu erwarten bzw. würden die deutsche Wirtschaft in eine unerwünschte Überauslastung treiben, die tendenziell inflationär wirkte.“ Konkret bedeutet das: „Dann gibt es keine strukturellen Defizitspielräume mehr für andere Ausgaben. Man wird dann für höhere Ausgaben die Steuern erhöhen müssen, will man nicht die Verschuldung aus dem Ruder laufen lassen. Somit erkauft man sich mit den höheren Defiziten nur Zeit, in denen die Konsolidierung aufgeschoben werden kann. Die größeren Spielräume heute schnüren somit den Akteuren in den 2030ern umso mehr die Handlungsmöglichkeiten ein. Es ist ein Spiel auf Zeit.“

Hinzu kommt: „Alle Verschuldungsprojektionen sind Schönwetterszenarien, weil unterstellt wird, dass in den kommenden Jahren keine gesamtwirtschaftlichen Schocks auftreten, für die noch zusätzliche Schuldenpakete hinzukämen. Der mäßige Verschuldungsgrad in Deutschland war bislang ein wichtiger Stabilitätsfaktor, weil auch in Krisenzeiten die Solvenz des deutschen Staats nicht infrage steht. Je schärfer man künftig am Wind segelt, desto weniger gilt das noch. So zahlt Frankreich derzeit nur für eine höhere Risikoprämie ein ganzes Prozent der Wirtschaftsleistung zusätzlich für die Zinsen auf ihre Staatsschulden.“

„Verteidigungsausgaben können bestenfalls langfristig durch Technologie-Spillovers das Wachstum anheben.“

Bemerkenswert ist vor allem, dass der Konjunkturforscher in der Sanierung der Infrastruktur nur Wachstumseffekte sieht, die erst deutlich später einsetzen. „Von höheren Infrastrukturausgaben geht erst mittelfristig ein Kapazitätseffekt aus, in der mehrjährigen Sanierungsphase dämpfen sie sogar die Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen und damit das Produktionspotenzial.“ Das Gleiche gilt für Verteidigungsausgaben, sagt Kooths: „Verteidigungsausgaben können bestenfalls langfristig durch Technologie-Spillovers das Wachstum anheben. Die meisten Militärausgaben haben diese Wirkung ohnehin nicht, sondern entziehen dem zivilen Sektor Produktionsfaktoren. In Zeiten immer knapper werdender Arbeitskräfte wird ein zunehmendes Problem. Das spricht nicht gegen höhere Verteidigungsausgaben, sondern dagegen, sich von ihnen zusätzliche Wirtschaftsleistung zu versprechen. Das wäre ein Trugschluss. Vielmehr wird äußere Sicherheit hierzulande nun teurer, damit steigt auf unabsehbare Zeit die hierfür nötige Steuerbelastung, was für sich genommen ein standortbelastender Faktor ist.“

***Stefan Kooths (56) ist Konjunkturexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, wo er 2014 zum Leiter der Prognoseabteilung berufen wurde. Prof. Kooths ist Mitglied der FDP und Vorsitzender der Hayek-Gesellschaft. In dieser Funktion hielt er 2024 die Laudatio auf den Argentinischen Präsidenten Javier Milei bei der Verleihung des Hayek-Preises in Hamburg.

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