
Der plötzliche und medial ausgebreitete Wandel von Mark Zuckerberg vom Saulus zum Paulus der Meinungsfreiheit mag zwar Vielen ein müdes Lächeln ins Gesicht zaubern, nichtsdestotrotz wurden damit neue Tatsachen geschaffen, die – wenn sich der Staub der Aufregung gelegt hat – festen Schrittes weiter in die Zukunft weisen. Eine Zukunft, in der Zuckerbergs Meta sich im Kampf um den Platz an der Sonne der Tech-Gurus nicht einfach Google oder Musks X geschlagen gibt, sondern in dem er hofft, selbst einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil herauszuschlagen.
Den Grundstein dafür legte Zuckerberg bereits vor längerer Zeit. Schon im Vorjahr verkündete der Meta-Chef in einem Artikel, der die Bedeutung und die Vorteile von Open Source AI für Entwickler, Unternehmen und die Gesellschaft im Allgemeinen betont. Darin zieht Zuckerberg Parallelen zwischen der historischen Entwicklung von Unix und Linux und der heutigen Situation in der AI-Forschung. Damals setzten große Technologieunternehmen auf geschlossene Systeme, doch Linux zeigte, dass Open Source durch seine Modifizierbarkeit, Kosteneffizienz und breite Unterstützung schließlich zur Branchennorm wurde. Der Gründer von Facebook argumentiert, dass Open Source AI ähnliche Vorteile bringen wird, insbesondere in Bezug auf Innovation, Sicherheit und die Unterstützung durch eine globale Entwicklergemeinschaft.
Metas Absicht, Open Source AI zur Branchennorm zu machen, wird durch Projekte wie die hauseigene Meta-KI “Llama” untermauert. Die nächste Generation dieser Modelle, die 2025 erwartet wird, soll die fortschrittlichste KI in der Branche sein. Schon jetzt führt Llama in Bereichen wie Offenheit, Modifizierbarkeit und Kosteneffizienz, was Unternehmen wie Scale.AI, Dell und Deloitte dazu verleitet, Firmen bei der Übernahme und Anpassung dieser Modelle zu unterstützen. Die Hoffnung ist, dass Open Source AI die Entwicklung innovativer Anwendungen beschleunigen und demokratisieren kann.
Zuckerberg wirbt damit, dass Open Source AI durch die kollektive Arbeit der Entwicklergemeinschaft Innovationen beschleunigen könne. Dies führe im Idealfall zu einer erhöhten Sicherheit und Transparenz, da Sicherheitslücken schneller entdeckt und behoben werden könnten. Außerdem soll dieser Ansatz Unternehmen und Einzelpersonen den Zugang zu fortschrittlichen Technologien ohne die Last hoher Lizenzzahlungen bieten.
Trotz der genannten Vorteile gibt es Diskussionen über die tatsächliche Offenheit von Metas KI-Modellen. So hat die Open Source Initiative (OSI) eine neue Definition für KI nach Open Source Prinzipien eingeführt, die erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen wie Meta haben könnte. Die OSI hat gemeinsam mit einer Vielzahl von Akteuren, darunter Forschern, Anwälten und Vertretern von Tech-Riesen, festgelegt, dass KI-Systeme, um als Open Source bezeichnet zu werden, transparenten Zugang zu ihren Trainingsdaten bieten müssen. Diese Anforderung erfüllt Metas Llama allerdings nicht, sodass Nutzer nicht wüssten, ob sie mit voreingenommenen Daten konfrontiert würden.
Stefano Maffulli, der Leiter der OSI, sagte, dass Tech-Unternehmen, im Hinblick auf die Herkunft ihrer Daten gerne vage auf “das Internet” verweisen. Doch die „wirkliche Innovation“ und die Art und Weise, wie KI-Modelle besser funktionieren können, liegt, so Maffulli, in der Art und Weise, wie die Trainingsmaschinen mit Datensätzen gefüttert werden. „Wenn man mit den Unternehmen spricht, wollen sie den Code nicht freigeben“, sagte Maffulli. Doch die Innovation finde genau dort statt.
Die neue Definition der OSI zielt darauf ab, die Praxis des „Openwashing“ zu bekämpfen, mit der Unternehmen ihre nicht vollständig offenen KI-Modelle als Open Source bewerben. Diese Praxis, so die Befürchtung, könnte die Entwicklung von KI, die wirklich von Nutzern kontrollierbar ist, behindern. Maffulli äußert die Sorge, dass eine Übermacht von nur wenigen Unternehmen die Innovation im KI-Bereich beeinträchtigen könnte, wenn nicht klar definiert ist, was Open Source KI tatsächlich bedeutet. Die Definition der OSI zeigte auch erste Wirkung: Unternehmen wie Microsoft und Google reagierten bereits, indem sie von der Nutzung des Begriffs „Open Source“ für ihre nicht vollständig offenen Modelle Abstand nahmen.
Für Meta ist diese Frage noch nicht endgültig geklärt. Und doch: Ohne Transparenz in Bezug auf Trainingsdaten wird Meta nicht behaupten können, dass Llama ein Open Source Modell sei. Das Fehlen dieser Transparenz würde dann auch rechtliche und ethische Fragen aufwerfen, insbesondere in Bezug auf Urheberrecht und Datenverzerrungen.
Diese Ankündigung von Meta kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Unternehmen eine Neuausrichtung entlang der sich verändernden politischen Landschaft erfährt. Nach Jahren der Kritik hinsichtlich Datenschutz, Zensur, Missbrauch von Nutzerdaten und der Einflussnahme auf politische Prozesse, möchte sich Meta nun wieder als Förderer einer offenen, transparenten und demokratischen Technologielandschaft präsentieren. Die Bemühungen um eine Open Source KI spielen in diese Bemühungen hinein, doch die Zweifel an der tatsächlichen Offenheit von Llama bestätigen die parallelen Zweifel am tatsächlichen Sinneswandel Mark Zuckerbergs.