
NIUS stellt die fünf wichtigsten Thesen aus dem Wirtschaftsweisen-Gutachten vor und erklärt, was diese bedeuten:
Die deutsche Wirtschaft ist in den letzten 5 Jahren lediglich um 0,1 Prozent gewachsen.
Die Wirtschaftweisen stellen fest, dass Deutschland damit im internationalen Vergleich deutlich hinterherhinkt. Sie prognostizieren für das laufende Jahr eine um 0,1 Prozent schrumpfende Wirtschaft und erwarten im kommenden Jahr nur ein Wachstum von 0,4 Prozent. Damit revidieren sie ihre Prognose für 2024 um 0,3 Prozentpunkte nach unten.
Am Mittwoch übergab der Sachverständigenrat sein Jahresgutachten an den Noch-Kanzler Olaf Scholz.
Dieses Wirtschaftswachstum stellen sie dem Wachstum der Weltwirtschaft (2024 und 2025 jeweils: +2,6 Prozent) und dem Euroraum (2024: +0,7 Prozent & 2025: +1,3 Prozent) gegenüber. Sie schlussfolgern daher, dass „die deutsche Schwäche nicht nur konjunkturell bedingt ist, sondern auch strukturelle Ursachen hat.“
Das bedeutet, dass es nicht externe Faktoren – wie beispielsweise die Entwicklung der Weltwirtschaft oder das Zinsniveau – sind, die für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich sind, sondern vor allem spezifisch deutsche Probleme. Dabei ist vor allem das hohe Energiepreisniveau zu nennen, welches insbesondere der deutschen (energieintensiven) Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit nimmt. Die Wirtschaftsweisen stellen eine „Abkopplung des deutschen Industriesektors von der Weltwirtschaft“ fest.
Fünf Köpfe stecken hinter den sogenannten Wirtschaftsweisen
Die Wirtschaftsweisen stellen fest, dass die „zukunftsorientierten öffentlichen Ausgaben seit Jahren gering“ sind. Das Ergebnis daraus sei, dass die Investitionen in der Verkehrsinfrastruktur „seit Jahrzehnten nicht ausreichen, um den Modernitätsgrad der bestehenden Infrastruktur zu erhalten.“ Weiter führt der Bericht die schlechteren Bildungsergebnisse der Schüler auf „ungenügende Mittel für die frühkindliche Bildung und den Grundschulbereich zurück“. Deshalb fordern die Wirtschaftsweisen eine Priorisierung öffentlicher Ausgaben und eine Erweiterung der „Spielräume für zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben“.
Energiehungrige Industrien sehen in Deutschland keinen attraktiven Standort mehr.
Neben einer besseren Priorisierung öffentlicher Ausgaben hat der Sachverständigenrat speziell eine Reform der Schuldenbremse im Sinn. Er möchte das jährliche Defizit des Staates von derzeit 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 0,5-1,0 Prozent erhöhen. Der Staat soll also mehr Schulden machen dürfen.
Die Wirtschaftsweisen beschreiben den digitalen Wandel im Finanzsystem und sehen für Haushalte und Unternehmen überwiegend Chancen, aufgrund einer effizienteren Bereitstellung von Dienstleistungen und eines intensiveren Wettbewerbs.
Sie sehen potenzielle Kostensenkungen beim Zahlungsverkehr, „wo Händler nach wie vor hohe Gebühren zu zahlen haben.“ Risiken durch den digitalen Wandel sehen sie bei der Finanzstabilität, aufgrund von „abrupter Liquiditätsabflüsse“ durch den Abzug von Kundeneinlagen.
Kritiker fürchten, dass eine digitale Währung zu mehr Überwachung führt.
Der von der EZB in der Entwicklung befindliche „digitale Euro“ wird von den Wirtschaftsweisen als „kostengünstige Alternative zu privaten Zahlungsdienstleistern“ (wie beispielsweise Apple Pay) betrachtet und „er sollte mit Haltegrenzen ausgestaltet werden, die massive Abflüsse von Kundeneinlagen der Banken verhindern sollen und somit Risiken für die Finanzstabilität stark reduzieren.“
Das bedeutet nichts anderes, als dass der „digitale Euro“ in Konkurrenz zu den privaten Finanzdienstleistern und Technologiekonzernen treten soll. Die Wirtschaftsweisen erhoffen sich daraus, dass die Kosten für Händler sinken. Die Idee, den „digitalen Euro“ mit „Haltegrenzen“ auszustatten, bedeutet nichts weniger, als dass die Nutzer im Zweifel nicht direkt an ihr Geld kommen könnten.
Die Wirtschaftsweisen stellen fest, dass das Wohnraumangebot in Ballungsräumen „zu wenig ausgeweitet“ wurde. Dies führen sie auf unzureichende Flächenverfügbarkeit und mangelnde Bautätigkeit zurück. Sie sehen in der Folge der geringen Verfügbarkeit von Wohnraum in Ballungsräumen Effizienzverluste in der Gesamtwirtschaft, da „Arbeitskräfte nicht dort eingesetzt werden, wo sie am produktivsten sind“.
Wohnungen im Bezirk Prenzlauer Berg in Berlin: Besonders in begehrten Lagen will die SPD die Mieten stärker als bisher zügeln.
Sie fordern als Maßnahmen zur Erweiterung des Wohnraumes die Senkung der Baukosten durch Senkungen der Baustandards und teilweise Abschaffung von Bauvorschriften. Ebenso sollten Umzugshürden, die durch die Mietpreisbremse entstehen, verringert werden.
Hintergrund ist, dass Bestandsmieten deutlich stärker reduziert werden, als Neumieten. Wirtschaftlich sinnvolle Umzüge unterbleiben daher und führen zu Ineffizienzen, ohne das Problem des Wohnungsmangels zu lösen. Deshalb sollen Mietpreisbremsen nur noch temporär gelten und zwingend mit Maßnahmen zur Ausweitung des Wohnraumes verbunden sein.
Die Wirtschaftsweisen wollen den Güterverkehr dekarbonisieren. Da nur 6 Prozent des derzeitigen Straßengüterverkehrs theoretisch für eine kurzfristige Verlagerung auf die Schiene geeignet sind, sollen die Emissionen des Güterverkehrs durch eine Umstellung der LKW auf alternative Antriebe, wie batterieelektrische LKW (BE-LKW) oder Brennstoffzellen-LKW (FCE-LKW), reduziert werden. Dafür wäre jedoch der „Aufbau einer entsprechenden Lade- oder Tankinfrastruktur“ notwendig.
Bereits für die aktuellen Diesel-LKW fehlt es an ausreichend Infrastruktur, sprich: Parkplätze.
Diese einseitige technologische Festlegung war jedoch im Sachverständigenrat umstritten und die Entscheidung wurde von der Wirtschaftsweisin Veronika Grimm abgelehnt.
Der komplette Umbau der Antriebstechnologie von LKW würde in jedem Fall eine gewaltige Investition bedeuten, die entweder mit staatlichen Subventionen oder höheren Kosten für die Konsumenten einhergehen würde.