
Es wirkte wie eine politische Show, als am 30. August 2024 das geschah, was laut Innenministerin Nancy Faeser (SPD) eigentlich gar nicht möglich war: 28 kriminelle Afghanen wurden an einem frühen Freitagmorgen nach Afghanistan abgeschoben. Der Spiegel berichtete zuerst über die Abschiebungen, gepaart mit einem ankündigungsschwangeren Interview des Kanzlers.
Sieben Tage nach dem ISIS-Terror von Solingen und zwei Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, wo zu befürchten stand, dass die AfD gut bis sehr gut abschneiden würde, wirkte der (plötzlich doch mögliche) Abschiebe-Flug wie politischer Aktionismus aus dem Bilderbuch.
Die Show vollendet hat nun aber das ZDF: Reporter des öffentlich-rechtlichen Senders flogen einem der 28 afghanischen Schwerverbrecher hinterher, interviewten den Mann, den sie Raheem nannten, und verharmlosten nebenbei, dass es sich um einen verurteilten Messerstecher handelte.
Raheem war demnach 2021 nach Deutschland geflohen – nicht wegen politischer Verfolgung. Er spricht seine Beweggründe offen aus: „Wir hatten finanzielle Schwierigkeiten und ich hatte keine Arbeit. Deswegen habe ich entschieden, nach Europa zu fliegen.“ Er habe arbeiten und seiner Familie Geld schicken wollen, was aber nicht funktionierte. Er habe stattdessen schwarz gearbeitet.
„ ... bis er straffällig wurde“, heißt es in dem ZDF-Beitrag. Und weiter: „Was genau passierte, wissen wir nicht. Nur so viel: Er soll in einen Streit verwickelt worden sein, trug ein Messer mit sich. Die Polizei nahm ihn fest. Das Urteil: 3 Jahre Gefängnis.“ Die Chef-Korrespondentin des ZDF, Katrin Eigendorf, erläuterte die Recherche bei X: „Dann wird er, so erzählt er, in einen Streit mit Messern verwickelt. Was er als harmlos empfindet, eine kleine Auseinandersetzung, wird als Straftat gewertet.“
„Eine kleine Auseinandersetzung“, die zu einer Haftstrafe und einer Abschiebung neben 27 anderen Schwerverbrechern, die unter anderem wegen Vergewaltigung verurteilt worden sind.
Raheem wird vom ZDF gezeigt, wie er Wasser holt.
Inzwischen – zwei Tage nach der Veröffentlichung – hat das ZDF den Beitrag angepasst.
Nun wird erklärt, dass die Darstellungen Raheems eine Verharmlosung seien. Im zum Video-Beitrag gehörigen Online-Artikel heißt es wörtlich: „Dieser Artikel wurde am 21.10.2024 überarbeitet. Insbesondere die Einordnung zu der Tat und dem Strafmaß wurde ergänzt. In der vorherigen Fassung hatte es zur Tat geheißen: ,Was genau passiert ist, wissen wir nicht.‘ Diese Formulierung war irreführend, weil sie verharmlosend wirkte. Fest steht, dass der Afghane zu drei Jahren Haft verurteilt wurde und sich somit einer schweren Straftat schuldig gemacht hatte.“
Auch Autorin Katrin Eigendorf ruderte zurück: „Es ist klar, dass Raheem, auch wenn er selbst von einer Auseinandersetzung mit Messern spricht, eine schwere Straftat begangen hat“, schrieb sie bei X. Raheem habe sich nicht einsichtig gezeigt, wolle gar wieder zurück nach Europa kommen, schreibt sie.
Was genau mit dem Messer passiert ist, weiß das ZDF bis heute nicht – die Behörden würden aus datenschutzrechtlichen Gründen keine genauen Angaben machen, heißt es. Sicher sei man sich aber über die Dauer der Haftstrafe von drei Jahren. Auf NIUS-Nachfrage heißt es: „Das ZDF hat gesicherte Erkenntnisse darüber, dass der Protagonist zu einer dreijährigen Haftstrafe in Deutschland verurteilt wurde.“ Man beteuerte zudem, sicher zu wissen, wer Raheem ist. Weiterhin sagte das ZDF, dass Raheem kein Honorar erhalten habe.
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