Zensur von Lindenberg-Lied: „Indianer“ ist der präzise und wertschätzende Begriff. Was denn sonst?

vor 6 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Ein Gastbeitrag von Simon Akstinat

In der irrationalen Debatte um das Lied von Udo Lindenberg und das unschickliche „I-Wort“ geht völlig unter, dass es in der deutschen Sprache überhaupt keine andere Bezeichnung für die amerikanischen Ureinwohner gibt.

Alle Jahre wieder poppt die Diskussion über das Wort „Indianer“ auf, zu deren unfreiwilligem Hauptdarsteller nun Udo Lindenberg wurde. Reumütig Abbitte leisten musste 2021 bereits die ehemalige Berliner Grünen-Chefin Bettina Jarasch, als sie vom „Indianerhäuptling“ sprach, dem Berufswunsch ihrer Kindheit. Im letzten Jahr sang Florian Silbereisen einen Hit von Klaus Lage, zensierte dabei aber die Zeile „Erinnerst du dich, wir ham‘ Indianer gespielt“. Jetzt will das aus Steuergeldern reich beschenkte Humboldt-Forum, das meistbesuchte Museum Deutschlands, das „I-Wort“ aus einem Satire-Lied auf die DDR-Diktatur Erich Honeckers tilgen.

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Damit hat Udo Lindenberg vielleicht eine Premiere geschafft: Sein Lied gilt nun in gleich zwei politischen Systemen als anstößig. Doch diese Zensur ist Unsinn auf noch mehr Ebenen, als man denken könnte. Während sich hierzulande vor allem Europäer stellvertretend für Indianer über das Wort „Indianer“ empören, dürfte den allermeisten indigenen Amerikanern diese deutsche Bezeichnung völlig unbekannt sein.

Udo Lindenbergs Auftritt in der DDR im Jahr 1983.

„Alternativen“ sind genauso unlogisch: „Indigene“ beispielsweise leben auch außerhalb Amerikas – Olaf Scholz beispielsweise ist so einer, ein Indigener aus Norddeutschland. Und bei den aus mehreren Worten zusammengesetzten Umschreibungen konnte man sich nicht einmal innerhalb des englischen Sprachraums auf einen allgemeingültigen Terminus einigen: Einige wollen Indianer in den USA „Native Americans“ nennen, in Kanada hingegen ist eher die Rede von „First Nations“. Doch auch „First Nations“ gibt es außerhalb Amerikas. Und ob die Benennung „Native Americans“, also „Eingeborener aus dem Erdteil, der nach dem italienischen Sklavenhalter Amerigo Vespucci benannt ist“ wirklich einen „antikolonialen Mehrwert“ bietet – darüber ließe sich streiten.

Obwohl auch der deutsche Begriff „Indianer“ aus dem altbekannten Indien-Irrtum des Kolumbus entstanden ist – er bleibt alternativlos gut und wertvoll, weil eindeutig und positiv besetzt. Denn vielleicht nirgendwo auf der Welt haben die Indianer dank Karl May ein so gutes Image wie hier in Deutschland.

Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg

Manche monieren außerdem, man möge doch gefälligst nur die Selbstbezeichnungen anderer Völker verwenden. Ganz abgesehen davon, dass es gar keine Sammelbezeichnung für die amerikanischen Ureinwohner in einer indianischen Sprache gibt – wollen wir dieses Fass wirklich aufmachen?

Da käme gerade auf uns Deutsche sehr viel Arbeit zu, wenn wir bei den Finnen darauf pochen wollten, dass sie uns nicht alle pauschal als „Sachsen“ bezeichnen mögen und wenn wir die Russen darauf hinweisen, dass es uns Bauchschmerzen bereitet, wenn sie uns weiterhin „die Stummen“ nennen.

Überraschend ist, dass das Humboldt-Forum in Sachen Kolonialismus plötzlich überhaupt so viel Fingerspitzen-Gefühl beweisen möchte. Schließlich reden wir hier immer noch von demselben Museum, das in seiner ethnologischen Sammlung die vermeintlichen Freiheitskämpfer Buschiri und Mirambo wegen ihres Kampfes gegen die deutsche Kolonialmacht in Ostafrika als „antikoloniale Widerstandshelden“ feiert. Dass diese „Freiheitskämpfer“ in Wirklichkeit Sklavenhändler waren, befand das Humboldt-Forum für so unwichtig, dass ihm diese Tatsache nicht einmal ein Nebensatz auf den entsprechenden Hinweisschildern im Museum wert war. Gerüchten zufolge sind durch diese beiden Menschenhändler sogar mehr Menschen zu Schaden gekommen als durch die Verwendung des „I-Wortes“.

So weit her kann es mit der Sensibilität und Rücksichtnahme im Humboldt-Forum daher eigentlich nicht sein ...

***Simon Akstinat ist Buchautor und Journalist. In seinen Veröffentlichungen beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit geschichtlichen Themen.

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