Wissenschaftler wollten „Politiker spielen“, kritisiert Streeck in der ersten Sitzung des Untersuchungsausschusses

vor etwa 2 Monaten

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In Sachsen hat die Aufarbeitung der Corona-Pandemie mit zwei parlamentarischen Gremien begonnen: Einem Untersuchungsausschuss, der sich mit politischen Entscheidungen der Pandemiezeit befasst, und einer Enquete-Kommission, die langfristige Lehren für künftiges Krisenmanagement ziehen soll.

Der Untersuchungsausschuss, der mit Stimmen von AfD und BSW auf den Weg gebracht wurde, ist am Donnerstag erstmals zusammengekommen. In mindestens 30 weiteren Sitzungen bis 2027 soll er die politischen Maßnahmen und deren Auswirkungen beleuchten. Als einer der ersten Sachverständigen stellte sich am Donnerstag der Bonner Virologe und künftige Bundestagsabgeordnete Hendrik Streeck den Fragen der Abgeordneten.

In seinem Eingangsstatement betonte er, dass die Pandemie als Stellvertreter für zukünftige Krisen wie Klimawandel oder geopolitische Konflikte betrachtet werden könne. Dabei hob er hervor, dass Wissenschaft und Politik eine klare Rollenverteilung brauchen: Wissenschaft liefere Empfehlungen, während die Politik Entscheidungen treffe.

Er warnte davor, dass sich politische Entscheidungsträger zu oft hinter dem Begriff „die Wissenschaft“ versteckten und dabei ausblenden würden, dass es in der Wissenschaft immer widerstreitende Perspektiven gebe. Gleichzeitig sprach er sich dafür aus, dass auch Wissenschaftler sich auf ihren Bereich konzentrieren und nicht „Politiker spielen“ sollten.

Streeck kritisierte zudem strukturelle Defizite in der deutschen Pandemiebekämpfung. So bemängelte er die unzureichende wissenschaftliche Erfassung des Infektionsgeschehens sowie der Immunität in der Bevölkerung. Es hätten zu keinem Zeitpunkt ausreichend fundierte Daten vorgelegen, um die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen wie Lockdowns oder Schulschließungen exakt zu bewerten. „Im Freien sind viele der Maßnahmen, die getroffen worden sind, nicht nötig gewesen“, hielt der bei der Bundestagswahl für die CDU als Abgeordneter gewählte Streeck fest.

Auch zur Rolle des Robert Koch-Instituts (RKI) nahm Streeck Stellung. Er sprach sich für eine Reform des Instituts aus, um dessen Unabhängigkeit von politischen Weisungen zu stärken und eine bessere Datenerhebung zu ermöglichen. Die Aufspaltung des RKI in unterschiedliche Institutionen, wie derzeit diskutiert und von Karl Lauterbach angedacht wird, lehnte er ab. Ähnlich äußerte er sich auch zur Weltgesundheitsorganisation (WHO). Analog zum RKI sprach sich Streeck auch für eine Reform der WHO aus, die auf eine Stärkung und größere Unabhängigkeit der Institution abzielen sollte.

Während der Fragerunde der Fraktionen zeigte sich Streeck fachlich engagiert und erklärte virologische Grundlagen ausführlich. Wichtige kritische Fragen der Abgeordneten zur politischen Verantwortung einzelner Akteure, von Bundes- oder Landesregierungen sowie von staatlichen Behörden beantwortete er allerdings zögerlich und ausweichend.

Seine Kritik am RKI formulierte er diplomatisch: Die dort arbeitenden Wissenschaftler hätten gerne genauere Daten erhoben, seien aber durch rechtliche Rahmenbedingungen daran gehindert worden. Die im vergangenen Jahr veröffentlichten RKI-Files bewertete er als einen Zeitzeugenbericht von kontroversen Diskussionen, die auch öffentlich stattgefunden hätten – und als ein Dokument, das zeige, dass man dem RKI mehr Weisungsfreiheit geben und zutrauen sollte.

Auch der nach Streeck befragte Epidemiologe und Virologe Klaus Stöhr, der in der Vergangenheit lange Zeit als Experte in der WHO tätig war, kritisierte die Maßnahmen und die öffentlichen Darstellungen zur Wirksamkeit der Impfstoffe. Schon früh sei Wissenschaftlern klar gewesen, dass die Präparate zwar vor schweren Verläufen, nicht jedoch vor Ansteckungen schützen könnten.

Das Vorgehen der deutschen Behörden in der Pandemie verglich der Wissenschaftler mit einem Experiment. Was die Nachverfolgung der Kontaktpersonen gebracht habe, sei etwa unklar, während hingegen die Überlastung der Gesundheitssysteme an allen Stellen sichtbar wurde. Zudem habe der Genesenenstatus nur in Deutschland lediglich drei Monate betragen, monierte Stöhr.

Parallel zum Untersuchungsausschuss hat eine vom Sächsischen Landtag eingesetzte Enquete-Kommission zur Pandemieaufarbeitung ihre Arbeit am Freitag aufgenommen. Sie setzt sich aus 18 Parlamentariern verschiedener Fraktionen zusammen und verfolgt einen anderen Ansatz als der Untersuchungsausschuss. Während letzterer mögliche Fehlentscheidungen aufklären soll, geht es in der Kommission um eine umfassende Analyse der Pandemiepolitik und die Entwicklung künftiger Krisenstrategien.

Die SPD-Politikerin Simone Lang betonte in einer öffentlichen Stellungnahme, dass die Kommission nicht „Schuldige suchen“, sondern sachlich Lehren aus der Krise ziehen wolle. Im Fokus stehen unter anderem Maßnahmen wie Masken- und Impfpflicht sowie der Umgang mit Impfschäden. Zudem sollen Gesundheitsversorgung, kritische Infrastruktur, Schulen und soziale Einrichtungen in die Analyse einbezogen werden.

Mit der parallelen Arbeit beider Gremien beginnt in Sachsen ein intensiver Aufarbeitungsprozess, der sowohl politische Verantwortung klären als auch Wege für ein besseres Krisenmanagement der Zukunft aufzeigen soll.

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