
Die deutsche Industrie steckt noch immer tief in der Krise: Innerhalb eines Jahres sind mehr als 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, wie eine aktuelle Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zeigt. Besonders stark betroffen: die Autoindustrie, die allein 45.400 Stellen gestrichen hat. Bis Ende 2025 könnten weitere 70.000 Jobs folgen. In Österreich hängen 80.000 Arbeitsplätze an der deutschen Autoindustrie.
Zum Ende des ersten Quartals 2025 beschäftigte die deutsche Industrie laut Daten des Statistischen Bundesamts rund 5,46 Millionen Menschen – ein Rückgang von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit dem Vor-Corona-Jahr 2019 summiert sich der Stellenverlust auf insgesamt 217.000 Jobs – ein Minus von 3,8 Prozent.
Die Autobranche, einst Rückgrat des Wirtschaftsstandorts Deutschland, ist besonders unter Druck geraten, berichtet die WELT: Absatzflaute, hohe Energiekosten, zunehmende Konkurrenz aus China und die anhaltende Transformation hin zur Elektromobilität sorgen für strukturelle Belastungen. Allein im Automobilsektor ging die Beschäftigung binnen eines Jahres um knapp sechs Prozent zurück – auf 734.000 Mitarbeiter.
Auch in der Metallerzeugung und Textilindustrie schrumpfte die Beschäftigung deutlich – jeweils um mehr als vier Prozent. Weniger stark betroffen waren hingegen Chemie- und Pharmabranche, wo der Rückgang bei lediglich 0,3 Prozent lag.
„Die Industrieunternehmen stehen massiv unter Druck“, erklärt Jan Brorhilker, Managing Partner bei EY. „Internationale Wettbewerber, insbesondere aus China, drücken die Preise. Gleichzeitig schwächeln wichtige Absatzmärkte – in Europa stagniert die Nachfrage, und auch in den USA herrscht Unsicherheit.“ Hinzu kämen hohe Produktionskosten durch gestiegene Energie- und Personalausgaben.
Laut EY verzeichnete die deutsche Industrie nach einem deutlichen Umsatzrückgang zu Beginn des Jahres 2024 auch im weiteren Jahresverlauf keine nachhaltige Erholung. Ein baldiges Ende des Personalabbaus sei daher unwahrscheinlich.
Trotz der alarmierenden Zahlen sehen die Analysten keinen Beleg für eine Deindustrialisierung. Im langfristigen Vergleich sei die Beschäftigung in der Industrie sogar leicht gestiegen: Gegenüber dem Jahr 2014 arbeiten Ende 2024 etwa 185.000 Menschen mehr in der Industrie, ein Plus von 3,5 Prozent.
„Der Industriestandort Deutschland wurde schon oft totgesagt – und hat sich immer wieder als widerstandsfähig erwiesen“, so Brorhilker. Doch das reiche nicht aus: Die Rahmenbedingungen müssten sich verbessern. Neben niedrigeren Energiepreisen, weniger Bürokratie und einem attraktiveren Investitionsumfeld sei insbesondere die Stärkung der Binnennachfrage entscheidend, um Deutschlands Wirtschaft unabhängiger vom Export zu machen.