
Nach dem Tod von Liana K., die am 11. August mutmaßlich von einem irakischen Asylbewerber vor einen Zug gestoßen worden war, erhebt die Mutter schwere Vorwürfe. Im Interview mit Nius schilderte die 2022 mit ihrer Familie aus der Ukraine geflüchtete Frau, dass sie von den Ermittlungsbehörden alleine gelassen wurde.
Als sie auf dem Bahnsteig im niedersächsischen Friedland ankamen, wurde ihnen zwar erklärt, dass ihre Tochter verstorben sei. Vielmehr war es am Abend ihr „guter Freund“ Markus Janitzki, der Bürgermeister von Geisleden, der die Hiobsbotschaft bestätigte. Die Familie war in die thüringische Gemeinde geflohen, nachdem ihr Haus in Mariupol zerstört worden war.
In der Zwischenzeit hätten sich Notärzte und Psychologen um die Familie gekümmert. Die Mutter schilderte weiter, dass sie von Anfang an nicht an einen Unfall oder einen Selbstmord ihrer Tochter geglaubt hatte. Das lag auch daran, dass Liana K. unmittelbar vor ihrem Tod mit ihrem Großvater in der Ukraine telefoniert hatte. Der habe gemerkt, dass etwas nicht stimmte – plötzlich habe er nur noch Schreie gehört, die 16-Jährige war nicht mehr zu erreichen.
Für die Mutter ist klar: Liana K. ist „getötet worden“. Bis zum 29. August hatte die Polizei von einem Unglück gesprochen, erst als die Staatsanwaltschaft Göttingen die Ermittlungen übernahm, wurde ein 31-jähriger Iraker, der im Grenzdurchgangslager in Friedland untergebracht war, als Tatverdächtiger genannt. Die Polizei hatte der Mutter gegenüber zuvor noch erklärt, der Mann, Muhammad A., sei unschuldig, erzählte sie in dem Interview.
Die Beamten hatten überdies unmittelbar nach dem Tod von Liana K. Kontakt mit dem Iraker gehabt, weil dieser am Bahnhof randaliert hatte und deshalb die Polizei gerufen worden war. Als die Einsatzkräfte eintrafen, wurden sie von dem 31-Jährigen zum Bahnsteig geführt, wo der leblose Körper der 16-Jährigen entdeckt wurde – Muhammad A. gab allerdings an, nichts mit ihrem Tod zu tun gehabt zu haben.
„Ich weiß nicht, ob ich es fühlte oder einfach nicht glauben wollte“, berichtete die Mutter jetzt. Es habe nicht zum Charakter ihrer zielstrebigen und willensstarken Tochter gepasst, Suizid begangen zu haben oder in einen Unfall verwickelt worden zu sein. Liana K. wäre niemals in die Nähe der weißen Bahnsteigmarkierung gegangen, so vorsichtig war sie, so die Mutter. „Sie hatte große, große Pläne“, wollte Zahnmedizinerin werden.
Die Polizei habe ihre Vermutung trotz aller Widersprüche aber nicht geteilt. Erst vier Tage nach dem Tod ihrer Tochter, am 15. August, habe die Familie demnach Besuch von den Ermittlern bekommen. Die Beamten hätten gesagt: „Wir werden ermitteln, wir melden uns – und dann hörten wir lange nichts mehr, bis wir selbst anfingen, überall nachzufragen“, so die Mutter weiter.
Später sei die Polizei noch einmal auf die Familie zugegangen. Die Ermittler hätten zwar erklärt, an dem Bahnsteig habe es keine Kameras gegeben, dafür vor einer Supermarkt-Filiale. Darauf sei zu sehen gewesen, dass es Liana K. auf dem Weg zum Bahnhof gut ging, meinten demnach die Polizisten gegenüber der Familie.
Doch dann stellte der Vater eine einfache Frage: Trug Liana K. ihre Tasche quer über die Schulter? Das konnten die Ermittler nicht beantworten und verwiesen auf die schlechte Bildqualität der Aufnahmen, so die Mutter. „Aber wie konnten sie dann überhaupt erkennen, dass es ihr gut ging? Erst hieß es so, dann anders, dann wieder etwas Neues. Es gibt keine klaren Informationen“, kritisierte sie und äußerte das Gefühl, die Polizei habe sich nicht bemüht, den Fall richtig aufzuklären.
Außerdem forderte sie eine gerechte Strafe, sollte sich der Verdacht gegen Muhammad A. erhärten. „Als ich nach Informationen über meine Tochter suchte, wurde mir klar, wie viele schreckliche Taten es gibt und wie oft die Täter mit dem Hinweis auf psychische Störungen straffrei ausgehen. Das ist erschreckend.“
Sie forderte eine Erklärung und eine lebenslängliche Haftstrafe. Der Tatverdächtige dürfe nicht bloß abgeschoben werden – denn dann könne er zurückkommen „und dann trifft es das Kind einer anderen Mutter“. Sie habe daher auch um ein unabhängiges Gutachten gebeten. „Wenn er tatsächlich psychisch krank ist, dann muss es doch jemanden geben, der für ihn verantwortlich war. Irgendjemand muss die Verantwortung tragen.“
Überdies stellte sie die Frage, wie der irakische Asylbewerber trotz der offenbar vorliegenden Schizophrenie seit 2022 in Deutschland verbleiben und alle notwendigen Dokumente einreichen konnte. „Wie kann jemand mit einer psychischen Krankheit jahrelang durch Deutschland reisen, von Lager zu Lager, neue Papiere beantragen, unter neuem Namen, wie konnte er das schaffen? Ich bin eine erwachsene, vernünftige Frau und selbst für mich sind all diese Dokumente und Verfahren kaum zu bewältigen.“
Recherchen unterschiedlicher Medien haben zuletzt ergeben, dass es nicht nur in der Akte von Muhammad A., der 2022 aus Litauen nach Deutschland kam und ausreisepflichtig war, Unstimmigkeiten gibt, sondern auch das Vorgehen der Ermittler Fragen aufwirft (mehr dazu hier und hier) – die Aussagen der Mutter wurden bislang jedoch nicht bestätigt. Am Donnerstag soll der Fall im Innenausschuss des niedersächsischen Landtags näher beleuchtet und etwaige Unstimmigkeiten möglicherweise aufgeklärt werden.