
Die Wochenzeitung DIE ZEIT hat eine Kolumne des deutsch-jüdischen Schriftstellers Maxim Biller mit dem Titel „Morbus Israel“ nachträglich gelöscht. Der Grund: Ein massiver Shitstorm in den sozialen Medien, der die Redaktion der Hamburger Zeitung zur „Depublikation“ zwang.
Inzwischen ist der Text unter dem Online-Link nicht mehr abrufbar. Stattdessen ist die Seite mit einem Hinweis versehen: „Der an dieser Stelle erschienene Beitrag enthielt mehrere Formulierungen, die nicht den Standards der ZEIT entsprechen. Unsere aufwändige redaktionelle Qualitätssicherung hat leider nicht gegriffen“, heißt es. „Wir haben den Text deshalb nachträglich depubliziert.“ Unter einem Archive-Link ist die Kolumne Billers dabei nach wie vor lesbar.
In jener Kolumne, die zunächst in der gedruckten Ausgabe der ZEIT erschien, setzte sich Biller mit dem „deutschen Israel-Komplex“ auseinander. Unter der provokanten Überschrift „Morbus Israel“ – Israel als „Krankheit“ – analysierte er anhand einer Markus-Lanz-Talkshow die neurotische Fixierung Deutschlands auf das Thema. Mit schwarzem Humor begann er mit einem fiktiven Arztbesuch: „Herr Doktor, immer, wenn ich über Israel rede, geht sofort mein Puls schneller, und nach dreißig Sekunden brülle ich jeden an, der nicht meiner Meinung ist. Ist das normal?“
Biller sprach von der „strategisch richtigen, aber unmenschlichen Hungerblockade von Gaza“.
Besonders zwei Passagen lösten Empörung aus. Biller sprach von der „strategisch richtigen, aber unmenschlichen Hungerblockade von Gaza“, einer Analyse des militärischen Vorgehens Israel, die Kritiker als Verharmlosung werteten. Am Ende erzählte er einen bitteren Witz: Ein israelischer Soldat klagt bei einem Arzt, er habe „keine Lust mehr, auf Araber zu schießen“. Der Arzt rät ihm, er könne aufhören, „aber raten würde ich es Ihnen nicht“. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Biller mit schwarzem Humor zeigt. User auf Social Media werteten den Witz aber als geschmacklos und provokativ gebrandmarkt, viele sahen darin eine angebliche Verhöhnung der Opfer des Gaza-Krieges.
Kaum war Billers Kolumne erschienen, brach auf Plattformen wie X ein Sturm der Entrüstung los. Nutzer warfen dem Autor vor, mit seinem Text antisemitische Klischees zu bedienen und Israels Politik zu verharmlosen. Ein Kommentar sprach von „Genozid-Apologetik“, ein in Qatar lehrender deutscher Philosoph zog Parallelen zu „Witzen auf Stürmer-Niveau“. Der Islamwissenschaftler und Blogger Fabian Goldmann ging noch weiter: „Ein Satz schlimmer, chauvinistischer, bellizistischer, überheblicher, falscher als der andere. Spätestens danach werden unsere Enkel uns fragen, warum wir uns nicht an die Druckerei-Tore von Zeit gekettet haben.“
Debattenkultur 2025: Die “Zeit” knickt vor dem Mob ein und depubliziert feige einen Meinungsbeitrag von Maxim Biller. Warum wird hier kein Diskurs, zum Beispiel in Form eines Gegenbeitrags, zugelassen? Originalbeitrag: https://t.co/0vRLDoADmU pic.twitter.com/Ho2DQCNuCI
Die WELT hat den Vorgang scharf kritisiert und die ZEIT für ihre Kapitulation vor dem „antijüdischen Volkszorn“ angeprangert. In einem Kommentar von Andreas Rosenfelder heißt es: „Dass Biller angeblich in gleich ‚mehreren Formulierungen‘ den offenbar strengen ‚Standards der ZEIT‘ nicht genügt – es klingt wie eine technokratische Verspottung jener intellektuellen und literarischen Freiheit, für die Maxim Biller als radikaler Einzelgänger in der deutschen Medienlandschaft steht.“ Die WELT sieht in der Löschung einen „Skandal – beschämend nicht nur für die ZEIT, sondern für den deutschen Journalismus“. Besonders kritisch wird die Unterwerfung unter den Zeitgeist bewertet: „Die ZEIT opfert Biller mit einem zähneknirschenden ‚leider‘.“
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