Zahlreiche Wahlpannen und knappes BSW-Ergebnis: Warum das Wahlergebnis jetzt überprüft werden muss

vor 2 Monaten

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Bildquelle: Apollo News

Nur 13.435 fehlende Stimmen entschieden letztlich über die Zukunft des BSW. Laut dem vorläufigen Endergebnis der Bundestagswahl kommt die Partei nur auf 4,972 Prozent und verpasst damit den Einzug in den Bundestag – das ist jedoch entscheidend für die Sitzverteilung im Bundestag und damit über mögliche Koalitionen. Wäre das BSW in den Bundestag gekommen, so wären die einzigen beiden Optionen eine Koalition aus Schwarz-Rot-Grün oder eine Zusammenarbeit von Union und AfD gewesen.

Jetzt, da das BSW den Einzug knapp verpasst hat, reicht die um die Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind, bereinigte Verteilung auch für eine Koalition aus Union und SPD. Eine solche gilt damit als die wahrscheinlichste Regierungskonstellation für die kommenden Jahre. CDU und CSU sowie die SPD erhielten am Sonntag 28,6 beziehungsweise 16,4 Prozent der Stimmen.

Obwohl das BSW in den Hochrechnungen lange bei fünf Prozent gesehen wurde, machen die fehlenden 0,028 Prozent jetzt eine Groko möglich – doch die Wagenknecht-Partei möchte sich nicht so einfach geschlagen geben. Denn: Nicht nur kam es am Wahlsonntag zu einigen kleinen Pannen in den Wahllokalen, auch bei der Versendung der Unterlagen an Auslandsdeutsche kam es zu Ungereimtheiten.

Mehr als 210.000 Auslandsdeutsche, so viele wie noch nie, haben sich zur Bundestagswahl registrieren lassen. Immer wieder gab es allerdings im Vorfeld der Wahl Berichte über fehlende Unterlagen. Es ist also davon auszugehen, dass zahlreiche Briefwahlzettel der Auslandsdeutschen nicht rechtzeitig in die entsprechenden Wahllokale gekommen sind. Sahra Wagenknecht kündigte am Montag deshalb an, juristische Schritte gegen das Ergebnis einzuleiten. Zuvor hatte bereits Fabio De Masi, der für das BSW im EU-Parlament sitzt, eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht ins Spiel gebracht.

Denn: hätte das BSW beispielsweise unter den ausbleibenden Briefwahlzetteln übermäßig hohe Stimmanteile erhalten, hätten die notwendigen 0,028 Prozent erreicht werden können. Von allen registrierten Auslandsdeutschen hätten also ungefähr 24.000, damit etwa zwölf Prozent der für die Wahl registrierten Deutschen im Ausland, für das BSW stimmen müssen.

Das BSW kann daher jetzt eine Wahlprüfungsbeschwerde einreichen (Apollo News berichtete). So etwas gab es schon früher, zuletzt nach der Bundestagswahl 2021. Damals ordnete das Bundesverfassungsgericht eine Teilwiederholung der Wahl in Berlin an. Aber nicht nur die Stimmen der Auslandsdeutschen werden von dem BSW angefochten: De Masi warf den Medien und Umfrageinstituten ein gezieltes Vorgehen „über Wochen und Monate“ vor, auch Wagenknecht sprach von einer „Negativkampagne“.

In den vergangenen Wochen lag die Partei in Umfragen bei etwa vier bis fünf Prozent, wurde also unterbewertet. Forsa sah das BSW am Freitag sogar nur noch bei drei Prozent. De Masi verwies des Weiteren auf eine aktuelle Studie über die Erfolgschancen kleiner Parteien. Demnach würde nur eine von vier Parteien, die in Umfragen leicht unter der Fünf-Prozent-Hürde eingeordnet werden, den Bundestagseinzug tatsächlich schaffen. Liegen die Parteien knapp darüber, schaffen drei von vier Parteien den Sprung ins Parlament. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Fehlertoleranz bei Umfragen mit zwei bis drei Prozent angegeben wird.

Letztlich entscheidend ist aber die Mandatsrelevanz, also die Auswirkung eines Wahlfehlers auf das letztliche Wahlergebnis. Sollten also die Versäumnisse bei der Briefwahl der Auslandsdeutschen tatsächlich so gravierende Auswirkungen gehabt haben, dass das Ergebnis des BSW negativ beeinflusst wurde, so könnte eine Wahlwiederholung stattfinden, weil sie über die Bundestagszugehörigkeit der Partei entscheidend wäre.

Ob der Versand der Wahlunterlagen jedoch als Wahlfehler eingestuft werden kann, ist unklar. Die Bundeswahlleiterin Ruth Brand hatte die Durchführbarkeit der Wahl nach anfänglichen Bedenken im November bestätigt – dennoch erhielten zahlreiche Wähler im Ausland ihre Unterlagen zu spät. Die Behörde muss daher jetzt prüfen, ob alle Stimmzettel rechtzeitig und in Anbetracht der teilweise weiten Versandwege verschickt wurden.

Sollte das nicht der Fall sein, so könnte die Durchführung der Wahl gegen Artikel 38 des Grundgesetzes verstoßen haben, in dem „gleiche“ Wahlbedingungen vorausgesetzt werden. Genau das müsste in einem Wahlprüfungsverfahren vom Bundesverfassungsgericht untersucht werden. „Das Wahlrecht den Auslandsdeutschen theoretisch zu gewähren, in der Praxis aber nicht sicherzustellen, ist verfassungswidrig“, erklärte beispielsweise der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, Oliver Junk, gegenüber der Nachrichtenagentur dts.

Beispielsweise durch Streiks bei der belgischen Post und kurze Fristen konnten einige Stimmen vermutlich nicht rechtzeitig in den Wahllokalen abgegeben werden. So berichtete sogar der deutsche Botschafter in Großbritannien, Miguel Berger, auf X über fehlende Wahlunterlagen (Apollo News berichtete). In Sydney waren die Unterlagen beispielsweise so spät angekommen, dass ein Rückversand nicht zeitgerecht möglich gewesen wäre.

„Mit einem kommerziellen Kurier kommt die Post nicht mehr rechtzeitig an. Deshalb brauchen wir Ihre Hilfe“, teilte das Konsulat in der australischen Stadt mit. Deshalb wurde nach Personen gesucht, die am Donnerstagabend von Sydney nach Deutschland fliegen sollten, um die abgegebenen Wahlunterlagen mitzunehmen. Eine in Anbetracht des Wahlgeheimnisses fragwürdige Methode. Ob sich tatsächlich eine Person fand, welche die Wahlunterlagen mitnahm oder ob die Stimmen der Auslandsdeutschen definitiv verloren sind, ist unklar (Apollo News berichtete).

Vor allem aus den USA mehrten sich die Stimmen von betroffenen Wählern, die ihre Unterlagen nicht rechtzeitig erhielten, aus Los Angeles wurden beispielsweise lediglich 46 Wahlzettel nach Deutschland versendet, berichtete die Tagesschau am Samstag. Auch gegenüber Apollo News berichteten zahlreiche betroffene Wähler aus dem europäischen Ausland, aber auch aus Kanada und den USA über fehlende oder erst spät erhaltene Unterlagen.

Wurde die Wahl also tatsächlich nicht allen deutschen Staatsbürgern gleich ermöglicht, könnte das knappe Ergebnis des BSW auch von offiziellen Stellen angezweifelt und die Briefwahl wiederholt werden. Eine Ursache für die unregelmäßige Versendung der Wahlunterlagen könnte die dezentrale Organisation sein. Die Gemeinden, in denen sich die Auslandsdeutschen registrieren, sind auch für die Versendung der Briefe zuständig – dahingehend könnte es je nach Auslegung der Wahlprüfungsbeschwerde auch zu einer Wahlwiederholung in den betroffenen Wahlkreisen kommen.

Mancherorts mussten die Wahlunterlagen wegen formeller Fehler neu versendet werden, beispielsweise im Landkreis Salzgitter-Wolfenbüttel in Niedersachsen. Hier wurden laut der Goslarschen Zeitung etwa 190.000 Stimmzettel von der zuständigen Verwaltung am 7. Februar als ungültig erklärt, weil die Abkürzung einer Partei falsch abgedruckt wurde. Kurz zuvor mussten auch im Kreis Wesel am Niederrhein 70.000 Wahlzettel neu aufgelegt werden. Betroffen waren insgesamt tausende Briefwahlzettel (Apollo News berichtete).

Letztlich entscheiden also die 4,972 Prozent des BSW über die Gültigkeit dieser Bundestagswahl – und über die Zukunft der kommenden Bundesregierung.

Haben Sie die Wahlunterlagen ebenfalls verspätet erhalten? Berichten Sie uns gerne über das Kontaktformular über Ihre Erfahrungen.

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