
Der Verhandlungsstil der EU-Europäer folgt ziemlich exakt ihrem machtpolitischen Anspruch: Es werden Maximalforderungen aufgestellt, dem Verhandlungspartner bleibt kaum Spielraum. Kommt es zu keiner Einigung, reagiert Brüssel regelmäßig mit Sanktionen. Ein besonders illustratives Beispiel bietet der Umgang mit Moskau, das sich inzwischen mit dem 18. Sanktionspaket herumschlagen muss – selbstverständlich ein ökonomisches Eigentor, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Um den Geist der Brüsseler Staatsaristokratie metaphorisch zu erfassen, sei an ein euro-phänotypisches, übel riechendes Bonmot des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker erinnert. Juncker erklärte 1999 dem Spiegel in gelöst-euphorischer Stimmung ziemlich freimütig:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Naiv-leutselig gewährte Juncker der Öffentlichkeit einen tiefen Einblick in die staatsaristokratisch geprägte Grundstimmung Brüssels und seiner Bürokratie. Von dieser Arroganz der Macht dürfte nun auch US-Präsident Donald Trump einen präziseren Eindruck gewinnen.
Denn nur Tage nach der Verkündung des Handelsvertrags zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union beginnt nun der übliche Partisanenkrieg der Europäer. In zahlreichen Pressekommentaren, Politikerstimmen und einer bereits im Vorfeld der Verhandlungen platzierten Anfrage im Europäischen Parlament baut sich Widerstand gegen die anstehende Präzisierung des Umgangs mit dem Digitalsektor sowie der Klimaregulierung auf.
Denn exakt an dieser Stelle leitet sich die Macht des Brüsseler Bürokratenapparates ab. So heißt es in einer Anfrage des EU-Parlaments vom 25. Juni an die Europäische Kommission:
„Die Kommission und das Parlament sollten sich weiterhin für den Grundsatz einsetzen, dass weltweite Herausforderungen wie die Besteuerung der digitalen Wirtschaft weltweite Lösungen erfordern. […] Das Parlament hat stets betont, dass dafür gesorgt werden muss, dass große multinationale digitale Unternehmen einen angemessenen Beitrag zu den öffentlichen Finanzen der Länder leisten, in denen sie Wertschöpfung generieren.“ Auch wird bekräftigt, dass eine EU-eigene Digitalabgabe als neue Eigenmittel „zuletzt von der Kommissionspräsidentin erneut zur Sprache gebracht“ wurde.
Sowohl Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch Bundeskanzler Friedrich Merz betonten im Nachgang der Verhandlungen, dass es nun um die Detailarbeit ginge. Gemeint sind besagter Umgang mit der Digitalwirtschaft sowie die Verteidigung der klimapolitischen Grundlinie der EU.
Möglicherweise war es ein Webfehler innerhalb des Verhandlungskonstrukts, Brüssel genau an dieser Stelle die Türen zu Nachverhandlungen zu öffnen. Sicherlich, aus Sicht der amerikanischen Handelspolitik besitzt die Beseitigung des gigantischen Handelsdefizits ebenso Priorität wie die Erhöhung des Volumens der Zolleinnahmen im Kampf gegen das Staatsdefizit.
Aus der Sicht der Zivilgesellschaft in der Europäischen Union wäre dies eine tragische Entwicklung. Neben der ökonomischen Komponente, die ein schnelleres Ausbluten der Wirtschaft der EU im Zuge der einseitigen Zollbelastung sowie des erzwungenen Energiekaufs bewirkt, stünde ohne amerikanischen Druck auf die Digitalpolitik Brüssels keine politische Kraft mehr zwischen den Ambitionen der EU-Führung und der Errichtung eines immer tieferreichenden, invasiven Kontrollregimes. Die Blaupause der europäischen Zensurpolitik liefert in diesen Tagen London. Mit dem neuen „Online Safety Act“ etabliert Großbritannien eine digitale Vorzensur, die Inhalte auf Plattformen wie X, Facebook oder YouTube bereits beim Hochladen filtern lässt. Kritik an Migration, Genderpolitik oder dem Islam fällt künftig unter „hasserfüllte Kommunikation“ und kann strafrechtlich verfolgt werden.
Brüssel schaut genau hin. Was in London im Feldversuch initiiert wird, dürfte mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) EU-weit institutionalisiert werden: ein Wahrheitsministerium mit angeschlossenem Strafschnellvollzug zur Eindämmung des frei schwingenden Dissidententums. Die freie Debatte weicht moderierter Konformität.
Parallel dazu beginnt die EU, ihre Netzwerke aus NGOs, Thinktanks und zivilgesellschaftlichen Gruppen in Stellung zu bringen, um die Deregulierungsstrategie der USA im Energie- und Rohstoffbereich öffentlich zu delegitimieren. Besonders im Fokus: der Green Deal, der zunehmend zur ideologischen Rückversicherung europäischer Industriepolitik avanciert. Die Regulierung des Marktzugangs – etwa durch Klimaauflagen – wird zum strategischen Hebel, um Wettbewerber zu blockieren und eigene Branchen zu bevorzugen.
Umweltverbände, die erste Verteidigungslinie der Klimaprotektionismus, kritisieren das Energiekapitel des neuen Handelsabkommens scharf und warnen vor neuen Abhängigkeiten und fossilen Lock-ins, die Investitionen in erneuerbare Energien blockieren. Wolfram Axthelm vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) spricht von einer Unterminierung des European Green Deal. Auch die Deutsche Umwelthilfe sieht ein „katastrophales Signal“ für die Energiewende. Der BUND wirft Brüssel einen „Kniefall vor fossilen Interessen“ vor.
Im Chor tönt es aus dem Kreis der Umwelt-NGOs: Der vereinbarte Import fossiler Energieträger im Volumen von 750 Milliarden Dollar aus den USA konterkariere die Klimaziele der EU. Volltreffer!
Die koordiniert kommunizierten Pressestimmen geben uns einen konkreten Hinweis auf die anstehende Verhandlungstendenz aus Sicht der EU. Genau in diesem Feld der Klimapolitik befindet sich die letzte Verteidigungslinie Brüssels. Und wie wir es aus der Medienarbeit des politischen Kulturkampfs der Linken kennen, wird Brüssel nun seine überdimensionierte NGO-Maschine heißlaufen lassen und ein Szenario der Klima-Apokalypse zeichnen, das den notwendigen zivilgesellschaftlichen Rückhalt für die kommenden Verhandlungswochen stimulieren soll.
Doch was als „Wertepolitik“ verkauft wird, ist in Wahrheit eine technokratisch motivierte Protektionsmaschinerie, die eine Schneise der Verwüstung durch die europäische Ökonomie zieht. Die Deindustrialisierung Europas ist längst Realität. Die Brüsseler Klimaorthodoxie beschleunigt, was sie angeblich verhindern will: wirtschaftlichen Selbstmord.
Die Klimapolitik zeigt das ganze intellektuelle und machtpolitische Dilemma Brüssels: Ihre Maximalhaltung der Klimaneutralität zerstört die Binnenökonomie des Kontinents. Jetzt wäre allerhöchste Zeit sämtliche Kanäle, auch den nach Russland zu öffnen, um sich in eine bessere Verhandlungsposition beim notwendigen Energieimport zu begeben. Europa bezieht 58 Prozent seines Energiebedarfs aus dem Ausland – hier liegt die Achillesferse, die zum geopolitischen Bedeutungsverlust der Europäer führt.
Der sich nun formierende Widerstand in der EU gegen den Handelsdeal mit den USA deutet darauf hin, dass uns zähe Wochen der Nachverhandlungen bevorstehen. Dass es Donald Trump gelingen wird, sowohl den Klimaabsolutismus als auch die Digitalzensur der Europäer zu knacken, ist zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Brüssel wird den europäischen Bürgern hohe wirtschaftliche Bürden aufzwingen und zur Not höhere Strafzölle in Kauf nehmen, um dieses Fundament seiner Macht zu verteidigen.