Wurden in Berlin Pässe und Termine verkauft?

vor etwa 22 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Das Ende des Julis ist gekommen. Der Sommer war sowieso nicht allzu gut. Zeit für einen schönen Termin des „Regierenden“ Kai Wegner (CDU) und seiner angeblich taffen Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Berliner Landesamt für Einwanderung. Der Titel der Behörde sagt schon fast alles: Hier geht es nicht mehr um Ausländer, hier soll Einwanderung organisiert werden. Dazu dienen auch einige „Tricks“, mit deren Hilfe die Amtsführung ordentliche Verwaltungsverfahren umgeht und ad absurdum führt.

Trick 1: Prüfungen einsparen. In Berlin reicht es, wenn der deutsche Pass schon einmal „zugesichert wurde“. Die Einbürgerung soll dann zur Formsache werden. Von wem und auf welcher Grundlage zugesichert, scheint nicht so wichtig. Die LEA-Mitarbeiter sollen in solchen Fällen „ohne weitere Prüfung einbürgern“. So heißt es in internen Anweisungen aus dem Berliner Landesamt für Einwanderung (LEA). Geburtsurkunden oder Rentenunterlagen sind dann egal. Peanuts, Kleckerkram, Petitessen.

Aber das ist erst der Anfang. Es gibt noch Trick 2: Mutig entscheiden statt prüfen. Ausdrücklich werden Mitarbeiter zu mutigen, vielleicht sogar tollkühnen Entscheidungen ermutigt: „Es ist menschlich, dass Mitarbeitern Fehler unterlaufen. Angst vor Fehlern soll jedoch ausdrücklich nicht die Entscheidungsfreude blockieren!“ Mit Ausrufezeichen. Im Zweifelsfall darf und soll also eingebürgert werden, auch wenn sich ein Entscheider vielleicht gar nicht so sicher ist, ob der Kandidat wirklich und dauerhaft erwerbstätig ist, ob er einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel hat, ob er unbescholten ist. Vielleicht kann dann sogar der Nachweis der aktuellen Staatsangehörigkeit wegfallen? Dann stünde die Tür noch weiter offen für alle einstigen (auch abgelehnten) Asylbewerber. Lieber soll der Mitarbeiter einen Fehler riskieren, als eine Einbürgerung verpassen. Nur so lässt sich der zitierte Satz verstehen.

Trick 3: Keine Kontrollen der Mitarbeiter. Außerdem wurde das „Vier-Augen-Prinzip“, wonach ein Vorgesetzter die Arbeit des Entscheiders prüft und kontrolliert, schon im letzten Jahr abgeschafft. Man hält das für ein Grundprinzip der modernen Verwaltungslehre, doch in Berlin soll es nicht mehr gelten. Der Willkür sind so Tür und Tor geöffnet. Zu den Voraussetzungen für eine Einbürgerung zählen daneben ausreichende Deutschkenntnisse (mindestens B1), die wiederum nützlich sein werden, um die Kenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu klären. Eine namenlose Mitarbeiterin bestätigt: „Unsere Leitungsprotokolle belegen klare Sicherheitslücken.“

Und nun liest man, dass es schon seit Juni mehrere Hausdurchsuchungen bei Mitarbeitern des Landesamtes gab. Der einzig bekannte Fall war bisher die Durchsuchung bei einem 38-jährigen Mitarbeiter, der unrechtmäßig eine Familie aus Nordmazedonien eingebürgert hatte. Die Familie hatte ihre Anträge eigentlich schon zurückgenommen, der Mitarbeiter war zudem gar nicht zuständig. Er unterschrieb die Urkunde also mit falschem Namen, verwendete das Siegel eines anderen und löschte anschließend die Ausländerakten der neu Eingebürgerten. Geschehen ist es nicht in ferner Vorzeit, sondern im April diesen Jahres. Da gab es die digitale Einbürgerung schon.

Klüngelstadt Berlin, allerdings vor allem im Ausländeramt. Eine Frage nach dem genauen Migrationshintergrund der eigenen Mitarbeiter ließ die Behörde unbeantwortet. Der Anteil von Angestellten mit Migrationshintergrund liegt laut Bild bei 38,6 Prozent. Da kann man sich schon mal gemeinsam gegen das deutsche Staatswesen verbünden.

Die gewollte Laxheit beim Einbürgern kommt nicht von irgendwoher. Die Leitung des Landesamtes hat – offenbar auf Anweisung von ganz oben, aus dem Roten Rathaus – festgesetzt, dass die Mitarbeiter in diesem Jahr 40.000 Einbürgerungen schaffen sollen. Trick 4: Planvorgabe verordnen. Zur Jahresmitte wurden die ersten 20.000 mit einer blauen Torte samt Schriftzug „Einbürgerung 20.000“ gefeiert. Man kann das nennen, wie man will: Einbürgerung im Eiltempo, am Fließband, im Akkord oder nach Plan. Es bleibt dieselbe Sache. Doch Innensenatorin Spranger (SPD) mochte auf Nachfrage der Bild nicht erkennen, dass eventuell auch „die Anzahl von Einbürgerungsanträgen einen Korruption begünstigenden Faktor darstellt“. Wenn man ganz fest die Augen schließt, vielleicht nicht. Eigentlich ist das aber gar nicht mehr Korruption der Mitarbeiter, sondern deren Gängelung durch ein sich allwissend wähnendes Staatsungeheuer.

Daneben geht es nun auch um Terminvergabe gegen Entgelt, ein anscheinend minderes Vergehen. Dennoch greift auch hier Paragraph 332 des Strafgesetzbuchs, in dem es um Bestechlichkeit geht. Eine Angestellte könnte sich „an der Terminnot von Kunden bereichert“ haben, wie es LEA-Leiter Engelhard Mazanke ausdrückt (wenn auch in einstweiliger Negation). Alice Weidel, Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, fordert via X den Rücktritt von Bürgermeister Wegner, falls die Korruptionsvorwürfe sich bewahrheiten.

Die wiederholten Ermittlungen und Razzien werfen ein mehr als schiefes Licht auf die Aussagen des Regierenden Bürgermeisters und seiner Innensenatorin, die sich immer noch überzeugt geben, dass die Digitalisierung der Verfahren – also der Verzicht auf alle Amtstermine bis zur Urkundenübergabe, damit einhergehend das Arbeiten von Zuhause für die Mitarbeiter – die Verfahren sogar sicherer, weil „nachverfolgbar“ mache. Das ist wirklich ein großer Unsinn. Was nützt die Nachverfolgbarkeit eines digitalen Vorgangs, wenn die Realität dabei ausgeblendet wird? Etwa die Tatsache, dass viele der Einbürgerungskandidaten eben nicht Deutsch in B1-Qualität sprechen. Das fiel immer wieder erst bei der Urkundenübergabe aus. Da war es dann zu spät. Man kommt schwer darum herum, all das wurschtig und irgendwie typisch Berlin zu finden.

Auf dem Sektor hat sich Berlin schon in den letzten Jahren hervorgetan. 4000 Syrer, Afghanen und Iraker sind über die Jahre per Landesaufnahmeprogramm in die Stadt gekommen, weil Verwandte von ihnen schon da waren. Familiennachzug auf Berlinerisch. Nun will Alexander Dobrindt dem Programm angeblich ein Ende machen. „Darf Dobrindt das?“, wird man im weltstädtischen Berlin ungläubig nachgefragt haben.

Zu guter Letzt ist auch das Arbeiten von Zuhause (neudeutsch Homeoffice) offenbar voller Gefahren. In den Anweisungen des Landesamtes an die lieben Mitarbeiter heißt es: „Gehen Sie nicht in Datensätze, für die Sie nicht zuständig sind, auch nicht von Freunden/Bekannten/Verwandten/Mitarbeitern und gegebenenfalls den eigenen Datensatz!“ Der eigene Datensatz? Könnte es also wirklich sein, dass ein Nicht-Eingebürgerter andere Ausländer einbürgert ? Das scheint nur eine übertriebene Mutmaßung zu sein. Denn Amtsangestellte haben wohl Zugriff auf viele verschiedene Datensätze, auch die, die wenig mit ihrem eigenen Arbeitsbereich zu tun haben. Trick 5: Freiräume für korrupte Mitarbeiter ausbauen.

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