
Just zehn Jahre nach der Grenzöffnung von 2015 kam es nun auch der ZDF-Allzweckwaffe Dunja Hayali in den Sinn, nach den Gründen des gestiegenen Unsicherheitsgefühls der Deutschen zu fragen. Aus Erhebungen wie der des Bundeskriminalamtes zur „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ (SKiD) ist lange bekannt, dass sich ein Drittel der Hamburger nachts in ihrem eigenen Wohnviertel unsicher fühlen. Im öffentlichen Nahverkehr lag dieser Anteil letztes Jahr bei der Hälfte.
Deutschlandweit fühlen sich inzwischen rund die Hälfte der Bürger nicht mehr sicher im öffentlichen Raum, wie diverse Umfragen und Erhebungen zeigen. Auch dass ZDF blendet das ein, versucht sich aber dann in Relativierung. Eigentlich müsste das Thema nach diesen Erhebungen mit voller Wucht im öffentlich-rechtlichen Mainstream ankommen. Aber das passiert nur mit Verspätung, tatsächlich noch nicht einmal das. Wegerklären ist noch immer groß in Mode, zumal wo es um die Ursachen geht.
Viele Junkies, so erfährt man, tragen Messer bei sich, um Crack zu portionieren oder ihre Pfeifen auszukratzen. Aber offenbar nicht alle Junkies haben Messer dabei, und nicht jeder Messerträger ist ein Junkie.
Zum Glück auch werden Messer meist unter Bekannten eingesetzt, wie Hayali verkündet. So aus dem Blauen heraus von einem Messer getroffen werden, das kann einem demnach nicht passieren. Die befragten Passanten haben aber trotzdem genau davor Angst. Komisch. Vielleicht ist das einfach so, weil ein einmaliger Messerstich in den Rücken genügen kann, und dann ist es aus mit dem Bangen und dem Hoffen.
Später tritt auch noch eines der Opfer des Solinger „Fests der Vielfalt“ auf, die von jenem „mutmaßlichen Islamisten“ (Hayali) unvermittelt quer durch den Hals gestochen wurde und nur dank einer Not-OP überlebte. Es kann also doch passieren. Aber zugleich lobt Hayali die „Gefasstheit“ dieses Opfers, das selbst weder Wut noch Hass versprühe. Ja, diese „Betroffene“ Lea Varoquier versteigt sich sogar zu dem Satz: „Aber wie viele Deutsche machen hier was …“ Gehirnwäsche im Endstadium. Varoquier meinte andernorts, Terrorismus habe keine Religion.
Einen Hauch von Realitätsbeschreibung darf eigentlich nur der Mann mit dunklerem Hautton im Rollstuhl abgeben. Auch er ist obdachlos und heißt Eddy. Eddy spricht von „bestimmten Leuten aus einem bestimmten Land, die das eh nicht anders kennen, aggressiv, aggressiv, aggressiv … Afghanen, Syrier … Dadurch sind auch die Messerspiele hier reingekommen. Das gab’s nicht. Hier gab’s das nicht.“ Eddy darf das sagen, weil er ganz sicher Straßenhaftung hat und ein Opfer dieser Gesellschaft ist. Es sind also nicht so sehr die Cracksüchtigen, sondern diese „bestimmten Leute aus einem bestimmten Land“, die für das Messersterben in deutschen Städten sorgen. Und wiederum ist alles gut, wenn Dunja Eddy am Ende des Gesprächs mit gesenktem Haupt alles Gute wünscht. Für solches Kopftätscheln bezahlt man gerne 18 Euro im Monat.
Dunja Hayali geht es laut ihrer Stimme aus dem Off „eigentlich um das große Ganze“. Deshalb interessiert sie sich auch für „kleine Fische“ wie den obdachlosen polnischen Trinker, der einen kleinen Diebstahl begangen hat, aber ohne Haftbefehl nicht festgenommen wird. Das findet Hayali absurd, es ist aber eigentlich ganz normal. Nicht normal ist dagegen, dass Hayali versucht, uns diesen Fall als relevanten Teil des Problems darzustellen. Natürlich blickt sie dem anderen obdachlosen Polen schon ziemlich erstarrt ins Gesicht, wenn der sich als „Adolf“ vorstellt, „Adolf Hitler“. Das könnte allerdings wirklich ein Fall für einen Haftbefehl sein.
Dass „die Polizei dermaßen gegen Windmühlen kämpft“, war Dunja Hayali „so nicht klar“. Also irgendwie schon, aber noch nicht so sehr. Der Bundespolizist mit Migrationshintergrund mit dem Vornamen Ali bestätigt es ihr: Man sei immer einen Schritt hinterher, es sei schwer mit dieser inneren Unsicherheitslage.
Ein Höhepunkt der ZDF-„Dokumentation“ „Am Puls mit Dunja Hayali. Die Innere (Un-)Sicherheit“ ist ohne Zweifel der Auftritt der Extremismusexpertin Julia Ebner, die aus irgendeinem Grund auch berufen dazu scheint, zum Unsicherheitsempfinden der Bürger Stellung zu nehmen. Sie weiß natürlich nichts von diesem Thema, hat nur einmal eine ohnehin sehr bemühte Entschuldigungs-,Studie‘ quergelesen und glaubt deshalb, dass der hohe Ausländer- und Migrantenanteil in der Kriminalstatistik auf einem „geographischen Zusammenhang“ beruhe. Damit meint sie aber keineswegs die Herkunftsländer der Migranten, sondern deren aktuelle Wohnungen, die eben leider zu ungünstig („prekär“) gelegen sind, als dass sie sich der Kriminalität entziehen könnten. Hayali weiß an der Stelle, dass dieses Zeug nicht trägt und fährt die gesamte Batterie an Entschuldigungen, Weißwaschungen des Phänomens auf: „bildungsfern, finanzschwach, Traumata, Fluchterfahrung“.
„Immer mehr Geflüchtete rutschen ab in die Drogenszene“ – so geht es weiter. Zum Beispiel zwei junge Afghanen und ein Tschetschene, mit Messer zum Pfeifenauskratzen oder so. Was macht man da nur? Vielleicht weniger illegale Migranten aufnehmen? Andernfalls müsste man eben die Pädagogik- und Therapiestellen hochfahren. Das scheint die einzige Alternative, damit der drogendealende Afghane nicht mehr klauen muss. Die Asylindustrie wird noch lange leben. Hayali weiß auch nicht, warum diese „beste Prävention überhaupt“ nicht genutzt wird, namentlich ein Instrument zur Einstufung der Gewaltaffinität. Und wir fragen uns, wann die Bürger dieses Landes genauso gut mit ähnlichem versorgt werden.
Später werden wir daran erinnert, dass 30 Prozent von 3,3 Millionen Asylzuwanderern therapiebedürftig sind. Das wäre also knapp eine Million. Arm das Land, das solche Fachkräfte benötigt. Von einer anderen Expertin erfährt man, dass der ideale gewaltbereite Mensch ein „schwertraumatisierter Flüchtling“ auf Entzug ist, der von der Polizei kontrolliert wird. Das ist dann also der Triggermoment, der die fiese Messergewalt auf deutschen Straßen und Supermarktparkplätzen lostritt. Auch die gelangweilten Asylheiminsassen, die Passanten belästigen (so in vielen Videos zu sehen) gehören wohl in eine ähnliche Kategorie, wenn man den Expertinnen glaubt.
Und dann werden wir noch durch allerhand Vollzugsprobleme bei der Polizei geführt. Das könnte man alles viel straffer gestalten, hört man aus dem Off-Kommentar heraus. Hayali wünscht sich eine bessere Organisation der Polizei – zumindest für die Hälfte einer TV-Dokumentation. Und auch mit dem Rezept „härteste Kameraüberwachung Europas“ plus „tolle Sozialarbeit“ wie im belgischen Mechelen würde sich Hayali durchaus anfreunden. Dann klappt es wohl auch mit der „Integration“, meint dieser fabelhafte Bürgermeister dort. Ein Getriebener der Exekutive wie andere auch. Auch in Mechelen musste man eben auf einmal mit tausenden Zuwanderern aus grundlegend anderen Kulturkreisen klarkommen – weil Merkel (und einige andere) es so wollten.
Ein weiterer Traummoment der „investigativen“ Arbeit von Hayali ist dann das Kaffeeklatsch-Gespräch mit einigen junggebliebenen Kölnerinnen, mit denen man vorher über die Kölner Ringe geht und dabei durch Bild und Schnitt suggeriert, dass es hellweiße Soja-Sören-Lauch-Typen sind, die die Frauengruppe mit Sprüchen belästigen. Beim anschließenden Gespräch in vier Wänden erklärt die Frauengruppe dann, dass es gar keinen Unterschied gebe zwischen der Belästigung durch Männer, egal ob sie nun Deutsche sind, Europäer oder aus anderen Kulturkreisen zu uns stoßen. Man bekommt sogar auf perfide Art den Eindruck, dass es ja Männer über 50 seien, die am härtesten zu ertragen sind. Den Frauen ist offenbar der arabische Mann mit einem Frauenbild aus der Steinzeit lieber als das alte, weiße, toxische Exemplar. Oder sie sind jenem noch nie begegnet.
Was man am Ende mitnimmt von dieser Reise durch deutsche Kaffeestuben und den Bremer Hauptbahnhof ist, dass die Nöte und Befürchtungen der normalen Bevölkerung in diesem ZDF-Film nur ganz entfernt irgendwo am Rande, eigentlich nur als Einspieler zu Beginn, vorkommen durften. Eddys Beitrag war da schon der tiefgründigste. Stattdessen geht es Hayali um Gewalt gegen Zuwanderer, aber nicht um Gewalt, die von Zuwanderern ausgeht. Die wird jedenfalls nicht als konkretes Beispiel gezeigt, nur als abstraktes Problem, das man am besten mit Stuhlkreisen löst.
Nicht so ganz gut ist übrigens auch die US-Software Palantir, von der allerdings Herbert Reul (CDU-Innenminister von NRW) nachts wie tags zu träumen scheint, weil sie „viel kann“. Allerdings steckt da der Trump- und Musk-Kumpel Peter Thiel mit drin, und das gefällt der rot-grünen Branche natürlich nicht. Angeblich saugen die Amerikaner dann am Ende unsere Kriminaldaten ab oder schalten das Instrument einfach irgendwann ab.
Deshalb möchte die SPD lieber warten, bis Europa etwas ähnliches hergestellt hat. In so wenig dringenden Fragen darf man natürlich etwas zuwarten. Die Mocro-Mafia ist ja erst halb um die Ecke in Köln und am Rhein. Und auch Ulrich Mäurers Bremen wird noch nicht von maghrebinischen Taschendieben überrannt, nein. Also alles gut bisher – auch wenn der SPD-Innensenator zugeben muss, dass man gerade bei diesem Thema Kriminalität einige „Trends“ verschlafen hat. Das kann man wohl sagen, auch den Trend zum Grenzschutz verschläft die SPD ja andauernd.