
Klar: Der letzte „Tatort“ hatte eine gute Einschaltquote, 9,98 Millionen Menschen sahen die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk. Klar auch: Die schauspielerische Leistung war teilweise bemerkenswert. Noch selten sah man Prostituierte im Puff, die keine waren und doch so wirkten. Und die Location war das, was es sein sollte – ein Bordell.
Aber warum müssen die Sexarbeiterinnen so sprechen? „Es ist nicht meine Vagina, die schmerzt, es ist die Lüge.“
Und warum müssen sie direkt in die Kamera gucken und den Zuschauer über ihre seelischen Verletzungen aufklären und ihre Ächtung durch die bigotte bürgerliche Gesellschaft beklagen? Und vor allem: Was hat das mit einem Krimi zu tun, der „Tatort“ heißt und auch mal ein Film war, bei dem es um Mörder, Verbrecher und andere Schufte ging – die am Ende der gerechten Strafe zugeführt wurden?
Die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) im Puff.
Antwort: Weil der Regisseur sich selbst verwirklichen wollte. Weil es keine einfachen Krimigeschichten mehr sein dürfen, sondern gesellschaftskritisch relevante Erzählungen, die möglichst kompliziert vorgetragen werden müssen. Der „Tatort“ wird immer abgefahrener und unglaubwürdiger. Motto: Nicht der Täter ist schuld, sondern die Gesellschaft. Bei dem „Tatort“ mit dem Titel „Siebte Etage“ frage ich mich: Hätte man das nicht auch ein bisschen einfacher erzählen können?
Die Duisburger Hauptkommissare Horst Schimanski (Götz George, r.) und Christian Thanner (Eberhard Feik, l.) im Tatort „Medizinmänner“ (1990).
Zum Beispiel so wie die schnörkellosen Duisburger Schimanski-Krimis. Ohne überflüssige Emotion, aber mit viel Spannung jagten Götz George und Thanner (Eberhard Feik) die Mörder im Ruhrpott. Beide Schauspieler sind tot – ihre „Tatort“-Krimis aber sind unsterblich und werden immer wieder gezeigt. Oder die legendäre „Tatort“-Folge „Reifezeugnis“ von Regisseur Wolfgang Petersen mit der sagenhaften Nastassja Kinski und der enormen Einschaltquote von 67 Prozent. Schülerin verliebt sich in ihren Lehrer (Christian Quadflieg) mit schlimmen Folgen – unvergessen!
Schimanski-Tatort „Zahn um Zahn“ (1985).
Vielleicht erinnern Sie sich an die „Tatort“-Folge „Borowski und der stille Gast“ mit dem grandiosen Lars Eidinger als Kai Korthals, einem der unheimlichsten Mörder der „Tatort“-Geschichte. Oder an die actionreiche Folge „Im Schmerz geboren“ mit Ulrich Tukur. Der Mörder hinterlässt 54 Leichen – „Tatort“-Rekord! Diese Folge gewann die Goldene Kamera und den Grimme-Preis – vollkommen zurecht. Großartig war Maria Furtwängler als Kommissarin Lindholm in „Wegwerfmädchen“. Dieser „Tatort“ spielt in Hannovers Rotlichtmilieu und war der Durchbruch der fantastischen Emilia Schüle.
Freddy Schenk (Dietmar Bär) im Laufhaus.
Die Reihe kann jeder „Tatort“-Fan mühelos fortsetzen. Es gibt bessere und schwächere Krimis, na klar. Das gab es schon zu der Zeit, als der Mörder immer ein Bankier oder ein gemeiner Unternehmer war. Und die Reichen grundsätzlich die Bösen. Allerdings wurden die Geschichten früher schnörkelloser und verständlicher erzählt – ohne Woke-Filter, ohne Selbstverwirklichung.
Mein gesunder Menschenverstand fleht: Gebt uns bitte unseren schönen Tatort zurück!
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