Wirtschaftsministerin Reiche will neue Kernkraftwerke in Deutschland entwickeln

vor etwa 5 Stunden

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Bei einem Podiumsgespräch auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee sagte CDU-Wirtschaftsministerin Katharina Reiche am Freitag: „Wir haben in den vergangenen Jahren, fast anderthalb Jahrzehnten den Schwerpunkt sehr, sehr stark, fast überbetont auf den Klimaschutz gesetzt.“ Es brauche Versorgungssicherheit, man habe in Spanien gesehen, „was passiert, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht genug flexible Energie da ist“, nannte sie den Blackout auf der iberischen Halbinsel als mahnendes Beispiel.

„Wir haben das Thema Preise lange Zeit beiseitegedrückt und sehen jetzt, dass die hohen Energiepreise den Wirtschaftsstandort belasten und zwar so sehr, dass energieintensive Unternehmen nicht mehr hier investieren, sondern abwandern“, so Reiche weiter. Hier zu einer vernünftigen Balance zu kommen, sei die Aufgabe dieser Regierung. „Wir müssen Versorgungssicherheit und Preisstabilität in den Griff bekommen, sonst werden wir auch mit dem Klimaschutz scheitern.“

Auf die künftige Rolle der Kernkraft angesprochen, tastete sich Reiche zögerlich an das für die Union heikle Thema heran. Denn CDU und CSU hatten im Bundestagswahlkampf gefordert, die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Reaktoren zu prüfen und einen Rückbaustopp zu verhängen. In den Koalitionsverhandlungen konnten oder wollten sich Friedrich Merz und Markus Söder aber nicht gegen die SPD durchsetzen. Das Thema kommt im Koalitionsvertrag nicht vor.

Zwar traute sich auch Reiche in dem Gespräch beim Ludwig-Erhard-Gipfel nicht, auf Konfrontationskurs zu dem in der Kernkraftfrage eingeknickten Kanzler und dem kernkraftkritischen Koalitionspartner zu gehen, doch sie machte deutlich, dass sie der Nuklearenergie offen gegenübersteht. Und sie lehnte, anders als es viele Medien berichteten, einen Wiedereinstieg Deutschlands in diese Technologie nicht grundsätzlich ab.

„Der Ausstieg ist vollzogen. Ein Wiedereinstieg erfordert nicht nur Geld, sondern Vertrauen der Unternehmen, die das machen sollen, dass eine solche Zusage bliebe und zwar nicht über eine Legislaturperiode, sondern darüber hinaus“, stellte Reiche fest. Bevor Merz sie als Wirtschaftsministerin in sein Kabinett holte, arbeitete die frühere CDU-Bundestagabgeordnete und Staatssekretärin als Topmanagerin im Energiekonzern Eon. Dessen Kernkraft-Tochter Preussenelektra hatte sich während der Energiekrise 2022 am deutlichsten von allen AKW-Betreibern für eine Laufzeitverlängerung eingesetzt – allerdings erfolglos, weil Grüne und SPD in der Ampelkoalition am Atomausstieg festhielten und die FDP sich damals noch nicht traute, die Koalition platzen zu lassen.

„Wenn ich den Sektor, in dem ich früher tätig war, richtig verstanden habe, dann ist die Skepsis selbst bei einer positiven Entscheidung, dass eine solche Entscheidung von Dauer sein könnte, sehr, sehr groß. Also das Unternehmen von sich aus investieren würden, das sehe ich nicht“, fasste Reiche das Misstrauen der von einer erratischen Atompolitik verschreckten Branche zutreffend zusammen. Was sie allerdings nicht erwähnte, ist, dass es innerhalb ihrer eigenen Partei bereits ein Konzept gibt, wie man die Wiederinbetriebnahme trotzdem erreichen könnte: durch eine (teil-)staatliche Betreibergesellschaft, die den heutigen Betreibern das unternehmerische Risiko, erneut Opfer einer überhasteten Ausstiegspolitik zu werden, abnimmt.

Nach wie vor sei es auch schwierig, „einen gesellschaftlichen Konsens dafür hinzubekommen“, behauptete die Ministerin außerdem. Und das klingt wirklich nur nach einer Ausrede. Denn in einer parlamentarischen Demokratie geht es darum, Mehrheiten zu gewinnen, nicht die gesamte Gesellschaft zu überzeugen. Und in Meinungsumfragen überwiegt die Pro-Atom-Stimmung in Deutschland inzwischen stabil.

„Man hätte ihn (den gesellschaftlichen Konsens) gehabt“, fuhr Reiche fort. „Nämlich als wir in einer Energiekrise standen, hätte die Möglichkeit bestanden, die drei noch laufenden Kernkraftwerke deutlich zu verlängern. Diese Chance ist vertan worden. Wir müssen mit der Situation jetzt leben.“ Das klingt zwar resigniert. Aber dass die neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie (Klimaschutz ist aus dem Ministeriumsnamen verschwunden), die als Bundestagsabgeordnete unter Kanzlerin Merkel eine vehemente Kernkraftbefürworterin war, gegen einen Wiedereinstieg Deutschlands in die friedliche Nutzung der Kernspaltung ablehnt, geht aus ihren Worten nicht hervor.

Im Gegenteil. Sie deutete zaghaft an, dass die Kernspaltung doch noch eine Zukunft in dem Land haben könnte, das in dieser Hochtechnologie einst zur Weltspitze zählte. Denn Reiche sprach sich dafür aus, die entsprechende Forschung in Deutschland zu erhalten und hier neue Reaktortypen zu entwickeln. Und damit meinte sie nicht nur die Zukunftshoffnung Kernfusion, die es in den Koalitionsvertrag geschafft hat, sondern ausdrücklich auch sogenannte Small Modular Reactors (SMR). Das sind in Serie gefertigte Reaktoren, die weltweit vor einem Boom stehen, weil sie schneller und günstiger gebaut werden und etwa Kohlekraftwerke ersetzen können.

SMR funktionieren nach dem Prinzip der Kernspaltung. Ihr Neubau und kommerzieller Betrieb ist in der Bundesrepublik seit dem rot-grünen Atomausstiegsbeschluss von 2002 gesetzlich verboten. Wenn Katherina Reiche tatsächlich will, dass Deutschland zum SMR-Standort wird, muss sie den bislang gescheuten Konflikt mit der SPD wagen, um eine Gesetzesänderung zu erreichen.

In dem Podiumsgespräch beim Ludwig-Erhard-Gipfel blieb sie in diesem Zusammenhang vage. Sie verwies auf den pronuklearen Nachbarn Frankreich. Friedrich Merz habe bei seinem Antrittsbesuch in Paris eine wichtige Botschaft an Emmanuel Macron mitgebracht: „Es ist richtig und wir akzeptieren und es ist auch vernünftig so, dass die Franzosen ihren Energiemix anders definieren als unseren. Die Franzosen werden weiter auf Kernenergie setzen. Sie werden auch auf kleine, modulare Reaktoren setzen“, sagte Reiche. Und dann kamen die entscheidenden Sätze: Die Bundesregierung habe sich vorgenommen, „wenigstens forschungsseitig hier dabei zu sein und das ist wichtig. Wir müssen zumindest Technologien mitshapen und entwickeln können. Wenn wir das auch verpassen, verpassen wir, glaube ich, eine große Chance.“

Ein Versuch, von der eigenen Mutlosigkeit beim Aufhalten eines ideologischen Zerstörungswerks abzulenken, oder ein ernst gemeinter Vorstoß, der Hoffnung stiftet? Das wird sich im Laufe ihrer Amtszeit zeigen.

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